European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00105.23G.0627.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Betroffene kann sich bei Erhebung eines Rechtsmittels von einem gewählten Rechtsanwalt vertreten lassen, sofern nach der Aktenlage nicht offenkundig ist, dass ihm bei Vollmachtserteilung die Vernunft völlig gefehlt hätte und er nicht fähig gewesen wäre, den Zweck der Vollmachtserteilung zu erkennen (RS0008539 [insb T11]). Nur bei offenkundig gänzlich fehlender Fähigkeit zu einer solchen Einsicht wäre die Bevollmächtigung eines gewählten Vertreters unwirksam (1 Ob 233/22d mwN). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Dass der in erster Instanz beigezogene psychiatrische Sachverständige die (allgemeine) Vollmachtsfähigkeit der Betroffenen verneinte, ändert nichts daran, dass insgesamt keine Anzeichen dafür vorliegen, dass sie des Gebrauchs der Vernunft gänzlich beraubt und daher offensichtlich nicht in der Lage wäre, den Zweck und das Wesen einer erteilten Prozessvollmacht zumindest in Grundzügen zu erfassen.
[2] 2. Ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters bestehen, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0117006; RS0106166 [T9]).
[3] 3. Die Betroffene wurde nach dem UbG in ein Krankenhaus eingewiesen, weil siesich zu Hause nicht mehr selbst versorgen könne. Dort wurde ein „Delir mit wahnhafter Symptomatik“ diagnostiziert. Nach dem Clearingbericht des Erwachsenenschutzvereins ist sie nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Der vom Erstgericht beauftragte Sachverständige attestierte ihr ein demenzielles Krankheitsbild mit Verhaltensauffälligkeiten, Defiziten im Bereich der Orientierungs- und Gedächtnisleistung sowie einer Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsleistung und des Kurzzeitgedächtnisses. Aufgrund dieses Störungsbilds zeige sich auch eine „wahnhafte Stimmung“, die sich etwa in der Überzeugung äußere, man wolle ihr „etwas Böses antun“, sie „neuerlich verhaften“.
[4] 4. Dass die Vorinstanzen auf dieser Grundlage angesichts dringender Angelegenheiten die Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters für erforderlich hielten, begründet keine Überschreitung des ihnen dabei zukommenden Beurteilungsspielraums. Soweit die Revisionsrekurswerberin dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten zu ihrem psychischen Gesundheitszustand ein – im Rekursverfahren vorgelegtes – Privatgutachten entgegenhält, wird ihr auch in diesem eine verminderte Merkfähigkeit bzw eine leichte kognitive Störung attestiert und für Geschäftsabschlüsse, „die das tägliche Ausmaß überschreiten“, eine Unterstützung empfohlen. Davon abgesehen ist für die Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters auch kein endgültiger Nachweis einer psychischen Erkrankung oder vergleichbaren Beeinträchtigung erforderlich, soll dies doch erst im weiteren Verfahren abschließend geprüft werden (9 Ob 67/19x).
[5] 5. Dass die Betroffene dringende Angelegenheiten zu besorgen hat, ist im Hinblick auf den während des Erwachsenenschutzverfahrens angestrebten Verkauf einer Wohnung, Kontobehebungen von mehr als 120.000 EUR, den bereits getätigten Verkauf von Wertpapieren um mehr als 500.000 EUR sowie bisher erfolgte Spenden an Tierschutzvereine von 500.000 EUR nicht zu bezweifeln und wird im Rechtsmittel auch nicht konkret in Zweifel gezogen.
[6] 6. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen ist somit mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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