European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00063.23S.0727.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Schlepperei/FPG
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG (A./) und des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (B./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
A./ in einverständlichem Zusammenwirken mit anderen Mittätern und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) die rechtswidrige Einreise in Bezug auf eine größere Anzahl von Fremden, die über keine gültigen Einreise- und Aufenthaltsdokumente für den EU- bzw Schengenraum verfügten, in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
I./ zwischen dem 10. Oktober 2022 und dem 13. Oktober 2022, indem er sieben Fremde in Begleitung eines Vorausfahrers von Ungarn nach Österreich verbrachte, wofür er 2.000 Euro Schlepperlohn erhielt;
II./ zwischen dem 27. Oktober 2022 und dem 9. November 2022, indem er fünf Fremde von Ungarn bis kurz vor die ungarisch-österreichische Grenze transportierte, wofür er 500 Euro Schlepperlohn erhielt;
III./ zwischen dem 27. Oktober 2022 und dem 9. November 2022, indem er fünf Fremde von Ungarn nach Österreich transportierte, wofür er 500 Euro Schlepperlohn erhielt;
IV./ zwischen dem 27. Oktober 2022 und dem 9. November 2022, indem er 17 Fremde von Ungarn bis nach Wien verbrachte, wofür er 3.000 Euro Schlepperlohn erhielt;
V./ zwischen dem 27. Oktober 2022 und dem 9. November 2022, indem er 14 Fremde von Ungarn nach Wien verbrachte, wofür er zwischen 2.500 und 3.000 Euro Schlepperlohn erhielt;
VI./ am 14. November 2022, indem er acht Fremde von Ungarn nach Wien verbrachte, wofür ihm 2.000 Euro Schlepperlohn in Aussicht gestellt wurden;
VII./ am 15. November 2022, indem er sieben Fremde von Ungarn nach Österreich verbrachte, wofür ihm 2.000 Euro Schlepperlohn in Aussicht gestellt wurden;
B./ am 15. November 2022 in L* als PKW‑Lenker dadurch, dass er bei der Ortseinfahrt mit sehr hoher Geschwindigkeit in eine Verkehrsinsel einfuhr, unter besonders gefährlichen Verhältnissen grob fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit eines entgegenkommenden LKW‑Lenkers und zweier Assistenzeinsatzkräfte des Österreichischen Bundesheeres, die sich nur durch rasches und starkes Abbremsen vor Schaden bewahren konnten, herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
[4] Entgegen der Sanktionsrüge verstößt die Berücksichtigung der „mehrfachen Deliktsqualifikation“ als erschwerend (US 10) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; vgl RIS‑Justiz RS0091058 [T2]).
[5] Gleiches gilt für die aggravierende Wertung der „hohen Anzahl“ an geschleppten Personen (US 10), weil dieser Umstand über das für die Subsumtion notwendige Ausmaß von mindestens drei Fremden (§ 114 Abs 3 Z 2 FPG) hinausgeht (RIS‑Justiz RS0099961).
[6] Mit dem Einwand, das Erstgericht hätte die untergeordnete hierarchische Position des Angeklagten innerhalb der in Rede stehenden Schlepperorganisation als mildernd berücksichtigen müssen, wird bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS-Justiz RS0099869; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.233 mwN).
[7] Bleibt in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur anzumerken, dass dem Angeklagten die Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 1 FPG iVm § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB bei sämtlichen Schuldspruchfakten (I./ bis VII./) angelastet wurde (US 3). Gewerbsmäßige Begehung nach Maßgabe dieser Bestimmung kann aber – wie das Erstgericht an sich ohnedies erkannt hat (US 2) – erst ab der dritten Tat vorliegen (vgl 14 Os 5/22z; 12 Os 79/20i; RIS‑Justiz RS0130966 [T3]). Zutreffend hätte daher die Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nur im Umfang der Fakten III./ bis VII./ angenommen werden dürfen. Dieser vom Nichtigkeitswerber nicht angesprochene Subsumtionsfehler (Z 10) blieb jedoch ohne Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO für den Angeklagten, weshalb sich der Oberste Gerichtshof nicht zu einem amtswegigen Vorgehen veranlasst sah. Für das Oberlandesgericht besteht im weiteren Verfahren keine Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung (RIS‑Justiz RS0118870).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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