OGH 4Ob91/23w

OGH4Ob91/23w31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Seiersberg‑Pirka, gegen die beklagte Partei G *, vertreten durch Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, wegen 5.625 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 2. Februar 2023, GZ 3 R 116/22h‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 15. Juni 2022, GZ 2 C 346/22d‑10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00091.23W.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin hat dem Beklagten einen Kredit für die Finanzierung eines Immobilienkaufs vermittelt. Sie hat mit dem Beklagten im Vorfeld weder die Höhe ihres Honorars besprochen, noch den Beklagten auf einen diesbezüglichen Prozentsatz ihres Entgelts hingewiesen.

[2] Die Klägerin begehrt die Kreditvermittlungsprovision in Höhe von 5.625 EUR.

[3] Der Beklagte wendet – soweit noch von Interesse – die Verletzung der Informationspflichten gemäß § 4 der Standesregeln für Kreditvermittlung ein.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Klägerin Informationspflichten der Standesregeln über die Höhe ihrer Provision verletzt und damit ihren Entgeltanspruch „gemäß § 879 ABGB verloren“ habe.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung auf. Es kam rechtlich zum Ergebnis, ein Verstoß gegen § 4 der Standesregeln für Kreditvermittlung führe nicht automatisch zum Entfall des Entgeltanspruchs; weshalb der Erfolg der Klage davon abhinge, wer Schuldner der Provision gewesen sei. Es würden Feststellungen dazu fehlen, wer nach den Vereinbarungen zwischen Klägerin, Beklagtem und kreditgewährender Bank Schuldner der Provision gewesen sei.

[6] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Folgen eines Verstoßes gegen § 4 Abs 1 Z 7 der Standesregeln für Kreditvermittlung vorliege.

[7] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten.

[8] Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben und in der Sache im Sinn einer Klagsstattgebung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[10] 1. Der Beklagte wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass § 4 Abs 1 Z 7 der Standesregeln für Kreditvermittlung in richtlinienkonformer Auslegung auch entsprochen werden könne, wenn nur die Methode der Berechnung des Entgelts bekanntgegeben werde. Da – wie auch das Berufungsgericht selbst erkennt – die Klägerin auch das nach den Feststellungen nicht getan hat, hätte die Beantwortung dieser Rechtsfrage rein theoretischen Charakter (vgl RS0111271), weshalb Ausführungen dazu unterbleiben können.

[11] 2. Im Übrigen wendet der Beklagte sich – kursorisch – gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Bestimmungen der Standesregeln für Kreditvermittlung als zivilrechtliche Folge keine Nichtigkeit des gesamten Kreditvermittlungsvertrags, sondern schadenersatz- oder irrtumsrechtliche Folgen nach sich ziehen.

[12] 2.1. Die Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über Standes- und Ausübungsregeln für Gewerbliche Vermögensberater und Immobilienmakler, die die Tätigkeit der Kreditvermittlung ausüben, BGBl II Nr 86/2016 (idF: Standesregeln für Kreditvermittlung), setzt die in Art 15 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 2. 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (idF: WIKrRL) enthaltenen Informationspflichten um.

[13] § 4 Abs 1 Z 7 der Standesregeln für Kreditvermittlung sieht vor:

Ein Kreditvermittler hat rechtzeitig vor Ausübung jeder Kreditvermittlungstätigkeit dem Verbraucher gegenüber auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger folgende Informationen und Auskünfte zu geben:

(...)

7. das gegebenenfalls vom Verbraucher an den Kreditvermittler für dessen Dienste zu zahlende Entgelt ist dem Verbraucher bekannt zu geben und vor Abschluss des Kreditvertrages auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger zu vereinbaren.

[14] 2.2. Die – übrige – zivilrechtliche Umsetzung der WIKrRL erfolgte mit dem Bundesgesetz über Hypothekar- und Immobilienkreditverträge und sonstige Kreditierungen zu Gunsten von Verbrauchern, BGBl I Nr 135/2015 (idF: HIKrG). Dieses Gesetz ist auf die Kreditierung zu Gunsten von Verbrauchern anwendbar, wenn diese Verträge entweder an einer Liegenschaft oder einem Superädifikat besichert werden oder – wie hier – für den Erwerb oder die Erhaltung von Eigentumsrechten an einer unbeweglichen Sache oder einem bestehenden oder geplanten Superädifikat bestimmt sind. § 8 HIKrG regelt in Abs 1–8 vorvertragliche Informationspflichten des Kreditgebers, die gemäß § 8 Abs 9 HIKrG auch für den Kreditvermittler gelten. Bei keiner dieser Informationspflichtverletzungen ist die vorgesehene Folge eine Unwirksamkeit des Kreditvertrags. Der europäische Gesetzgeber überließ es den Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu erlassen. Der österreichische Gesetzgeber entschied sich für einen kombinierten Ansatz und sieht zum einen Verwaltungsstrafen konkret vor und lässt zum anderen zivilrechtliche Sanktionen offen. Dabei kommen im Wesentlichen schadenersatzrechtliche (culpa und contrahendo) und irrtumsrechtliche Folgen (im Einzelfall möglicherweise auch eine Anfechtung wegen Arglist) in Betracht (vgl Fleißner/Tamerl in Schwimann/Kodek 5 § 8 HIKrG Rz 48 ff).

[15] 2.3. Nicht jedes Rechtsgeschäft, das in irgendeiner Weise gegen die Rechtsordnung verstößt, ist deshalb nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Diese Rechtsfolge muss vielmehr entweder ausdrücklich angeordnet oder vom Verbotszweck erfordert werden (RS0016454). Dass allein die Unterlassung der Angabe des zu zahlenden Entgelts für sich schon so schwer wiegen sollte, dass ungeachtet aller sonstigen Umstände die Vereinbarung über die Hauptleistung eines der Vertragspartner beim Kreditvermittlungsgeschäft – das Entgelt für die Vermittlungsdienste – zur Gänze wegfallen sollte, wird vom Zweck der Regelung nicht verlangt (vgl dazu auch 1 Ob 163/15z zu einer Nichtnennung der Gesamtbelastung gemäß § 33 Abs 7 BWG).

[16] 3. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

[17] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO, hat doch das Rechtsmittel der Beklagten zur Klarstellung der Rechtslage beigetragen (vgl RS0035976, RS0036035).

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