Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird der Wahrspruch der Geschworenen - der im Übrigen, nämlich in der (bejahenden) Antwort auf die Hauptfrage 1. nach dem Verbrechen des (versuchten) Mordes unberührt bleibt - in der Beantwortung der Zusatzfrage 1. (Verneinung der Zurechnungsunfähigkeit), weiters das auf dem Wahrspruch beruhende angefochtene Urteil im Schuldspruch des Angeklagten nach §§ 15, 75 StGB, im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Geschworenengericht mit dem Auftrag verwiesen, seiner Entscheidung den unberührt gebliebenen Teil des Wahrspruchs zugrunde zu legen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Taoufik B***** des Verbrechens des (versuchten) Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 24. März 2008 in Wien Faouzia Ben A***** durch mehr als 25 Stich-Schnittbewegungen mit einem Schlachtmesser und Hiebe mit einem Fleischbeil vorsätzlich zu töten versucht.
Die Geschworenen haben die Hauptfrage 1. nach dem Verbrechen des (versuchten) Mordes gemäß §§ 15, 75 StGB bejaht und folgerichtig die Beantwortung der Eventualfragen 1. bis 3. nach Totschlag, absichtlicher schwerer Körperverletzung (mit schweren Dauerfolgen) und Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen unterlassen. Die Zusatzfrage 1. nach Zurechnungsunfähigkeit gemäß § 11 StGB haben sie verneint.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist teilweise im Recht. Zutreffend zeigt die Instruktionsrüge (Z 8) auf, dass die vorliegende Rechtsbelehrung entgegen § 321 Abs 2 StPO jegliche Ausführungen zur Zusatzfrage 1. nach Zurechnungsunfähigkeit vermissen lässt. Gegenüber dem gesetzlichen Programm unrichtig ist eine Rechtsbelehrung jedenfalls, insoweit sie fehlt (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 56). Im Hinblick auf die Verneinung der Zusatzfrage durch die Geschworenen ist nicht auszuschließen, dass die Formverletzung auf die Entscheidung einen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte, sodass der Wahrspruch der Geschworenen im Umfang der Verneinung der Zurechnungsunfähigkeit sowie das darauf basierende Urteil schon aus diesem Grund aufzuheben waren und die Sache diesbezüglich zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen war. Im Übrigen enthält die vorliegende Rechtsbelehrung - § 321 Abs 2 StPO zuwider - auch keine Ausführungen über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage.
Im zweiten Rechtsgang wird im Fall weiterer Verantwortung des Angeklagten in Richtung Volltrunkenheit (vgl ON 91) entsprechend dem Drei-Fragen-Schema (vgl Schindler, WK-StPO § 313 Rz 36) zusätzlich zur Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB auch eine Eventualfrage nach dem Vergehen der Begehung einer strafbaren Handlung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs 1 StGB zu stellen sein. Plausibilitätserwägungen sind dabei nicht anzustellen, weil die Beweiswürdigung allein den Geschworenen vorbehalten ist (RIS-Justiz RS0100477).
Das Geschworenengericht wird seiner Entscheidung den unberührt gebliebenen Teil des Wahrspruchs (Bejahung der Hauptfrage 1. in Richtung §§ 15, 75 StGB) zugrunde zu legen haben.
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde ohne Sachsubstrat die Aufhebung des gesamten Wahrspruchs (somit auch im Umfang der Bejahung der Hauptfrage 1.) begehrt, war sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung einer darauf bezogenen Urteilsnichtigkeit zurückzuweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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