OGH 8Ob68/23t

OGH8Ob68/23t17.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin M* GmbH, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gläubigers Ing. F*, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wegen Meistbotverteilung, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. Juni 2023, GZ 6 R 173/23i‑51, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. März 2023, GZ 3 S 146/21x‑46, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00068.23T.1017.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 11. 2021 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Konkursverfahren eröffnet.

[2] Das Erstgericht erteilte der bestellten Masseverwalterin mit Beschluss vom 21. 12. 2022 antragsgemäß die Genehmigung der Veräußerung des Superädifikats der Schuldnerin (eines noch in Bau befindlichen Betriebsgebäudes auf einer in Fremdeigentum stehenden Liegenschaft), zum Preis von 150.000 EUR.

[3] Der Revisionsrekurswerber, bei dem es sich um den Unterverpächter der mit dem Superädifikat bebauten Liegenschaft handelt, meldete als Gläubiger eine Forderung von 318.669,70 EUR zur Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf an. Die Schuldnerin habe die vereinbarten Pachtzinse nicht bezahlt, sodass er das Bestandverhältnis wegen qualifizierten Zinsrückstands mit Schreiben vom 8. 2. 2021 aufgelöst habe. Da die Schuldnerin die Liegenschaft weder geräumt habe, noch ihrer Zahlungspflicht nachkomme, seien bis zur Konkurseröffnung insgesamt weitere 79.478,06 EUR an Benützungsentgeltrückstand inklusive Zinsen aufgelaufen. Auch seit der Konkurseröffnung benutze die Schuldnerin die Bestandfläche ohne Zahlung, wodurch weitere Nutzungsentgelte von insgesamt 75.000 EUR als Masseforderung ausständig seien.

[4] Für sämtliche Forderungen stehe dem Gläubiger das Bestandgeberpfandrecht nach § 1101 ABGB zu. Er mache sein Absonderungsrecht am Erlös des Superädifikats für diese Forderung von insgesamt 161.749,70 EUR aus diesem Titel geltend und beantrage die Zuweisung des Erlöses in der gesetzlichen Reihenfolge.

[5] Die Masseverwalterin erhob gegen die Forderungsanmeldung des Gläubigers Widerspruch und führte aus, dass nach dem Pachtvertrag ein Benützungsentgelt nur innerhalb der Räumungsfrist von 60 Tagen nach Vertragsauflösung zustehe und vom Bestandgeberpfandrecht umfasst sei. Andere Forderungen, insbesondere Schadenersatz, seien nicht besichert. Rückstellungstag für das Bestandobjekt sei der 10. 4. 2021 gewesen, sodass sich unter weiterer Anwendung des § 48 Abs 4 IO insgesamt ein maximal besicherter Betrag von 22.666,67 EUR ergebe.

[6] Mit dem angefochtenen Beschluss verteilte das Erstgericht den Erlös von 150.000 EUR dahingehend, dass es 1.088 EUR nach § 82d Z 2 IO als Entlohnung der Masseverwalterin zuwies, weiters dem Revisionsrekurswerber 22.666,67 EUR sowie den übrigen Betrag der allgemeinen Masse.

[7] Es führte aus, das Bestandgeberpfandrecht bestehe nur für Entgelt für die Gebrauchsüberlassung, die mit Ablauf der Räumungsfrist beendet worden sei. Darüber hinaus könne es nach § 48 Abs 4 IO rückwirkend nur für das letzte Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden.

[8] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Absonderungsgläubigers teilweise Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es ihm zusätzlich zu dem vom Erstgericht zuerkannten Betrag weitere 1.617,13 EUR an Zinsen, insgesamt daher 24.283,80 EUR, aus dem Verwertungserlös zuwies und auf dieser Berechnungsgrundlage auch die Entlohnung der Masseverwalterin neu bestimmte. Die Zuweisung des Kapitalbetrags von (nur) 22.666,67 EUR im Sinne der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bestätigte es ausdrücklich.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Absonderungsgläubigers, mit dem er die Zuweisung von weiteren 113.656,91 EUR anstrebt, ist unzulässig.

[10] Das Rechtsmittel bekämpft einen Beschluss des Rekursgerichts, mit dem der Beschluss des Erstgerichts teilweise bestätigt wurde. Der abändernde Teil der Rekursentscheidung bestand in der zusätzlichen Zuweisung von Zinsen aus dem bestätigten Kapitalbetrag, die das Erstgericht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hatte.

[11] Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstgerichtliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist. Diese Beschränkung gilt auch im Insolvenzverfahren (§ 252 IO; RIS‑Justiz RS0044101).

[12] Ist mit dem angefochtenen Beschluss die Entscheidung des Erstgerichts nur teilweise bestätigt worden, schließt dies nach ständiger Rechtsprechung eine Konformatssperre nicht jedenfalls aus. Hat das Rekursgericht über mehrere Ansprüche entschieden, die nicht zusammenzurechnen sind, ist der Rechtsmittelausschluss für jeden Entscheidungsteil gesondert zu beurteilen (RS0044238). Die Rekursentscheidung ist nur dann zur Gänze anfechtbar, wenn ihr bestätigender und abändernder Teil in einem derart engen, unlösbaren Zusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht abgesondert werden können und deshalb die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich zu beurteilen ist.

[13] Hatte das Rekursgericht dagegen über mehrere Gegenstände oder Ansprüche entschieden, die in keinem solchen inneren Zusammenhang stehen, sodass jeder für sich ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann, sind sie – soweit es um deren Anfechtbarkeit in dritter Instanz geht – gesondert zu beurteilen. Die verschiedenen Ansprüche in der Frage der Rechtsmittelzulässigkeit sind dann so zu behandeln, als wären die Entscheidungen über sie gesondert ergangen (1 Ob 616/92 = JBl 1993, 459; 8 Ob 48/22z ua; Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 IV/1 § 528 ZPO Rz 48).

[14] Zu beurteilen ist im vorliegenden Fall also, ob der abändernde und der bestätigende Teil der Rekursentscheidung in einem derartigen unlösbaren Sachzusammenhang stehen. Dies ist nicht der Fall. Die Entscheidung des Rekursgerichts hat die Frage, welcher gesicherte Kapitalbetrag an Zins und Benützungsentgelt dem Gläubiger aufgrund seines Bestandgeberpfandrechts zuzuweisen ist, dem Grunde und der Höhe nach mit dem Erstgericht übereinstimmend beurteilt. Der abändernde Teil der Rekursentscheidung umfasst eine zusätzliche Zuweisung von in erster Instanz übergangenen Zinsen und damit einen Anspruch, der ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann.

[15] Der Revisionsrekurs ist daher im Umfang der Bekämpfung des Kapitalbetrags jedenfalls unzulässig.

[16] Hinsichtlich des von der zweitinstanzlichen Abänderung umfassten Zinsenbetrags, der zwar rechnerisch vom Anfechtungsbegehren umfasst ist, aber im Revisionsrekurs nicht thematisiert wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vor.

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