OGH 14Os77/23i

OGH14Os77/23i6.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * W* wegen Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 23. Mai 2023, GZ 609 Hv 2/23y‑24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00077.23I.0906.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * W* – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – mehrerer Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich in W* auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er über den Messengerdienst WhatsApp an nachstehende Personen die nachangeführten Nachrichten und Bilder sowie ein Video versandte, und zwar

A/ am 9. Dezember 2016 an * K* und den Kontakt „Tammer“ ein Video, in welchem der Hitlergruß anhand eines Fingerspiels dargestellt wird, wodurch er eine typische nationalsozialistische Grußform propagandistisch verwendete,

B/ am 7. März 2017 an K* und den Kontakt „Jeannette“ ein Bild eines Skeletts in SS‑Uniform mit Hakenkreuzabzeichen und der Aufschrift „Ich scheisse auf deinen Allah du dreckiger Parasit“, wodurch er den Nationalsozialismus und die Massenvernichtung des Dritten Reichs verherrlichte,

C/ am 7. März 2017 an K* ein historisches Bild von Adolf Hitler, den Hitlergruß zeigend mit der Aufschrift „Hat jemand Erdogan gesehen? Etwa so Gross“, wodurch er die Person Adolf Hitler glorifizierte,

D/ am 1. Februar 2017 an K* und den Kontakt „Jeannette“ ein Bild eines volltätowierten Oberkörpers mit SS‑Rune, Hakenkreuz und einem Motiv von Adolf Hitler, wodurch er die Person Adolf Hitler sowie den Nationalsozialismus glorifizierte,

E/ ein Bild einer SS-Tellerkappe mit der Aufschrift „Liebe Flüchtlinge, an diesen Mützen erkennen sie ihren Sachbearbeiter“, wodurch er den Nationalsozialismus und die Massenvernichtung des Dritten Reichs verherrlichte und eine ähnliche Vorgangsweise für Asylwerber anregte, und zwar

1/ am 2. Mai 2016 an K* und

2/ am 6. Mai 2016 an * Ko*,

F/ ein Bild eines Soldaten der deutschen Wehrmacht mit der Aufschrift „An alle IS-Kämpfer: vor knapp 70 Jahren waren 3 Großmächte notwendig um uns zu stoppen, ihr schafft das nicht!“, wodurch er den Nationalsozialismus und die Massenvernichtung des Dritten Reichs verherrlichte, und zwar

1/ am 30. Jänner 2016 an K*,

2/ am 29. Jänner 2016 an den Kontakt „Tomy“,

3/ am 31. Jänner 2016 an eine WhatsApp‑Gruppe mit fünf Teilnehmern und an eine weitere WhatsApp‑Gruppe mit 24 Teilnehmern,

G/ am 20. April 2016, dem Geburtstag Adolf Hitlers, an die Kontakte „Jeannette“ und „Tammer“ ein historisches Bild von Adolf Hitler mit hinzugefügtem Partyhut und der Aufschrift „4/20 Happy birthday“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte,

H/ am 23. Dezember 2016 an den Kontakt „Jeannette“ ein historisches Bild von Weihnachtsschmuck mit Hakenkreuzen, einem Bild von Adolf Hitler, der Aufschrift „Sieg Heil“ und „Heil“ und dem Text „Habe gerade den Weihnachtsschmuck aus dem Keller geholt! Zum Glück alles HEIL!“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte und nationalsozialistische Symbole und Grußformen propagandistisch verwendete,

I/ am 24. März 2017 an den Kontakt „Jeannette“ ein Bild einer dunkelhäutigen Person tragend ein rotes T‑Shirt mit Hakenkreuz und der Aufschrift „Das nenne ich Integration“, wodurch er typisch nationalsozialistische Symbole propagandistisch verwendete,

J/ am 20. April 2017, dem Geburtstag Adolf Hitlers, an die Kontakte „Jeannette“ und „Schröder“ ein historisches Bild von Adolf Hitler mit Hakenkreuz im Hintergrund und der Aufschrift „Happy birthday“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte,

K/ am 20. April 2017, dem Geburtstag Adolf Hitlers, an die Kontakte „Jeannette“, „Tammer“ und „Benjo Andy“ ein historisches Bild von Adolf Hitler mit Hakenkreuzarmbinde und der Aufschrift „Das Geburtstagskind wünscht euch einen erfolgreichen Tag!“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte,

L/ am 17. April 2017 an den Kontakt „Jeannette“ ein historisches Bild von Adolf Hitler mit einer aufzeigenden Hand auf die Frage „Hat jemand eine Idee, wie wir die Einwanderung in den Griff kriegen?“, wodurch er die Person Adolf Hitler und die Massenvernichtung des Dritten Reichs verherrlichte und eine ähnliche Vorgangsweise für Einwanderer anregte,

M/ am 22. Mai 2018 an die Kontakte „Tammer“ und „Hoys“ ein Bild einer Tätowierung eines Reichsadlers mit der Aufschrift „Ausländer befreite Zone“ am Bauch einer blonden Frau, wodurch er den Nationalsozialismus und die Massenvernichtung des Dritten Reichs verherrlichte,

O/ am 9. April 2020 an die Kontakte „Tammer“, „Leo“, „Heinrich Müller“, „Petrus“ und „Michel Merkus“ ein Bild einer Landkarte von Europa mit Reichskriegsflagge, darunter zwei Bilder von Wehrmachtsoldaten, darauf vermerkt „Wehrmacht1945.de“ und mit der Aufschrift „Mein Wunsch für Ostern, mögen die Deutschen endlich ihre Eier wieder finden“, wodurch er das Dritte Reich verherrlichte und es sich wieder herbeiwünschte,

P/ am 20. April 2020, dem Geburtstag Adolf Hitlers, an die Kontakte „Tammer“, „Schröder“, „Heinrich Müller“ und „Petrus“ ein historisches Bild von Adolf Hitler mit der Aufschrift „Einladung: Hallo Kamerad. Ich würde mich freuen, Dich heute am Obersalzberg auf ein Bier zu sehen. Dein Addi“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte,

Q/ am 28. Februar 2017 an die Kontakte „Raser“ und „Benjo Andy“ ein Bild eines SS-Helms, welcher als Lampe verwendet wird, mit der Aufschrift „Mein Opa war doch Elektriker“, wodurch er den Nationalsozialismus und die Massenvernichtung des Dritten Reichs verherrlichte,

R/ am 20. April 2017, dem Geburtstag Adolf Hitlers, an die Kontakte „Rosa“ und „Benjo Andy“ ein historisches Bild von Adolf Hitler mit der Aufschrift „Wer hat denn heut Geburtstag“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte, sowie

S/ am 2. März 2020 an die Kontakte „Schröder“, „Heinrich Müller“, „Pikard Andy“, „Krenk P.“ und „Michl Merkur“ ein historisches Bild von Adolf Hitler, zeigend den Hitlergruß, mit der Aufschrift „Auf Grund von Corona anstatt Hände schütteln wird wieder normal gegrüßt“, wodurch er die Person Adolf Hitler verherrlichte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) macht mit dem Vorbringen, die Fragen an die Geschworenen hätten – neben deren Verschriftlichung – auch der Wiedergabe des versendeten Materials in Bildform bedurft, nicht klar, weshalb die in den Hauptfragen 1 bis 13 und 15 bis 19 enthaltenen deskriptiven Formulierungen den gesetzlichen Anforderungen der §§ 312 bis 317 StPO nicht entsprechen sollten (vgl § 310 Abs 1 zweiter Satz StPO sowie RIS‑Justiz RS0133817; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 9, 19 und 21 mwN).

[5] Mit der – auf die Verneinung der Hauptfragen 14 und 20 durch die Geschworenen und die gewährte bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des Amtsverlusts rekurrierenden – Argumentation, die Weiterleitung der Bilder könnte „als bloße Geschmacklosigkeit“ angesehen werden, es liege „kein besonders schwerer Fall“ eines Verbrechens nach dem VG vor, vielmehr hätten die Geschworenen „aus einer Mücke einen Elefanten gemacht“, versäumt es die Tatsachenrüge (Z 10a) ihren Einwand – prozessförmig – aus den Akten zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0117446, RS0119310 [T5]).

[6] Das weitere Vorbringen, „der Fall hätte vielmehr unter die verwaltungsrechtliche Bestimmung des Art. III Abs 1 Z 4 EGVG subsumiert werden müssen“ (der Sache nach Z 11 lit a), erschöpft sich in einer Bestreitung der (bejahten) subjektiven Tatseite (vgl RIS‑Justiz RS0113270 [T4]; RS0079991) und nimmt solcherart nicht Maß an den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen (siehe aber RIS‑Justiz RS0101527; vgl im Übrigen Lässig in WK2 VerbotsG Vor VerbotsG Rz 5).

[7] Zur beantragten Antragstellung im Sinn des Art 89 Abs 2 B‑VG bleibt darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der seit 1. Jänner 2015 geltenden Rechtslage (Art 140 Abs 1 lit d B‑VG idF BGBl I 2013/114 iVm § 62a VfGG idF BGBl I 2014/92) ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte ausdrücklich verneint hat (RIS‑Justiz RS0130514; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 597).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 344, 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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