OGH 8Ob60/23s

OGH8Ob60/23s3.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei 1. E* Z*, und 2. E* L*, beide vertreten durch die Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei J* J*, vertreten durch die Haberl und Huber Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Vöcklabruck, wegen Aufkündigung, über denRekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 15. März 2023, GZ 22 R 264/22p‑39, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 19. September 2022, GZ 55 C 117/21x‑35, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00060.23S.0803.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig den klagenden Parteien die mit 2.383,28 EUR (darin 397,21 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte ist aufgrund von Mietverträgen aus den Jahren 1971 und 1973 Mieter zweier Kellerlokale und mehrerer Wohnungen im Haus der Klägerinnen, wobei ihm die Untervermietung vom Rechtsvorgänger der Klägerinnen ausdrücklich gestattet wurde. Der Beklagte führte zwischen 1984 und 1988 umfassende Umbau- und Sanierungsarbeiten durch. Bis 1991 betrieb der Beklagte eines der Lokale selbst. Mittlerweile sind die Lokale und die Wohnungen zur Gänze untervermietet. Die Klägerinnen haben das Mietverhältnis zum Beklagten im Jahr 1995 übernommen und gingen schon damals davon aus, dass der Beklagte durch die Untervermietung einen Aufschlag von etwas mehr als 100 % vereinnahmt.

[2] Im Oktober 2020 kündigten die Klägerinnen gerichtlich das Mietverhältnis zum Beklagten unter Berufung auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG. Damals bezahlte der Beklagte einen Mietzins von 2.061,83 EUR und vereinnahmte Untermietzinse von insgesamt 3.717,13 EUR netto. Nachdem der Beklagte mit einem Untermieter vereinbart hatte, dass die Untermiete für Oktober 2020 nur zur Hälfte zu bezahlen ist, erhöhten sich seine Einnahmen aus der Untervermietung schon im folgenden Monat auf 6,226,97 EUR netto. Andererseits ist eines der Kellerlokale in den Sommermonaten schon seit dem Jahr 2014 mietfrei gestellt, sodass die Einnahmen des Beklagten in den Monaten Juni, Juli und August nur 1.207,49 EUR netto betragen.

[3] Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf, weil die Klägerinnen zwar nicht auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG verzichtet hätten, der Beklagte durch die Untervermietung im Oktober 2020 aber keine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vereinnahmt habe.

[4] Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf, weil das Erstgericht nur auf die Nettomietzinse abgestellt habe, bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit des Untermietzinses jedoch auch Betriebskosten und Umsatzsteuer zu berücksichtigen seien, wozu das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe. Darüber hinaus sei bei schwankenden Untermietzinsen nicht auf den Monat der Aufkündigung, sondern auf die Jahreseinnahmen abzustellen. Sollte sich dadurch die Unverhältnismäßigkeit des Untermietzinses ergeben, werde das Erstgericht feststellen müssen, inwieweit die Investitionen des Beklagen in das Bestandobjekt den Untermietern (noch) zugutekommen. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs im Hinblick auf die Frage zu, ob die Zustimmung zur Untervermietung einen Verzicht auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG darstellt und ob die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Gegenleistung nach den Jahresmieteinnahmen erfolgen darf.

[5] Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Beklagten ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Ein Aufhebungsbeschluss aufgrund eines Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist grundsätzlich anfechtbar. Dies bedarf zu seiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof allerdings der Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO.

[7] 2. Nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG ist es als wichtiger Grund anzusehen, der den Vermieter zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt, wenn der Mieter den Mietgegenstand durch Überlassung an einen Dritten gegen eine im Vergleich zu dem von ihm zu entrichtenden Mietzins und etwaigen eigenen Leistungen an den Dritten unverhältnismäßig hohe Gegenleistung verwertet. Der Zweck dieser Gesetzesbestimmung besteht darin, dass der Hauptmieter aus dem ihm zufließenden Untermietzins keinen unbilligen Vorteil ziehen soll (RIS‑Justiz RS0068109 [T3]). Im Fall mehrerer Teiluntervermietungen sind die vom Hauptmieter erzielten Erlöse insgesamt heranzuziehen (RS0131980).

[8] 3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass die Gestattung der Untervermietung dem Mieter noch nicht das Recht gibt, aus dieser Untervermietung einen unverhältnismäßig hohen Vorteil zu ziehen (RS0070583). Nur wenn die Zustimmung zur Untervermietung mangels entsprechender Einschränkung als von der Höhe des Untermietzinses unabhängig erteilt aufgefasst werden konnte, ist eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG ausgeschlossen (RS0070472). Eine solche Zustimmung kann auch konkludent erfolgen (RS0070472 [T2]).

[9] 4. Bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist besondere Vorsicht geboten (RS0014420). Der stillschweigende Verzicht auf einen Kündigungsgrund erfordert, dass der Mieter weiß oder zumindest aus dem Verhalten des Vermieters ableiten kann, dass dem Vermieter der Sachverhalt, der die Kündigung rechtfertigt, bekannt ist (RS0014423). Auch wenn die Klägerinnen schon im Jahr 1996 vermuteten, dass die Untermieten die Hauptmiete um etwas über 100 % übersteigen, erlangten sie doch erst im gegenständlichen Verfahren Kenntnis von der Höhe der Untermieten. Der Beklagte hatte auch keinen Grund zur Annahme, dass die Klägerinnen die Höhe der von ihm vereinnahmten Untermieten kennen würden, sodass die Verneinung eines konkludenten Verzichts auf den Kündigungsgrund von der bisherigen Rechtsprechung gedeckt ist. Im Übrigen kommt der Frage, ob angesichts der Umstände des Einzelfalls ein konkludenter Verzicht vorliegt, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0044298).

[10] 5. Bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der für die Untervermietung geforderten „Gegenleistung“ ist auf die Grundwertung des § 934 ABGB abzustellen (RS0018959). Dementsprechend wird der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG in aller Regel bejaht, wenn die Einnahmen des Mieters den Hauptmietzins um 100 % oder mehr überschreiten (RS0070620 [T1, T3]; RS0068141 [T2, T11, T19]). Der Beklagte macht geltend, dass das Berufungsgericht von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, weil es bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit – wie es das Erstgericht getan hat – ausschließlich auf die Einnahmen im Oktober 2020 abstellen hätte dürfen.

[11] 6. Richtig ist, dass nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Frage, ob eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vorliegt, der Zeitpunkt der Aufkündigung maßgebend ist (RS0070593). Auch wenn damit stets auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Aufkündigung abgestellt werden muss, ist damit aber nicht gesagt, dass nur die Mieteinnahmen dieses Monats berücksichtigt werden dürften. So hat der Oberste Gerichtshof bei der tage‑, wochen‑ oder monatsweisen Untervermietung einer Wohnung über eine Internet‑Buchungsplattform eine Aufkündigung auch zugelassen, obwohl im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung gerade keine Untervermietung erfolgte, und die Verhältnismäßigkeit der Gegenleistung nach dem Entgelt für die tageweise Anmietung der Wohnung beurteilt (7 Ob 189/17w = RS0132271). Wenn die Untermieteinnahmen schwanken, insbesondere weil für eine bestimmte Zeit des Jahres kein oder ein bloß verminderter Untermietzins geschuldet wird, ist es durchaus sachgerecht, bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Gegenleistung auf die Jahresmieteinnahmen abzustellen, wie dies vom Berufungsgericht gefordert wird, weil nur so unsachliche Ergebnisse vermieden werden können. Im Übrigen ist die Frage, ob eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vereinnahmt wird, aufgrund der Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, sodass auch insofern keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RS0070593 [T4]; RS0106983).

[12] 7. Beim Vergleich von Leistung und Gegenleistung sind die Zahlungen des Untermieters der Summe des Hauptmietzinses und sämtlicher vom Hauptmieter gegenüber dem Untermieter erbrachten vermögenswerten Leistungen gegenüberzustellen (RS0068242; RS0070593). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb bereits ausgesprochen, dass die vom Hauptmieter vorgenommenen Investitionen, die dem Untermieter zugute kommen, mit dem Gebrauchswert im Zeitpunkt der Untervermietung zu berücksichtigen sind (RS0068109; RS0070593 [T7]). Da die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts damit nicht zu beanstanden ist, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179).

[13] 8. Der Rekurs des Beklagten war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[14] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Zurückweisung des nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobenen Rekurses führt zur Kostenersatzpflicht, wenn der Rechtsmittelgegner auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat (RS0123222).

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