OGH 6Ob229/22b

OGH6Ob229/22b25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. B* Q*, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. T* GmbH, FN *, 2. Mag. M* P*, 3. Dr. W* S*, alle vertreten durch Engelhart Richter & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und deren Nebenintervenientin L*ges m.b.H. & Co KG, *, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 137.270,28 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2022, GZ 2 R 83/22y‑40, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 15. März 2022, GZ 20 Cg 98/19a‑34, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00229.22B.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurswird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Zweit‑ und der Drittbeklagte sind die (verbliebenen) ehemaligen Gesellschafter der vormals erstbeklagten Offenen Gesellschaft. Der Kläger schied am 31. 12. 2018 aus dieser Gesellschaft (pensionsbedingt) aus.

[2] § 18 des Gesellschaftsvertrags lautet:

„§ 18 Gerichtsstand

Gerichtsstand für sämtliche gegenwärtigen und künftigen Streitigkeiten aus diesem Gesellschaftsvertrag bzw. Gesellschaftsverhältnis, einschließlich solcher über Nichtigkeit, Irrtumsanfechtung und Wegfall des Vertrages ist ausschließlich das für den Sitz der Gesellschaft sachlich zuständige Gericht. Vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ist jeder Gesellschafter verpflichtet zunächst eine einvernehmliche Lösung anzustreben und auf Verlangen der übrigen Gesellschafter eine professionelle Mediation zu versuchen. Dieses Verlangen kann nur binnen einem Monat ab schriftlicher Bekanntgabe, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung beabsichtigt ist, gestellt werden. Die Pflicht zunächst eine außergerichtliche Lösung zu versuchen entfällt bei Gefahr im Verzug, wovon auszugehen ist, falls eine Klage mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden wird.“

[3] Der Klägerbegehrt restliche Abfindungsansprüche in Höhe des Klagsbetrags. Es habe zahlreiche Versuche einer einvernehmlichen Lösung und Problembereinigung gegeben. Der Kläger habe auch nachträglich die Durchführung eines Mediationsverfahrens angeboten, sodass der Einwand der mangelnden Klagbarkeit rechtsmissbräuchlich sei. Es fehle überdies an der für eine Schlichtungsklausel erforderlichen Bestimmtheit.

[4] Die Beklagten wendeten (soweit für das Rekursverfahren relevant) gestützt auf § 18 des Gesellschaftsvertrags die fehlende Klagbarkeit ein. Der Kläger habe entgegen seiner gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung die Bekanntgabe der beabsichtigten Klagseinbringung unterlassen, weshalb Zweit- und Drittbeklagter nicht die Durchführung einer professionellen Mediation vor Klagseinbringung verlangen hätten können, was sie für sinnvoll erachten bzw erachtet hätten.

[5] Das Erstgerichtwies die Klage ab. Der Gesellschaftsvertrag enthalte eine Schlichtungsklausel, die den zur Klagsabweisung führenden Einwand des Mangels der derzeitigen Klagbarkeit bewirke. In Bezug auf die Auszahlung eines der Höhe nach bestimmten Abschichtungsguthabens habe es keine schriftliche Bekanntgabe im Sinne der Schlichtungsklausel gegeben, weshalb der Kläger diese Voraussetzung nicht erfüllt habe. Die Ablehnung der „nachträglich“ angebotenen Mediation durch den Zweit- und den Drittbeklagten hebe die mangelnde Klagbarkeit nicht auf und stelle auch keinen Rechtsmissbrauch dar.

[6] Das Berufungsgericht verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Selbst ausgehend von einer wirksam vereinbarten obligatorischen Schlichtungsvereinbarung sei weder anhand der Judikatur noch der Auslegung der konkreten Vereinbarung ersichtlich, weshalb eine Klagsabweisung mangels Klagbarkeit/Fälligkeit bei verfrühter Klage unabhängig vom Folgegeschehen bis zum Schluss der Verhandlung erfolgen müsse. Der Kläger möge es verabsäumt haben, den Mitgesellschaftern die beabsichtigte Klagsführung schriftlich anzukündigen, mit Klagszustellung hätten sie aber die gebotenen Informationen schriftlich erhalten und eine Mediation verlangen können. Dies hätten sie innerhalb der vereinbarten Monatsfrist nicht getan. Die Klausel sei daher schon zum Zeitpunkt der vorbereitenden Tagsatzung der Klagbarkeit/Fälligkeit der Klagsforderung nicht mehr entgegen gestanden.

[7] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Klarstellung, ob ein bei Klagseinbringung unterlaufenes Versäumnis betreffend die Einhaltung einer obligatorischen Schlichtungsvereinbarung mangels materieller Anspruchsberechtigung jedenfalls zur Klagsabweisung führe (wie sich aus der Entscheidung 8 ObA 28/08p ableiten ließe) oder ob eine Sanierung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich sei (wie dies die Entscheidung 2 Ob 209/10i impliziere), der Rechtssicherheit über den Einzelfall hinaus diene.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der dagegen gerichteteRekurs der Beklagten, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine präjudizielle erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird darin nicht aufgezeigt:

[9] 1. Es wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass obligatorische Mediationsvereinbarungen inhaltlichen Mindesterfordernissen entsprechen und daher ein Mindestmaß an Bestimmtheit aufweisen müssen. Neben den zu regelnden Ansprüchen sind Vorgaben in Bezug auf die Auswahl und Bestellung der Streitschlichter, den Ort der Streitschlichtung und die Dauer der vorgerichtlichen Streitbeilegungsversuche als Richtschnur für eine wirksame obligatorische Streitschlichtungsklausel anzusehen (3 Ob 98/22s; vgl 9 ObA 47/20g; RS0063867). Diese Erfordernisse gelten nicht nur für arbeitsrechtliche Schlichtungsvereinbarungen (3 Ob 98/22s).

[10] Sind die Mindestanforderungen nicht erfüllt, so ist eine vertragliche Regelung zur obligatorischen Streitschlichtung zu unbestimmt und unwirksam (3 Ob 98/22s [ErwGr 4.2.]).

[11] 2. Ob im vorliegenden Fall für die Wirksamkeit der in dem zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrag enthaltenen Mediationsklausel sämtliche der erörterten Vorgaben erforderlich wären (vgl dazu OGH 3 Ob 98/22s EvBl 2022/157 [Trenker: Person der Streitschlichter, angemessene Maximaldauer]; OGH 3 Ob 98/22s iFamZ 2022/192 [Deixler-Hübner: zu regelnde Ansprüche, Mediationsmethode, bestimmte Dauer]) kann offen bleiben, weil die hier zu beurteilende Streitschlichtungsklausel keine dieser Vorgaben enthält. Sie legt weder fest, wieviele Mediatoren von wem auf welche Weise zu bestimmen sind, welche Qualifikationen die Mediatoren aufweisen müssen, wo der Schlichtungsversuch stattfinden soll noch wie lange diese Versuche dauern sollen, bis das Gericht angerufen werden kann. Diese vollkommen unbestimmte Streitschlichtungsklausel ist daher unwirksam (vgl 3 Ob 98/22s [ErwGr 5.]).

[12] 3. Ob die Einhaltung der gegenständlichen Mediationsvereinbarung bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz nachgeholt werden konnte und vom Kläger auch nachgeholt wurde, ist daher nicht mehr relevant.

[13] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 Abs 1, § 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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