OGH 1Ob129/23m

OGH1Ob129/23m20.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Verlassenschaft nach D*, vertreten durch die Jeannée Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin R*, vertreten durch Mag. Antonia Cermak, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. April 2023, GZ 42 R 25/23x‑45, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00129.23M.0920.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die 1985 geschlossene Ehe der Parteien wurde im Jahr 2020 geschieden. Der Aufteilungsstichtag steht mit 2. 7. 2012 und der Aufteilungsschlüssel mit 1 : 1 außer Streit. In die Aufteilung fällt die im Alleineigentum des Mannes stehende eheliche Liegenschaft mit einem lastenfreien Verkehrswert von 1.700.000 EUR und darauf aushaftenden konnexen Schulden von 652.000 EUR. Auf der Liegenschaft sind überdies offene Verbindlichkeiten des Mannes von 166.000 EUR grundbücherlich sichergestellt.

[2] Das Rekursgericht übertrug das Eigentum an der ehelichen Liegenschaft samt den darauf lastenden Verbindlichkeiten der Frau und verpflichtete sie zu einer Ausgleichszahlung von 358.000 EUR an den Mann.

[3] Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs strebt die Frau den gänzlichen Entfall der Ausgleichszahlung und eine Übernahme nur der konnexen Schulden an.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Rechtsmittel, das zur Aufteilung der Verbindlichkeiten keinerlei inhaltliche Ausführungen enthält, ist nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht aufgezeigt wird.

[5] 1. Ein Verfahrensmangel des Rekursgerichts im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge wäre nur dann vorgelegen, wenn sich das Rekursgericht damit überhaupt nicht oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Beschluss festgehalten wurden („floskelhafte Scheinbegründung“; RS0043371 [T13, T32]). Hat sich das Rekursgericht dagegen mit der Beweisrüge befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und – wie hier – nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und in seiner Entscheidung festgehalten, sind Rekursverfahren und Rekursentscheidung mangelfrei (RS0043150; RS0043144 [T6]).

[6] 2. Ein der Aufteilung unterliegendes eheliches Vermögen besteht nur dann, wenn es zum Zeitpunkt der gerichtlichen Anordnung noch vorhanden oder dessen Wert nach der Bestimmung des § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen ist (RS0057299). Hat ein Ehegatte ohne ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des anderen frühestens zwei Jahre vor Einbringung der Klage auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe oder, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft vor Einbringung der Klage aufgehoben worden ist, frühestens zwei Jahre vor dieser Aufhebung eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in einer Weise verringert, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widerspricht, so ist der Wert des Fehlenden nach § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen.

[7] Hier konnte nicht festgestellt werden, dass der Mann zum Zeitpunkt der Einbringung der Scheidungsklage bzw zwei Jahre davor noch über nennenswerte Vermögenswerte verfügt bzw Vermögen auf (geheimen) Sparbüchern, auf (geheimen) Konten versteckt oder auf eine sonstige Art und Weise „beiseite geschafft“ hat. Vielmehr steht (teilweise disloziert) fest, dass die Parteien schon während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft einen über weite Strecken luxuriösen und kostspieligen Lebensstil führten, der primär vom Mann finanziert wurde, und dass der Mann auch abseits der Ehe einen aufwendigen Lebensstil pflegte.

[8] Es begegnet keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen davon ausgehend die Anwendbarkeit des § 91 Abs 1 EheG verneint haben:

[9] Der Fachsenat hat zwar mehrfach ausgesprochen, dass demjenigen, der eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse verbraucht hat, der Nachweis obliegt, zu welchen Zwecken diese Ersparnisse verwendet wurden (1 Ob 262/15h mwN). Im vorliegenden Fall steht allerdings eine einseitige – der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten während der ehelichen Lebensgemeinschaft widersprechende – Vermögensverminderung gerade nicht fest (anders als zu 1 Ob 44/18d, wo einer der Ehegatten ein während der Ehe geschaffenes Sparguthaben behoben hatte und dessen Verwendung nicht festgestellt werden konnte). Über diese Negativfeststellung hat sich die Frau schon im Rekursverfahren hinweggesetzt.

[10] 3. Entgegen ihrer Ansicht hat das Rekursgericht die Außerstreitstellung über das Nettoeinkommen des Mannes in den Jahren 2000 bis 2013 auch nicht unbeachtet gelassen, sondern ist bei Erledigung der Beweisrüge davon ausgegangen, dass das Einkommen „unter Berücksichtigung des bekannten Lebensstils der Familie“ auch entsprechend ausgegeben, also für die gemeinsame Lebensführung verbraucht wurde. Da ein relevantes Vermögen des Mannes im maßgeblichen Zeitraum auch aus diesem Grund nicht feststellbar war, bedarf es keiner weiteren Feststellungen über die Verwendung des von ihm über mehr als ein Jahrzehnt lang erzielten Nettoeinkommens.

[11] Nicht nachvollziehbar ist, inwieweit in dem Zusammenhang die Entscheidung 1 Ob 247/14a einschlägig sein sollte, in der der Oberste Gerichtshof eine Feststellung darüber vermisste, ob einer der Ehegatten – wie vom anderen behauptet – nicht offiziell verbuchte Zusatzeinnahmen verspielt oder verprasst hatte.

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