OGH 9ObA44/23w

OGH9ObA44/23w26.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Christian Lewol (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei V*, vertreten durch Mag. Alexandra Posch, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, wegen 7.042,79 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsstreitwert: 6.393,72 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. April 2023, GZ 7 Ra 67/22k‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00044.23W.0726.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten am 30. 11. 2021 ausgesprochene Entlassung des Klägers wegen pflichtwidriger Verstöße gegen interne Dienstanweisungen nach § 82 lit f GewO 1859 für berechtigt erkannt und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

[2] Wird in einem vom Arbeitnehmer geführten Entlassungsprozess die Klagsabweisung vom Berufungsgericht auf mehrere Gründe (Pflichtwidrigkeiten) gestützt, dann müssen im außerordentlichen Rechtsmittel alle (Haupt‑ und Hilfs‑)Begründungen bekämpft werden (9 ObA 117/20a Rz 3; RS0118709).

[3] Der Oberste Gerichtshof hat sich nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde als solche angeführt wurden (RS0107501).

[4] Im vorliegenden Fall macht der Kläger in der Zulassungsbegründung seiner außerordentlichen Revision als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ausschließlich geltend, dass dem Berufungsgericht in der Beurteilung des Vorfalls vom 29. 11. 2021 eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen sei. In der Zulassungsbeschwerde nicht erwähnt wird, dass das Berufungsgericht dem Kläger aber auch als beharrliche Pflichtenvernachlässigung angelastet hat, dass er entgegen der ihm bekannten Dienstanweisung und trotz entsprechender vorausgehender schriftlicher Verwarnung seine Corona‑Erkrankung wegen Nichteinhaltung betrieblicher Covid‑19‑Vorschriften der Beklagten (10. 11. 2021 bis 25. 11. 2021) nicht gemeldet hat, weshalb das innerbetrieblich vorgesehene contact tracing nicht stattfinden konnte. Damit vermag der Kläger aber schon aus diesem Grund keine für die Entscheidung der Rechtssache erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen (RS0118709 [T1]).

[5] Ob die Beklagte in dieser Pflichtwidrigkeit im Gespräch mit dem Kläger bereits am 30. 11. 2021 einen Entlassungsgrund erblickt hat oder nicht, ist unbeachtlich, ist der Arbeitgeber doch berechtigt, im Prozess weitere Entlassungsgründe nachzuschieben (RS0029131 [T3]). Dies hat die Beklagte in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 2. 8. 2022 (S 3) hinsichtlich der unterlassenen Meldung der Corona‑Erkrankung ausdrücklich gemacht.

[6] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte