OGH 11Os68/23v

OGH11Os68/23v11.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juli 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Obergruber LL.M. als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des * R* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. April 2023, GZ 16 Hv 10/23b‑33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00068.23V.0711.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des * R* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, derentwegen er im Zeitpunkt der jeweiligen Tat zurechnungsunfähig (§ 11 StGB) war (psychische Störung und Verhaltensstörung durch Alkohol/Abhängigkeit [ICD‑10: F10.2] und psychische Störung und Verhaltensstörung durch Alkohol/amnestisches Syndrom [Korsakow‑Syndrom] [F10.6.]), zu nachangeführten Zeitpunkten in G* nachstehende Personen mit dem Tod und mit dem Tod einer Sympathieperson gefährlich bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1/ * S* (als Betreuerin des V*)

a/ am 12. November 2022 durch die Äußerungen: „Als erstes bring ich Dich um, dann alle anderen Dorfbewohner und zum Schluss mich selbst“, wobei er im Anschluss daran angab, dass er eine Waffe oder ein Messer in seinem Container habe,

b/ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten durch die Äußerungen: „Ich schlitz Dich auf“, „Ich häng Dich auf“, „Ich esse Deine Körperteile“, „Bevor ich Dich umbringe vergewaltige ich Dich noch“,

c/ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten durch die mehrmaligen Äußerungen: „Ich bring Dich um, Dich stich ich ab“,

2/ am 12. November 2022 zwei nicht näher bekannte Mitbewohner des V* durch die Ankündigung, er werde sie umbringen, wobei er auf sie zeigte,

3/ am 12. November 2022 einen nicht näher bekannten Mitbewohner des V* durch die Ankündigung, er werde ihn umbringen, wobei er von den einschreitenden Polizeibeamten vom unbekannten Mitbewohner weggezerrt werden musste, und

4/ am 12. November 2022 RI * W* durch die Äußerungen: „Ich werde auch Dich töten, sobald ich wieder heraußen bin. Ich merke mir jeden. Wirst schon sehen, ich bringe Dich um. Ich werde alle umbringen, auch Dich“,

sohin Taten begangen hat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und ihm außer diesem Zustand als die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB zuzurechnen wären.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

[3] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zwar „Feststellungsmängel“, begehrt im Wesentlichen aber bloß den Ersatz von im Ersturteil zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen, zur Ernstlichkeit der Drohungen und zur Beunruhigungsabsicht getroffenen Feststellungen (vgl RIS‑Justiz RS0092448 [T5], RS0092588) durch für ihn günstigere Konstatierungen in Richtung nicht ernst gemeinter „milieubedinger Unmutsäußerungen“ (vgl RIS‑Justiz RS0112523). Damit bekämpft sie die Entscheidung der Tatrichter aber bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS‑Justiz RS0118580 [T24, T25]).

[4] Soweit mit dem Vorbringen Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall; RIS‑Justiz RS0099578) angesprochen werden soll, ist der Rüge zu erwidern, dass die (leugnende) Verantwortung des Betroffenen und die äußeren Begleitumstände (US 3 f, dazu auch US 8: „äußerst aggressives Verhalten“, ausdrückliche Bezugnahme auf eine im Container liegende Waffe oder ein Messer) ohnehin berücksichtigt wurden (US 6). Dem Gebot zu gedrängter, aber bestimmter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren die Tatrichter nicht verhalten, sich mit jedem gegen ihre Beweiswürdigung möglichen Einwand im Vorhinein auseinanderzusetzen (vgl RIS‑Justiz RS0106295).

[5] Indem die Beschwerde – ausgehend von der urteilsfremden Prämisse bloß „milieubedingter Unmutsäußerungen“ – die Eignung der Drohungen, begründete Besorgnis iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB einzuflößen, bestreitet (dazu US 7 f), orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810).

[6] Zu 2/ und 3/ macht sie auch nicht klar, weshalb es für die Strafbarkeit nach § 107 StGB darauf ankommen sollte, dass die bedrohten Personen namentlich bekannt sind oder tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurden (vgl RIS‑Justiz RS0093082).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Ebenso war mit der (ausgeführten) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu verfahren, weil eine solche im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist (§ 283 Abs 1 StPO iVm § 433 StPO). Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung (§ 285i StPO).

Stichworte