European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00064.23P.0727.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Auf diese Entscheidung werden die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung sowie der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * G* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 19. Oktober 2022 in F* * A* absichtlich schwer am Körper verletzt, indem er sie zu Boden brachte, sie anschließend mit der linken Hand an der Schulter festhielt und ihr mit der rechten Hand mehrere Sekunden lang eine Vielzahl an wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht versetzte, wobei er zum Teil Ausholbewegungen machte, um den Schlag zu verstärken, wodurch die Genannte eine Mittelgesichtsfraktur, eine Rissquetschwunde, eine Prellung am Rücken sowie mehrere Hämatome erlitt und einen Zahn verlor.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – berechtigt.
[4] Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt eine Tatbeurteilung nach § 84 (nominell Abs 1, der Sache nach) Abs 4 StGB an und zeigt dabei zutreffend auf, dass das Urteil keine hinreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite enthält. Denn den Entscheidungsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte dem Opfer eine schwere Körperverletzung zufügen „wollte“ (US 3). Auch im Rahmen der Beweiswürdigung führten die Tatrichter lediglich aus, dass nicht der geringste Zweifel daran bestehe, dass jemand, der wie der Angeklagte handle, eine schwere Verletzung des Opfers herbeiführen „möchte“ (US 7).
[5] Absichtlich handelt ein Täter nach § 5 Abs 2 StGB, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt. Dass er einen bestimmten Umstand nur verwirklichen will, begründet noch keine Absichtlichkeit, weil in jeder Vorsatzform auch eine Willenskomponente enthalten ist (8 ObA 65/11h, 11 Os 158/01, 10 Os 25/81;Leukauf/Steininger/Stricker, StGB4 § 5 Rz 5)und nicht jedes Wollen mit einem Darauf‑Ankommen gleichgesetzt werden kann (Reindl‑Krauskopf in WK2 StGB § 5 Rz 24).
[6] Die bloße Wiedergabe der verba legalia des § 87 Abs 1 StGB im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag die fehlenden Feststellungen im Übrigen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0098936 [T4, T9]).
[7] Urteilsaufhebung bei nichtöffentlicher Sitzung (§ 285e StPO) ist die Folge des aufgezeigten Rechtsfehlers mangels Feststellungen.
[8] Darauf waren die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.
[9] Bleibt für den zweiten Rechtsgang im Fall einer neuerlichen Verurteilung nach § 87 Abs 1 StGB anzumerken, dass dessen Tatbestand – den Ausführungen des Erstgerichts (US 8) zuwider – keinen außergewöhnlichen Gewalteinsatz erfordert und ein solcher somit auch nicht dessen Strafdrohung bestimmt. Exzessive Gewalt im Sinn des § 39a Abs 1 Z 3 StGB liegt bei Handlungsweisen vor, die von besonderer Intensität sind und solcherart ein erhöhtes Risiko für das Leben darstellen. Nach der Rechtsprechung kommt dies insbesondere auch bei mehrfachen und wuchtigen, mit der Faust geführten Schlägen gegen das Gesicht in Betracht (vgl zuletzt 12 Os 29/23s mwN; Flora in WK2 StGB § 39a Rz 10).
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