OGH 13Os72/23x

OGH13Os72/23x2.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. August 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin OKontr. Gsellmann in der Strafsache gegen * W* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall iVm Abs 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 14 St 127/22v der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt (AZ 32 HR 176/22i des Landesgerichts Wiener Neustadt), über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 4. Juli 2023, AZ 31 Bs 164/23d, (ON 128.3 der Ermittlungsakten) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00072.23X.0802.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt führt gegen * W* zu AZ 14 St 127/22v ein Ermittlungsverfahren wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall iVm Abs 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung.

[2] Nach einer Enthaftung des Beschuldigten gegen gelindere Mittel auf der Basis einer – in Relation zur hier aktuellen – weniger umfangreichen Verdachtslage (ON 72, 73, 80 und 81 der Ermittlungsakten) wies die Haft- und Rechtsschutzrichterin des Landesgerichts Wiener Neustadt die Anträge der Staatsanwaltschaft vom 28. Mai 2023, die Anordnung der Festnahme des Beschuldigten * W* (ON 120 der Ermittlungsakten) aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr (§ 170 Abs 1 Z 2 und 4 StPO) sowie die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls gegen den Genannten (ON 121) gerichtlich zu bewilligen, mit Beschluss vom 1. Juni 2023, AZ 32 HR 176/22i, (ON 122 der Ermittlungsakten) ab.

[3] In Stattgebung der dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beschwerde hob das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Bewilligung der Anordnung der Festnahme des * W* und des gegen ihn erlassenen Europäischen Haftbefehls auf (ON 128.3 der Ermittlungsakten).

[4] Das Beschwerdegericht ging dabei vom Tatverdacht aus, * W* habe

(I) am 16. Februar 2023 in M* einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich den angeblichen Diebstahl seines Lkw, wissentlich vorgetäuscht, und

(II) in F* und andernorts gewerbsmäßig durch Einbruch in Gebäude, Transportmittel und in andere umschlossene Räume sowie durch Eindringen mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, und zwar

A) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter

1) vom 17. bis zum 21. November 2022 Gewahrsamsinhabern des Unternehmens S* und der Ing. B* GmbH Bauwerkzeug sowie Baumaterial im Gesamtwert von rund 23.000 Euro, indem sie vier Baucontainer aufbrachen, derart in die umschlossenen Räume gelangten und die Wertsachen an sich nahmen, sowie

2) am 16. Februar 2023 Gewahrsamsinhabern der Bo* GmbH einen Minibagger der Marke Kubota im Wert von 14.986 Euro und einen Kipplader der Marke Thwaites im Wert von 2.934 Euro, indem sie in die Maschinen eindrangen, diese kurzschlossen, auf einen Lkw aufluden und die Maschinen mit diesem ins Ausland verbrachten, weiters

B) am 4. November 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit noch auszuforschenden Mittätern (§ 12 StGB) Verfügungsberechtigten der K* GmbH Bauwerkzeug im Gesamtwert von rund 7.600 Euro, indem sie das Vorhängeschloss eines Baucontainers aufzwickten, derart in den umschlossenen Raum gelangten und die Wertsachen an sich nahmen (BS 3 ff).

[5] Dabei legte das Beschwerdegericht auch dar, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse es zu seinen Annahmen gelangte (BS 5 f).

[6] Die von § 170 Abs 1 Z 2 StPO geforderte Prognoseentscheidung stützte es auf die Tatsache der fehlenden Integration des nach der Verdachtslage eigens zur Begehung der strafbaren Handlungen nach Österreich eingereisten Beschuldigten und die hohe Strafdrohung. Darüber hinaus erblickte es im gescheiterten Versuch des Gerichts, dem Beschuldigten nach seiner Haftentlassung eine Gerichtssendung an seiner Wohnanschrift in Polen zuzustellen (Zustellvorgang zu ON 73.3 der Ermittlungsakten), eine Bekräftigung seiner Annahme (BS 6).

[7] Aus der Professionalität der mutmaßlich mit wechselnden Mittätern in einem kurzen Zeitraum von nur wenigen Monaten in Bezug auf teilweise hochpreisige Wertgegenstände (Gesamtschaden von rund 48.500 Euro) verübten drei Taten und aus dem Fehlen eines legalen Einkommens des in seiner Heimat einschlägig vorbestraften (ON 79.2 der Ermittlungsakten) Beschuldigten leitete das Beschwerdegericht die Gefahr, wonach * W* auch künftig eben solche gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete, mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohte Handlungen begehen werde (§ 170 Abs 1 Z 4 StPO; BS 6 f), ab.

[8] Es wies auch darauf hin, dass das Gesetz eine Substitution der Festnahme durch gelindere Mittel nicht vorsieht (RIS‑Justiz RS0131863).

Rechtliche Beurteilung

[9] Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten * W*.

[10] Beschwerdegegenstand im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS-Justiz RS0061004 [T5], RS0112012 [T5] und RS0121605 [T3]).

[11] Diesen Anfechtungsrahmen verlässt der Beschwerdeführer, indem er weder auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung eingeht noch ansatzweise darlegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft sein soll (RIS-Justiz RS0106464).

[12] Die Beschwerde war somit ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

Stichworte