OGH 12Os31/23k

OGH12Os31/23k7.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Besic in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 und Abs 5 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 12. Dezember 2022, GZ 607 Hv 5/19v‑849, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00031.23K.0907.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen, der im Übrigen unberührt bleibt, zu den Eventualfragen 1 bis 6 (fortlaufende Zahlen 7 bis 12) nach dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und Z 3 SMG sowie das darauf beruhende Urteil aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang an das Geschworenengericht des Landesgerichts für Strafsachen Wien zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung mit dem Auftrag verwiesen, die unberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchs der Entscheidung mit zugrunde zu legen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen – auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden – Urteil wurde * J* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in einverständlichem Zusammenwirken mit anderen Mittätern und als Mitglied einer im Urteil näher beschriebenen kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, nämlich 523 kg Cannabiskraut, beinhaltend 66,36 kg THCA und 3,64 kg Delta‑9‑THC (1841‑fache Grenzmenge) erzeugt, indem er als Mitorganisator, Finanzier und wirtschaftlicher Eigentümer von Cannabisplantagen fungierte, wobei folgende Mengen Suchtgift erzeugt wurden:

1./ vom 1. März 2016 bis zum 10. Jänner 2018 in O* 189 kg Cannabiskraut mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 14 % THCA und 0,47 % Delta‑9‑THC,

2./ vom 6. September 2017 bis zum 19. Jänner 2018 in M* 128,25 kg Cannabiskraut mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 16,31 % THCA und 1,39 % Delta‑9‑THC,

3./ im Juli 2017 in S* 50 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 10 % THCA und 0,5 % Delta‑9‑THC,

4./ vom 1. März 2018 bis zum 12. Juni 2018 in V*, 36,4 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 10 % THCA und 0,5 % Delta‑9‑THC,

5./ vom 1. September 2016 bis zum 12. Juni 2018 in V*, 63,84 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 10 % THCA und 0,5 % Delta‑9‑THC,

6./ von November 2017 bis Juni 2018 „in der Liegenschaft G*“ 56 kg Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 10 % THCA sowie 0,5 % Delta‑9‑THC.

[3] In Bezug auf die vom Schuldspruch umfassten Taten verneinten die Geschworenen die (nach dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3, Abs 5 SMG gestellten) Hauptfragen 1 bis 6 (fortlaufende Zahlen 1 bis 6). Hingegen bejahten sie die (nach dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und Z 3 SMG gestellten) Eventualfragen 1 bis 6 (fortlaufende Zahlen 7 bis 12).

[4] Zur Fragestellung an die Geschworenen durch das Erstgericht ist vorweg anzumerken, dass jede einzelne der Haupt- und Eventualfragen darauf gerichtet war, ob der Angeklagte durch die Erzeugung einer in der jeweiligen Frage enthaltenden Teilmenge Suchtgiftmanipulationen in Bezug auf das (Gesamt‑)Quantum (1841‑fache Grenzmenge) begangen hat, welches sich aber erst bei Addition aller Suchtgiftteilmengen laut Haupt- oder Eventualfragen 1 bis 6 ergibt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die gegen dieses Urteil aus Z 4, 6, 8 und 13 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – berechtigt.

[6] Die Fragenrüge (Z 6) zeigt zunächst zutreffend auf, dass die Stellung von jeweils sechs Schuldfragen (Haupt- und Eventualfragen) verfehlt war, weil die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten erkennbar zur Last legte, die in mehreren Plantagen erfolgte Suchtgifterzeugung in tatbestandlicher Handlungseinheit (zum Begriff RIS‑Justiz RS0122006, RS0127374; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.204) vorgenommen zu haben (vgl die Bezugnahme der Anklageschrift auf ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG und die Ausführungen zur kontinuierlichen Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt [ON 429 S 5 und 12]). Gemäß § 312 Abs 1 StPO hätte dieser Anklagevorwurf daher nur in eine Schuldfrage aufgenommen werden dürfen, wobei die Zusammenfassung der jeweiligen Einzelakte von tatsächlichen, der Beantwortung durch die Geschworenen vorbehaltenen Umständen abhängig gewesen wäre (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 37; 12 Os 56/22k). Einem allfälligen Wegfall von Teilaspekten (Teilmengen) hätte durch Beschränkungen im Sinn des § 330 Abs 2 StPO Rechnung getragen werden können.

[7] Im Recht ist auch die Instruktionsrüge (Z 8) mit ihrer Kritik, dass die Geschworenen in Bezug auf die aufgezeigte (anklagedifforme) Aufspaltung der dem Angeklagten zur Last gelegten tatbestandlichen Handlungseinheit in einzelne Schuldfragen (Haupt- und Eventualfragen) wie folgt unrichtig belehrt wurden (S 15 der [nicht journalisierten] Rechtsbelehrung):

„Die Bejahung bereits einer der Hauptfragen führt zu einem Schuldspruch nach dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 und Abs 5 SMG. Bei Verneinung einer der Hauptfragen ist die darauffolgende Eventualfrage zu beantworten. Wird diese bejaht, ergeht zu dieser Frage ein Schuldspruch nach dem Verbrechen des Suchtgifthandels [nach] § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG.“

[8] Eine solche Instruktion verstößt nämlich gegen die Verpflichtung, die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage (Schuldspruch oder Freispruch) klarzulegen (§ 321 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0100751 [T2]; zuletzt 15 Os 85/21w), weil sie gar keinen Hinweis darüber enthält, welche Folgen die Verneinung einer (einzelnen) Eventualfrage oder allenfalls die Verneinung mehrerer oder aller Eventualfragen hat (vgl 15 Os 46/09t).

[9] Davon abgesehen lässt die Rechtsbelehrung auch die gebotene Information in Bezug auf die Tatbegehung des Angeklagten im Rahmen einer Verbindung im Sinn des § 28a Abs 4 Z 2 SMG in subjektiver Hinsicht vermissen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0089041; Swiderski, WK‑StPO § 321 Rz 10/1).

[10] Die aufgezeigten Defizite machen die Urteilsaufhebung bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 344 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO) unumgänglich, ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Rechtsmittelvorbringen des Angeklagten bedurfte.

[11] Bleibt – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und der Generalprokuratur – lediglich anzumerken, dass in Bezug auf das Tatbildmerkmal „vorschriftswidrig“ im Regelfall (dh wenn keine für die Annahme der in §§ 5 ff SMG genannten Erlaubnistatbestände sprechenden Verfahrensergebnisse hervorgekommen sind) keine besonderen Belehrungsanforderungen bestehen (vgl RIS‑Justiz RS0132363).

[12] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

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