OGH 14Os97/23f

OGH14Os97/23f24.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Oktober 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Gindl im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des * D* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. August 2023, GZ 36 Hv 10/23m-50.1, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00097.23F.1024.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteilaufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des * D* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er am 7. Jänner 2023 in W* unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer katatonen Schizophrenie, aufgrund derer er im Zeitpunkt der Tat zurechnungsunfähig (§ 11 StGB) war, * H* am Körper schwer zu verletzen versucht hat, indem er ihm mehrere Schläge gegen den Kopf versetzte und in dessen linken kleinen Finger biss, wodurch H* eine Blutunterlaufung der Augenlider am linken Auge, eine Einblutung unter die Bindehaut am rechten Auge, eine Blutunterlaufung an der linken Schläfe sowie einen unverschobenen Bruch des mittleren Fingergliedes samt ausgeprägter Schwellung und Blutunterlaufung am Kleinfinger links samt oberflächlicher Bisswunde mit anschließender Infektion erlitt, sohin eine Tat begangen hat, die als das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 8, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – Berechtigung zukommt.

[3] Die Anordnung der Unterbringung einer Person in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB setzt die Begehung einer mit (ein Jahr übersteigender Freiheits-)Strafe bedrohten Handlung voraus, die nur dann gegeben ist, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt ist (RIS-Justiz RS0119623, RS0090295).

[4] Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf, dass dem Urteil Feststellungen zu einem (bedingten) Vorsatz des Betroffenen auf Zufügung einer schweren Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB) nicht zu entnehmen sind. Die erstrichterliche Annahme, das Vorgehen des Betroffenen sei „grundsätzlich geeignet“ gewesen, eine (an sich) schwere Verletzung herbeizuführen (US 6), reicht für die Verwirklichung des Verbrechens nach § 84 Abs 4 StGB in der (nur in der Vorsatzvariante möglichen [RIS-Justiz RS0131591]) Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) nicht aus.

[5] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert – bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) – die Aufhebung des Urteils und die Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

[6] Auf das weitere Rechtsmittelvorbringen war somit nicht einzugehen.

[7] Mit seiner Berufung war der Betroffene auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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