OGH 9ObA51/22y

OGH9ObA51/22y28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions‑ und Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus Schrottmeyer und Albert Kyncl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei 1. Betriebsratsfonds *, 2. Betriebsausschuss *, vertreten durch Rainer‑Rück‑Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeindeverband *, vertreten durch Univ.‑Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1.909.551,77 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert: 21.800 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und die außerordentliche Revision der zweitklagenden Partei gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungs- und Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 2. Februar 2022, GZ 15 Ra 85/21v‑100, mit dem die gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 19. Mai 2021, GZ 44 Cga 32/14p‑91, gerichtete Berufung der erstklagenden Partei zurückgewiesen, dem Rekurs der erstklagenden Partei und der Berufung der beklagten Partei Folge gegeben und der Berufung der zweitklagenden Partei nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00051.22Y.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Der Revision der zweitklagenden Partei wird teilweise Folge gegeben und das Teilurteil des Berufungsgerichts im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils in dessen Spruchpunkt B.4. abgeändert.

Im darüber hinausgehenden Umfang wird der Revision der zweitklagenden Partei nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Im vorliegenden Verfahren (siehe bereits 9 ObA 160/16v) machen der Betriebsratsfonds des *krankenhauses * (Erstkläger) und der Betriebsausschuss des *krankenhauses * (Zweitkläger) gegenüber dem beklagten Gemeindeverband als Anstaltsträger des *krankenhauses auf § 41 Abs 6 Tiroler Krankenanstaltengesetz (Tir KAG) gestützte Ansprüche auf Herausgabe des sogenannten „Sozialanteils“, auf Feststellung und auf Rechnungslegung geltend.

[2] § 41 Abs 6 Tir KAG in der am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Fassung des LGBl 85/1998, Stück 31, lautete:

Dem Anstaltsträger sind jährlich die Gesamtsummen der vereinnahmten Honorare jedenfalls bis zum 30. Juni des Folgejahres bekannt zu geben. Dem Anstaltsträger gebührt für die Bereitstellung der Einrichtungen zur Untersuchung und Behandlung der Pfleglinge in der Sonderklasse ein Anteil von mindestens 10 v.H. der vereinnahmten Honorare nach Abs. 5 (Hausanteil). Der Anstaltsträger hat vom Hausanteil einen Betrag von mindestens 3,33 v.H. der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden [Sozialanteil, Anm].

[3] Mit § 41 Abs 6 Tir KAG in der am 20. 9. 2006 in Kraft getretenen Fassung des LGBl 75/2006, Stück 31, wurde der Hausanteil auf mindestens 20 v.H. der vereinnahmten Honorare erhöht.

[4] Art II Abs 2 leg cit lautet:

Die Verrechnungsstelle nach § 41 Abs 8 des Tiroler Krankenanstaltengesetzes in der Fassung des Art I Z 4 ist mit 1. Jänner 2007 beim Anstaltsträger einzurichten. Die Honorare für die ab diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen sind über diese Verrechnungsstelle abzurechnen.

[5] Nach erfolglosen Gesprächen über den Sozialanteil beantragte der Betriebsrat des *krankenhauses die Errichtung einer Schlichtungsstelle sowie die Entscheidung über eine Betriebsvereinbarung gemäß § 95 Abs 1 iVm § 97 Abs 1 Z 5 ArbVG (erzwingbare Betriebsvereinbarung über Wohlfahrtseinrichtung).

[6] Mit Bescheid vom 23. 5. 2013, 48 Schl 4/11, legte die Schlichtungsstelle am Landesgericht Innsbruck eine Betriebsvereinbarung fest. Der Bescheid lautet auszugsweise:

I. Gemäß § 41 Abs 6 zweiter Satz des TirKAG gebührt dem Anstaltsträger … ein Anteil von mindestens 20 v.H. der vereinnahmten Honorare nach § 41 Abs 5 TirKAG (Hausanteil). Der Anstaltsträger hat vom Hausanteil einen Betrag von mindestens 3,33 v.H. der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden.

II. Die sich gemäß Punkt I. dieses Bescheides ergebenden Beträge bilden eine betriebliche Wohlfahrteinrich tung; diese sind auf ein gesondertes Konto anzuweisen.

III. …

IV. Die Verwaltung, Veranlagung und Widmung der Geldmittel laut I. dieses Bescheides obliegt der Wohlfahrtkommission. Diese setzt sich aus drei Vertretern des Betriebsrats und zwei Vertretern des Betriebsinhabers zusammen. Den Vorsitz führt ein Vertreter des Betriebsrats. Entscheidungen der Kommission erfolgen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, Enthaltungen gelten als Gegenstimme. …

V. Diese Betriebsvereinbarung tritt mit dem auf den Tag der Zustellung folgenden Tag in Kraft.

[7] In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass jedenfalls eine – bereits gesetzlich errichtete – dauerhafte betriebliche Wohlfahrtseinrichtung vorliege, die den Arbeitnehmern nach generellen Merkmalen zugute komme. Die nach § 41 Abs 6 zweiter Satz Tir KAG zu verwendenden Anteile der Honorare nach § 41 Abs 5 leg cit stellten bereits seit dem Jahr 1999 einen erheblichen Mittelzufluss dar, dessen Funktion in der dauernden Bereitstellung von Mitteln des Unternehmens für Wohlfahrtsmaßnahmen bestehe und der einer ständigen Verwaltung und damit eines entsprechenden Organisationsaufwands bedürfe. Durch diese landesgesetzliche Bestimmung sei nämlich ein der betrieblichen Wohlfahrt dauerhaft gewidmetes Substrat geschaffen worden, das nicht nur als solches der Verwaltung fähig sei, sondern in Anbetracht des Umstands, dass es eindeutig für einen bestimmten Personenkreis, nämlich das „Anstaltspersonal“ zweckgewidmet zu verwenden sei, jedenfalls einer Verwaltung bedürfe.

[8] Der Schlichtungsstelle obliege es mangels Einigung der Parteien des Schlichtungsverfahrens, die Mitwirkung des Betriebsrats an der Verwaltung der durch § 41 Abs 6 Tir KAG geschaffenen Wohlfahrtseinrichtung zu regeln, nicht jedoch dessen finanzielle Ausgestaltung. Diese sei ohnedies bereits landesgesetzlich erfolgt. Es hätte eine Kompetenzüberschreitung der Schlichtungsstelle dargestellt, wenn darüber hinaus über zivilrechtliche Ansprüche der Parteien des Schlichtungsverfahrens in Form einer Betriebsvereinbarung abgesprochen worden wäre.

[9] Der Bescheid wurde jenen Verfahrensparteien am 21. 6. 2013 zugestellt.

[10] Die Kläger brachten am 21. 3. 2014 Klage ein. Sie begehrten vom Beklagten zuletzt

1. (ON 14) die Herausgabe des seit dem Jahr 1999 zu Gunsten des Anstaltspersonals bestehenden und sich bis zur Klageeinbringung und darüber hinaus regelmäßig vermehrt habenden Vermögens, welches laut rechtskräftigem Bescheid der Schlichtungsstelle am Landesgericht Innsbruck vom 23. 5. 2013 zur AZ 48 Schl 4/11 eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung bilde, durch Überweisung eines Betrages von 1.909.551,77 EUR sA (= Sozialanteil für die Jahre 1999 bis einschließlich der ersten Hälfte des Jahres 2013, Anm) auf das Konto mit dem Namen „Betriebsrat Wohlfahrtsfonds Anstaltspersonal 1999“ mit der Nr. *,

in eventu (1. Eventualbegehren, ON 60 II AS 51) 1.909.551,77 EUR sA auf das von der mit rechtskräftigem Bescheid der Schlichtungsstelle am Landesgericht Innsbruck vom 23. 5. 2013 zur AZ 48 Schl 4/11 von der dort statuierten und begründeten Wohlfahrtskommission benannte Konto anzuweisen,

in eventu (2. Eventualbegehren, ON 60 II AS 53), es werde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, einen Betrag von 1.909.551,77 EUR sA für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden; dies ohne Anrechnung vor Inkrafttreten mit der Novelle des Tiroler Krankenanstaltengesetzes vom 1. 7. 1998, LGBl Nr 85/1998, bestanden habender oder später seitens der beklagten Partei angeführter Leistungen wie Kantinenessen, Mitarbeiterwohnungen/ Personalheim/Parkhaus, Dienstfreistellungen für Betriebsausflüge, „freiwilliges Weihnachtsgeld“, Geburtenbeihilfen, Betriebsausflügen, Kosten für Weihnachtsfeier, Kosten Betriebskindergarten, Gesundheitsförderung, Zuschuss zur Altersteilzeit, Kosten für Obst und Mineralwasser, Leistungsprämie (SPAR‑Gutschein),

2. die Beklagte sei schuldig, den Klägern nach vorangegangenem Verlangen jederzeit Einsicht in die zur Errechnung des 3,33%igen „Sozialanteils nach § 41 Abs 6 TirKAG“ notwendigen Unterlagen, insbesondere in die Rechnungen der honorarberechtigten Ärzte gemäß § 41 Abs 5 Tir KAG sowie in die damit korrespondierenden Überweisungsbelege, zu gewähren und dadurch Rechnung zu legen, dass sie dem Zweitkläger vierteljährlich zum Ende eines jeden Quartals eine schriftliche Aufstellung ihrer Verrechnungsstelle gemäß § 41 Abs 8 Tir KAG über die in diesem Quartal bezahlten Honorare der honorarberechtigten Ärzte gemäß § 41 Abs 5 Tir KAG übermittle.

[11] Die Beklagte bestritt und beantragte die Klage zurück-, in eventu abzuweisen.

[12] Zum Vorbringen der Streitteile wird zunächst auf den Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. 2. 2017, 9 ObA 160/16v, verwiesen. In diesem wurde klargestellt, dass für die klagsgegenständlichen Ansprüche die Zulässigkeit des Rechtswegs gegeben ist, jedoch die Frage der Partei und Prozessfähigkeit des Erstklägers und die Schlüssigkeit des Klagebegehrens des Zweitklägers geprüft werden muss. Auf das weitere Vorbringen der Streitteile wird, soweit relevant, im Rahmen der Behandlung ihrer Rechtsmittel eingegangen.

[13] Das Erstgericht wies im nunmehr dritten Rechtsgang hinsichtlich des Erstklägers das Klagebegehren zur Gänze zurück (Spruchpunkt A.1. bis A.4.). Hinsichtlich des Zweitklägers (Spruchpunkt B.) wies es

[14] 1. das Leistungsbegehren bezüglich der Überweisung eines Betrags von 1,909.551,77 EUR sA auf das genannte Konto „Betriebsrat Wohlfahrtsfonds Anstaltspersonal 1999“ (rechtskräftig) ab; verpflichtete

[15] 2. die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 582.730,25 EUR sA auf das von der mit Bescheid der Schlichtungsstelle begründeten Wohlfahrtskommission benannte Konto; wies

[16] 3. den darüber hinausgehenden weiteren Teil des ersten Eventualbegehrens (1.326.821,52 EUR sA) ab und verpflichtete

[17] 4. die Beklagte zur Gewährung der begehrten Einsicht in die Unterlagen und zur Rechnungslegung.

[18] Zur Frage der Parteifähigkeit des Erstklägers stellte es zusammengefasst fest, dass die Beklagte erstmals infolge der Klage Zahlenmaterial aus den Jahren 1999 bis 2012 zur Verfügung gestellt habe, das höhere als die begehrten Beträge ausgewiesen habe und dass die Beklagte erstmals im Jänner 2014 die seit 22. 6. 2013 angesammelten Honoraranteile unter Hinweis darauf an den Wohlfahrtsfonds überwiesen habe, wobei noch unklar sei, in wessen Eigentum das Geld des Wohlfahrtsfonds stehen werde. Das Erstgericht traf zudem weitere detaillierte Feststellungen zu den Gesamthonoraren und jährlichen Hausanteilen seit 1999 sowie zu den von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen.

[19] In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Parteifähigkeit des Erstklägers, weil der Sozialanteil eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung darstelle. Hinsichtlich des Zweitklägers sei unter Berücksichtigung einer dreijährigen Verjährungsfrist von einem nicht verjährten Teilbetrag von 652.282,01 EUR sA seit 21. 3. 2014 auszugehen, aus dem sich unter Anrechnung zur Verfügung gestellter Sozialleistungen (SPAR‑Gutscheine 2012, Rechtsschutzversicherungskosten 2011/2012) ein Leistungsanspruch in Höhe von 582.730,25 EUR ergebe. Dem Zweitkläger sei auch ein Interesse am zukünftigen Rechnungslegungsbegehren zuzusprechen.

[20] Infolge des Rekurses des Erstklägers, den Berufungen beider Kläger und der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht, soweit nunmehr relevant, dem Rekurs des Erstklägers im Sinn einer Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und der Kostenentscheidung des Erstgerichts Folge, dies zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund (Spruchpunkt I.3.). Die Beklagte wurde mit ihrer Berufung im Kostenpunkt auf diese Entscheidung verwiesen (Spruchpunkt I.4.). Weiter gab es mit Teilurteil der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens des Zweitklägers, soweit nicht in Rechtskraft erwachsen, ab (Spruchpunkt II.1.). Der Zweitkläger wurde mit seiner Berufung darauf verwiesen (Spruchpunkt II.2.).

[21] Zur Frage der Parteifähigkeit des Erstklägers ergänzte das Berufungsgericht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt um den unbestrittenen Inhalt von E‑Mails der Beklagten (Beil ./N., ./O, ./P). Dieser lautet auszugsweise, dass

„die Zahlung an den Wohlfahrtsfonds eigentumsrechtlich als Übergabe des Geldbetrages vom Gemeindeverband an den Betriebsratsfond gelten soll. Demnach verwaltet sodann der Betriebsrat die Geldmittel und führt diese in seinen Büchern als Verwahrgelder (oder vergleichbares)“.

„… überweisen wir den Betrag auf das mit meinem Mail vom 28. 1. 2014 angeführte Konto und übergeben es somit dem BR‑Fonds zur zweckgemäßen Verwendung im Sinne der Betriebsvereinbarung über den Wohlfahrtsfonds.“

„… Der Verband hat seinerseits zugestimmt, das Geld ins Eigentum des BR‑Fonds zu übergeben. Der BR muss aber auch die Übernahme ins Eigentum erklären. Diese Erklärung habe ich bei Ihnen per Mail nachgefragt und am Montag fernmündlich als 'Selbstverständlichkeit' von ihnen zugesichert bekommen. Damit ist nicht nur die Einigkeit über die Geldübergabe, sondern auch über den Eigentumsübergang zustande gekommen. Somit wissen wir nun auch, wie der Geschäftsgang zu verbuchen ist und können/konnten sodann die Geldübergabe (= Überweisung) durchführen. Wir verbuchen die Zahlung nun als echte haushaltswirksame Ausgabe. Der Gemeindeverband hat den Eigentumsanspruch auf dieses Geld aufgegeben (*) und BR‑Fonds hat das Geld in sein Eigentum übernommen. Der Eigentumsübergang ändert freilich nichts daran, dass dieses Geld zweckgebunden zu verwenden ist und der Gemeindeverband bei der Zweckwidmung ein Mitentscheidungsrecht hat, wie in der BV festgelegt ist. …“ Es sei auch zwingend davon auszugehen, dass die Überweisung auf das Konto erfolgt sei.

[22] Rechtlich habe der Erstkläger mit dem Eingang dieser Gelder auf dem Konto auf Grundlage des § 74 Abs 1 ArbVG aber zweifellos Rechtspersönlichkeit erhalten. Die in der Betriebsvereinbarung zum Ausdruck kommende Würdigung, dass die Gelder eine betriebliche Wohlfahrteinrichtung bildeten, sei daher nicht (mehr) zutreffend; vielmehr sei ein Betriebsratsfonds entstanden. Da der Erstkläger damit partei- und prozessfähig sei, sei die Entscheidung des Erstgerichts für eine meritorische Entscheidung aufzuheben. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich das Rekursgericht auf keine höchstgerichtliche Rechtsprechung habe stützen können.

[23] Da der Sozialanteil eine – einen Betriebsratsfonds mit eigener Rechtspersönlichkeit bildende – zweckgewidmete Vermögenschaft im Sinne des § 74 Abs 1 ArbVG sei, könne aber jedenfalls aus § 74 Abs 1 ArbVG eine Aktivlegitimation des Zweitklägers nicht abgeleitet werden. Da es sich gerade nicht um eine betriebs- bzw unternehmenseigene Wohlfahrtseinrichtung handle, sei auch ein aus § 95 ArbVG abgeleitetes Klagerecht für den Betriebsrat oder allenfalls den Betriebsausschuss nicht geeignet, die Aktivlegitimation des Zweitklägers zu begründen. Das Ersturteil sei bezüglich des Zweitklägers daher im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern. Die Revision sei nicht zulässig.

[24] Die Beklagte beantragt in ihrem gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten Revisionsrekurs die Abänderung der Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts in den Punkten A.1 bis 4. und der Kostenentscheidung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[25] Der Erstkläger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

[26] Der Zweitkläger beantragt in seiner außerordentlichen Revision, das Berufungs‑(teil‑)urteil im Sinne einer Klagsstattgabe abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[27] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Zweitklägers zurückzuweisen, in eventu der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[28] Der Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht, die außerordentliche Revision des Zweitklägers ist hingegen berechtigt.

I. R evisionsrekurs der Beklagten

[29] Die Beklagte macht geltend, dass dem Erstkläger die Rechtspersönlichkeit fehle. Mit der Überweisung der Gelder auf das Konto sei kein Betriebsratsfonds entstanden. Mit Bescheid der Schlichtungsstelle sei festgestellt worden, dass die aus dem Sozialanteil errechnenden Beträge eine betriebliche Wohlfahreinrichtung bildeten, deren Verwaltung, Veranlagung und Widmung durch eine Wohlfahrtskommission erfolgen solle. Es sei nicht Wille der Beklagten gewesen, aus den seit 22. 6. 2013 angesammelten Honoraranteilen einen eigenständigen Betriebsratsfonds zu begründen. Wäre mit der Überweisung im Jänner 2014 tatsächlich ein eigener Betriebsratsfonds begründet worden, wäre er vermögensmäßig mit dem überwiesenen Betrag gedeckelt. Ein darüber hinausgehender Anspruch desselben auf vor seiner Existenz angefallene Leistungen oder eine künftige weitere Dotierung sei nicht begründbar. Die Beklagte habe keine rechtliche Möglichkeit der wirksamen Eigentumsübertragung gehabt. Es stehe nicht fest, dass sie Eigentümerin des überwiesenen Sozialanteils gewesen sei. Es habe auch keine prozessuale Möglichkeit einer bloßen Richtigstellung der Funktionsbezeichnung des Vertreters des Erstklägers (Betriebsrats/Betriebsausschussvorsitzender) bestanden, dies betreffe eine Frage der Parteiidentität bzw -änderung. Die ergänzenden Feststellungen des Rekursgerichts seien aktenwidrig, weil die Beil ./N, ./O und ./P (E‑Mails) nicht vom außenvertretungsbefugten Verbandsorgan der Beklagten stammten. Sie stünden auch in Widerspruch zu den Feststellungen des Erstgerichts. Das Rekursgericht habe in unzutreffender Weise sekundäre Verfahrensmängel angenommen.

Dazu hat der Senat erwogen:

[30] 1. Wie zu 9 ObA 160/16v ausgeführt, bilden nach § 74 Abs 1 ArbVG die Eingänge aus der Betriebsratsumlage sowie sonstige für die im § 73 Abs 1 ArbVG bezeichneten Zwecke bestimmten Vermögenschaften den mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Betriebsratsfonds. Die Eingänge aus einer Betriebsratsumlage und die genannten zweckgewidmeten Vermögenschaften bilden daher ohne weiteren Errichtungsakt den mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Betriebsratsfonds. Die Entstehung erfolgt vielmehr durch die Zuwendung von Leistungen. Auf die Quelle der Eingänge kommt es nicht an. Entscheidend ist ausschließlich der Zweck der Zuwendung (9 ObA 160/16v Pkt 7.).

[31] 2. Zu den Vermögenschaften, die für die in § 73 Abs 1 ArbVG bezeichneten Zwecke bestimmt sind, zählen auch solche zur Errichtung und Erhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen und zur Durchführung von Wohlfahrtsmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmerschaft und der ehemaligen Arbeitnehmer des Betriebs (s § 73 Abs 1 ArbVG). Solcherart gewidmete Vermögenschaften sind daher geeignet, einen Betriebsratsfonds iSd § 74 Abs 1 ArbVG, sofern er nicht schon besteht, zu bilden (9 ObA 160/16v Pkt 8.).

[32] 3.1. Der Erstkläger hat sich im ersten Rechtsgang darauf berufen, dass aufgrund der Existenz eines zweckgewidmeten Vermögens (3,33 % der Arzthonorare, die von der Beklagten seit 1999 zugunsten des Anstaltspersonals aus dem Hausanteil auszuscheiden und als betriebliche Wohlfahrtseinrichtungen auf ein gesondertes Konto anzuweisen gewesen wären), ex lege ein Betriebsratsfonds entstanden sei.

[33] 3.2. Dazu wurde bereits in 9 ObA 160/16v (Pkt 6.) ausgeführt, dass aus § 41 Abs 6 Tir KAG keine Existenz der den Sozialanteil bildenden Gelder als rechtsfähiger Betriebsratsfonds ableitbar ist. Derartiges geht auch nicht aus der von der Schlichtungsstelle Innsbruck festgelegten Betriebsvereinbarung hervor, weil nach dieser die maßgeblichen Gelder eine betriebliche (nicht aber belegschaftseigene) Wohlfahrtseinrichtung bilden.

[34] 3.3. Im zweiten Rechtsgang berief sich der Erstkläger für seine Partei- und Prozessfähigkeit als Betriebsratsfonds auf die Existenz eines zweckgewidmeten Vermögens, „insbesondere auch durch die Überweisung von Beträgen seitens des Arbeitgebers, vor allem aber durch die Abfuhr der Betriebsratsumlage“, aber auch darauf, allein „durch die (seit Februar 2014 erfolgenden) Überweisungen auf ein dem Betriebsratsfonds gehöriges Konto“ rechts- und parteifähig zu sein. Da die Überweisung auf ein gesondertes Konto in der Betriebsvereinbarung explizit angeordnet worden sei und die dort vorhandenen Mittel ausschließlich für die Belegschaft verwendet werden dürften, sei zwangsläufig ein Betriebsratsfonds entstanden. Davon zu unterscheiden sei der Betriebsratsfonds, der aus der Betriebsratsumlage gespeist werde. Diese werde auf ein anderes Konto überwiesen.

[35] 4.1. Dazu ist auszuführen, dass der Betriebsratsfonds durch die Eingänge der in § 74 ArbVG genannten Vermögenschaften (Betriebsratsumlage, sonstige für die in § 73 Abs 1 ArbVG bezeichneten Vermögenschaften) als Rechtsperson entsteht. Als solche ist der Betriebsratsfonds Eigentümer aller finanzieller Mittel und Sachwerte des Betriebsrates, kann Ansprüche erwerben, vermögensrechtliche Verpflichtungen eingehen, Rechtsträger eines oder mehrerer Konten sein uam. Besteht bereits ein Betriebsratsfonds, führt eine weitere Vermögenszuwendung daher nicht zum Entstehen eines weiteren Betriebsratsfonds, sondern vermehrt die vorhandenen Mittel des bestehenden Betriebsratsfonds. Ob sich Geldvermögenswerte auf verschiedenen Konten befinden, für sie mehrere Rechnungskreise gebildet werden uä, spielt dafür keine Rolle. In diesem Sinne wurde bereits zu 9 ObA 160/16v festgehalten, dass im Sinne des § 73 ArbVG gewidmete Vermögenschaften geeignet sind, einen Betriebsratsfonds iSd § 74 Abs 1 ArbVG zu bilden, sofern er nicht schon besteht (9 ObA 160/16v Pkt 8.).

[36] 4.2. Das nunmehrige Vorbringen des Erstklägers und die vom Berufungsgericht festgestellte Korrespondenz (Beil ./N., ./O., ./P) lassen nun klar darauf schließen, dass unabhängig von der Bewertung der Gelder aus dem Sozialanteil bereits ein Betriebsratsfonds beim *krankenhaus * existierte und die seit Februar 2014 erfolgenden Überweisungen der Beklagten auf das verfahrensgegenständliche Konto – ungeachtet seiner verschiedenen Bezeichnungen durch die Streitteile (E‑Mail der Beklagten vom 28. 1. 2014: „an den Wohlfahrtsfonds anzuweisen“; Bezeichnung der Kläger: „BetriebsratsWohlfahrtsfonds Anstaltspersonal 1999“) – Überweisungen der Gelder in das Vermögen des bestehenden Betriebsratsfonds sein sollten (s E‑Mail des Verwaltungsdirektors vom 19. 2. 2014: „In der letzten Ausschusssitzung wurde beschlossen, dass die Zahlung an den Wohlfahrtsfonds eigentumsrechtlich als Übergabe des Geldbetrages vom Gemeindeverband an den Betriebsratsfonds gelten soll.“; E‑Mail vom 24. 2. 2014: „… überweisen wir den Betrag auf das …. angeführte Konto und übergeben es somit dem BR‑Fonds zur zweckgemäßen Verwendung im Sinne der Betriebsvereinbarung über den Wohlfahrtsfonds.“). Die Partei‑ und Prozessfähigkeit des Erstklägers ist danach zu bejahen, ohne dass sie aus den Geldern des Sozialanteils abgeleitet werden müsste oder davon auch nur tangiert würde. Sie wurde auch durch die Bildung des Betriebsausschusses als nunmehrigen Zweitkläger nicht berührt (s ON 30). Ein weiterer Betriebsratsfonds ist hier nicht entstanden.

[37] 4.3. Das Vorbringen der Beklagten zu einer nicht wirksamen Eigentumsübertragung, der Aktenwidrigkeit und irrig angenommenen sekundären Feststellungsmängeln ist in diesem Zusammenhang nicht berechtigt: Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Gelder nicht in das Eigentum des Betriebsratsfonds übertragen hätte dürfen. Die vom Verwaltungsdirektor verfassten E‑Mails gehen auf eine entsprechende Beschlussfassung des Gemeindeverbandsausschusses zurück (Beil ./Q). Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Korrespondenz der Beklagten ergänzen und vervollständigen lediglich jene des Erstgerichts.

[38] 4.4. Ergänzend ist anzumerken, dass dem Betriebsrat zwar – wie schon zu 9 ObA 160/16v (Pkt 8.) dargelegt – das Recht vorbehalten ist, belegschaftseigene Unterstützungseinrichtungen und sonstige Wohlfahrtseinrichtungen zu errichten und ausschließlich zu verwalten (§ 93 ArbVG). Das ändert aber nichts daran, dass es einer zweckgerichteten Vermögenswidmung in das Eigentum eines (bestehenden oder dadurch entstehenden) Betriebsratsfonds nicht entgegenstehen könnte, wenn die Widmung mit Auflagen oder anderen Einschränkungen versehen ist. Sie konnte hier daher auch nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung erfolgen. Der Betriebsrat ist diesem Umstand anlässlich der Überweisungen auch nicht entgegengetreten. Sofern Unklarheiten über die Rechtsträgerschaft des Kontos bestanden haben mögen – die Kläger hatten vorgebracht, es „für das bereits existierende Sondervermögen des Betriebsratsfonds“ eingerichtet zu haben – so kann aufgrund des im zweiten Rechtsgang erfolgten Vorbringens der Kläger und des nun feststehenden Sachverhalts nicht mehr zweifelhaft sein, dass das Konto dem Betriebsratsfonds (Erstkläger) als Rechtsträger zuzurechnen ist. Weder der Wohlfahrtsfonds als betriebliche Wohlfahrtseinrichtung noch die Wohlfahrtskommission sind selbstständig rechtsfähig. Dass das Konto vom Betriebsrat infolge einer Beschlussfassung der Wohlfahrtskommission, allenfalls mit Stimmenmehrheit der Belegschaftsvertreter, für die Beklagte als Rechtsträgerin eröffnet worden wäre, wurde von ihr nicht behauptet. Dieser Umstand führte aber nicht zu einer freien Verfügbarkeit der Gelder durch den Betriebsrat, weil die Beklagte zu keinem Zeitpunkt auf ihre Mitwirkung an der Mittelbestimmung nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung verzichtet hat.

[39] 5. Da die Parteifähigkeit des Erstklägers danach gegeben und der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts im Ergebnis berechtigt ist, wird eine meritorische Entscheidung zu fällen sein.

[40] 5.1. Für diese wird darauf hingewiesen, dass, wie zu 9 ObA 160/16v (Pkt 6.) ausgeführt, weder in § 41 Tir KAG noch in der von der Schlichtungsstelle festgelegten Betriebsvereinbarung eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Betriebsratsfonds gegenüber der Beklagten auf die begehrte Dotierung zu sehen ist, weil es der Wohlfahrtskommission obliegt, ein ihr geeignet erscheinendes Konto für die Überweisung der Gelder zu ihrer Verwaltung, Veranlagung und Widmung zu benennen. Ein solches Konto kann ein solches des Betriebsratsfonds (mit Bindung an eine Verwaltung durch die Wohlfahrtskommission) sein oder auch nicht.

II. Außerordentliche Revision des Zweitklägers

[41] Der Zweitkläger richtet sich darin gegen die Verneinung seiner Aktivlegitimation, wofür er sich auf seine Stellung als Partei des Schlichtungsverfahrens (bzw damals als Betriebsrat) beruft. Ansonsten wäre die durch die Zwangsbetriebsvereinbarung geschaffene Wohlfahrtseinrichtung ein „luftleeres Gebilde“. Sollte er keine Zahlung des Sozialanteils für die Jahre 1999 bis einschließlich der ersten Hälfte des Jahres 2013 verlangen können, habe er ein feststellbares Interesse, dass die Beklagte diesen Sozialanteil ohne Anrechnung vor Inkrafttreten mit der Novelle des Tir KAG vom 1. Juli 1998, LGBl Nr 85/1998, bestanden habender oder eingeführter Leistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden habe. Auch sei die Frage der Verjährung zu klären.

[42] 1. Richtig ist, dass der Betriebsrat als Partei einer Betriebsvereinbarung über eine Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG deren Einhaltung auch mittels Klage durchsetzen kann (Auer‑Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVG5, § 95 Rz 14). Seiner Aktivlegitimation steht auch nicht die Existenz des Betriebsratsfonds entgegen, weil für diesen nach den nun vorliegenden Verfahrensergebnissen keine eigenständige Grundlage für die hier begehrten Ansprüche zu sehen ist. Die Berechtigung der Klagsansprüche des Zweitklägers ist danach nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung zu prüfen. Sie ist daraus aber nur teilweise ableitbar:

[43] 2. Das erste Hauptbegehren war auf Überweisung eines Betrages von 1.909.551,77 EUR sA auf das Konto „BetriebsratsWohlfahrtsfonds Anstaltspersonal 1999“ (*kasse *, Kto Nr *) gerichtet. Es wurde rechtskräftig abgewiesen.

[44] 3.1. Das erste Eventualbegehren betrifft die Überweisung des Klagsbetrags auf das „von der dort statuierten und begründeten Wohlfahrtskommission benannte Konto“ (Sozialanteil 1999 – erste Jahreshälfte 2013). Die Bezugnahme auf ein solches Konto entspricht zwar der Betriebsvereinbarung. Die Beklagte hat allerdings eingewandt, dass die Betriebsvereinbarung erst am 21. 6. 2013 in Kraft getreten sei und daher keine Ansprüche für die Vergangenheit erfassen könne. Das erfordert die Auslegung der Betriebsvereinbarung nach Maßgabe der §§ 6 ff ABGB (vgl RS0010088 [T28]).

[45] 3.2. Der Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginns der Betriebsvereinbarung schließt nicht von vornherein eine Erfassung der seit 1999 aufgelaufenen Gelder aus. Der Wortlaut von Pkt II der Betriebsvereinbarung („Die sich gemäß Punkt I. dieses Bescheids ergebenden Beträge bilden eine betriebliche Wohlfahrtseinrichtung; diese sind auf ein gesondertes Konto anzuweisen.“) bezieht sich uneingeschränkt auf die Beträge gemäß Punkt I.. Auch wird in der Bescheidbegründung ausgeführt, dass die nach § 41 Abs 6 zweiter Satz Tir KAG zu verwendenden Anteile der Honorare nach § 41 Abs 5 leg cit „bereits seit dem Jahre 1999 einen erheblichen Mittelzufluss darstellen, dessen Funktion in der dauernden Bereitstellung von Mitteln des Unternehmens für Wohlfahrtsmaßnahmen besteht und der zweifelsohne einer ständigen Verwaltung und damit eines entsprechenden Organisationsaufwands bedarf“. In Verbindung mit Pkt. IV („Die Verwaltung, Veranlagung und Widmung der Geldmittel lt. I., dieses Bescheids obliegt der Wohlfahrtskommission.“) kann die Betriebsvereinbarung dennoch nicht dahin ausgelegt werden, dass damit nicht nur künftige und allenfalls noch nicht einer Verwaltung zugeführte vorhandene Beträge aus der Vergangenheit, sondern sämtliche seit 1999 angefallenen Beträge erfasst werden sollten. Denn vor der Existenz der Betriebsvereinbarung hatte die Beklagte keinen Grund zur Annahme, dass die Verwaltung, Veranlagung und Widmung der Geldmittel überhaupt einer Wohlfahrtskommission unterliegen sollte. Sie war danach auch in der Verwendung der Mittel für Sozialleistungen an das Anstaltspersonal im Sinne des § 41 Abs 6 Tir KAG nicht eingeschränkt (9 ObA 160/16v Pkt 2.). Schon daraus ergibt sich auch, dass von der Beklagten in der Vergangenheit erbrachte Sozialleistungen für das Anstaltspersonal entgegen der Ansicht des Zweitklägers nicht unberücksichtigt bleiben können.

[46] 3.3. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass jene Leistungen, die die Beklagte auch schon vor Inkrafttreten der Novelle des Tir KAG vom 1. 7. 1998 (oder zB infolge von späteren Betriebsvereinbarungen ua) erbrachte, mangels gesetzlicher Anrechnungsanordnung von vornherein keine „Sozialleistungen für das Anstaltspersonal“ im Sinne des § 41 Abs 6 Tir KAG idF 1998 seien. Derartiges geht aus dieser Bestimmung und ihren Erläuterungen nicht hervor, vielmehr äußerte sich der Landesgesetzgeber dazu nicht (RV zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Tiroler Krankenanstaltengesetz geändert wird, L‑151/98, S 8). Wie die Beklagte richtig aufzeigt, würde eine solche Auslegung auch dazu führen, dass diejenigen Anstaltsträger, die bereits vor Inkrafttreten der Novelle 1998 Sozialleistungen erbracht hatten, gegenüber weniger Leistenden benachteiligt wären, weil sie im Unterschied zu solchen Anstaltsträgern, die erst ab Inkrafttreten der gesetzlichen Verpflichtung Sozialleistungen erbrachten, über die bisher erbrachten Sozialleistungen hinaus weitere Sozialleistungen zu erbringen hätten. Derartiges ist dem Landesgesetzgeber aber nicht zu unterstellen. Einer näheren Stellungnahme zu den einzelnen Positionen, die die Beklagte für ihre Erfüllung der Sozialleistungspflicht im Verfahren ins Treffen führt (vgl ON 3 AS 37: gesetzliche/betriebsvereinbarungsrechtliche/ freiwillige betriebliche Sozialleistungen), bedarf es hier nicht, weil etwa ab 2008 alleine die jährlichen Zuschüsse betreffend Kantinenessen den jeweiligen Betrag des Sozialanteils überstiegen haben, diese aber jedenfalls als Sozialleistung für das Anstaltspersonal angesehen werden können.

[47] 3.4. Zusammengefasst sind daher Gelder aus der Vergangenheit (1999 bis Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vom 21. 6. 2013) nicht von einer Verwaltung durch die Wohlfahrtskommission im Sinne der Betriebsvereinbarung erfasst. Ein Recht des Zweitklägers, eine Überweisung jener Geldmittel auf ein von der Wohlfahrtskommission zu nennendes Konto zu verlangen, kommt danach nicht in Betracht. Nach diesem Zeitpunkt angefallene und anfallende Geldmittel sind nicht vom Zahlungsbegehren umfasst.

[48] 4. Mit seinem zweiten Eventualbegehren (Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Überweisung des Klagsbetrages ohne Anrechnung der verfahrensgegenständlichen Leistungen der Beklagten) ist der Zweitkläger auf die voranstehenden Ausführungen zu verweisen. Ein Feststellungsinteresse könnte hier auch nicht durch die mangelnde Berechtigung des Leistungsanspruchs begründet werden.

[49] 5.1. Mit seinem zweiten Hauptbegehren strebt der Zweitkläger nach vorangegangenem Verlangen die jederzeitige Einsicht in die zur Errechnung des Sozialanteils notwendigen Unterlagen an, insbesondere in die Rechnungen und korrespondierenden Überweisungsbelege der honorarberechtigten Ärzte, sowie Rechnungslegung durch vierteljährliche Aufstellung der Verrechnungsstelle über die im Quartal bezahlten Honorare der honorarberechtigten Ärzte an. Dafür stützte er sich zunächst auf Art XLII EGZPO. Über Einwand der Beklagten, ihr sei eine Einsichtsgewährung „schon aus datenschutzrechtlichen Gründen“ verwehrt, verwies er überdies auf die dem Betriebsrat „nach dem ArbVG“ zustehenden Kontrollbefugnisse, die durch das DSG nicht beschnitten werden könnten, womit er auf § 89 ArbVG Bezug nimmt.

[50] 5.2. Voranzustellen ist, dass dieser Teil des Klagebegehrens keine zeitliche Beschränkung enthält. Für die Vergangenheit (1999 bis erstes Halbjahr 2013) käme ein Anspruch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Zweitkläger, wie dargelegt, keinen entsprechenden (Mit)Verwaltungsanspruch aus der Betriebsvereinbarung hat. Er könnte ihn auch nicht mehr aus den Kontrollbefugnissen nach § 89 ArbVG ableiten, weil die Höhe der jährlichen Gesamthonorare und Sozialanteile für den Zeitraum 1999 – erstes Halbjahr 2013 festgestellt wurde und es daher keiner Einsicht in die zur Errechnung des Sozialanteils notwendigen Unterlagen und keiner quartalsmäßigen Aufstellung der Honorare mehr bedürfte. Das Rechnungslegungsbegehren des Zweitklägers ist ohnedies nur auf danach liegende und zukünftige Zeiträume zu beziehen, hat er den Rechnungslegungsanspruch doch mit der zukunftsgerichteten Formulierung „vierteljährlich zum Ende eines jeden Quartals“ verbunden (vgl auch Berufungsbeantwortung der Kläger ON 70 AS 261, in der sie das Einsichts- und Rechnungslegungsbegehren auf die Zukunft bezogen).

[51] 5.3. Zu prüfen verbleiben damit Einsichts- und Rechnungslegungsansprüche für danach liegende (ab 21. 6. 2013) und für zukünftige Zeiträume.

[52] 5.3.1. Zum Einsichtsrecht:

[53] Gemäß § 89 ArbVG hat der Betriebsrat das Recht, die Einhaltung der die Arbeitnehmer des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen. Gemäß Z 2 leg cit steht ihm die Befugnis zu, die Einhaltung der für den Betrieb geltenden Kollektivverträge, der Betriebsvereinbarungen und sonstiger arbeitsrechtlicher Vereinbarungen zu überwachen.

[54] Wie zu 9 ObA 9/19t unter Verweis auf 9 ObA 115/17b Pkt 4.2 ausgeführt, kommt dem Betriebsrat aufgrund dieser Bestimmung das Einsichtsrecht in bestimmte Aufzeichnungen und Unterlagen zu, wenn diese Einsicht erforderlich ist, um die Einhaltung bestimmter Rechtsvorschriften durch den Betriebsinhaber überwachen zu können. Dass die Betriebsvereinbarung eine derartige Rechtsvorschrift ist, ist nicht weiter zweifelhaft. In datenschutzrechtlicher Hinsicht wurde bereits in der Entscheidung 6 ObA 1/14m (RS0129697) mit ausführlicher Darstellung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung sowie des Schrifttums dargelegt, dass die Befugnisse des Betriebsrats durch das (damals:) DSG 2000 nicht berührt werden. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine Aushöhlung der Tätigkeitsmöglichkeiten des Betriebsrats im Bereich seiner Pflichtkompetenz vermieden werden soll und aufgrund der vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied jedenfalls davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den Betriebsrat geschaffen hat. Diesen Erwägungen hält die Beklagte auch vor dem Hintergrund der DSGVO nichts Stichhältiges entgegen.

[55] 5.3.2. Zum Begehren auf quartalsmäßige Übermittlung einer Aufstellung der Verrechnungsstelle über die im Quartal bezahlten Honorare:

[56] Wenngleich § 89 ArbVG von einem Überwachungsrecht spricht, ist dies dahin zu verstehen, dass dem Betriebsrat auch dasjenige Recht zuzugestehen ist, das er für die tatsächliche Umsetzung dieses Überwachungsrechts benötigt (vgl Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG [2015] § 89 Rz 32, die explizit Einsichts- und Informationsrechte erwähnt). Dass eine quartalsmäßige Übermittlung einer schriftlichen Aufstellung der Verrechnungsstelle über die im Quartal bezahlten Honorare der honorarberechtigten Ärzte (§ 41 Abs 5 Tir KAG) überschießend wäre, ist nicht ersichtlich. Sie erscheint auch erforderlich sowie zweckmäßig, wäre die Beklagte doch sonst gehalten, dem Zweitkläger gegebenenfalls auch laufend in die Eingänge der Verrechnungsstelle Einsicht zu gewähren. Sie wird durch das Einsichtsbegehren auch nicht entbehrlich, weil letzteres dem Zweitkläger „nach vorangegangenem Verlangen“ auch eine Richtigkeitsprüfung ermöglicht. Die Beklagte ist dem Übermittlungsbegehren in erster Instanz auch nicht substantiiert entgegengetreten.

[57] 6. Zusammenfassend ist die Aktivlegitimation des Zweitklägers zu bejahen. Die von ihm geltend gemachten Ansprüche sind jedoch nur im Ausmaß des Einsichts- und Rechnungslegungsbegehrens berechtigt. Seiner Revision war danach im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang teilweise Folge zu geben.

[58] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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