OGH 12Os26/23z

OGH12Os26/23z26.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Fitzthum in der Strafsache gegen * H* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten H* und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 22. November 2022, GZ 36 Hv 44/22y-115, sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer dem genannten Angeklagten gewährten bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00026.23Z.0426.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

* H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurde * H* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (II./) und des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

[2] Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, hat er danach in S* und an anderen Orten

I./ am 12. April 2022 * M* durch die – via WhatsApp abgegebene (US 9 f) – Äußerung: „ich bin jetzt ruhig. Aber warte nur. Ich komme wieder. Ich schwöre bei Gott. (…) Und reize mich ja nicht, sonst ficke ich euch alle beide Mann. Ich hau euch alle beide kaputt! Mir ist das scheißegal, ob du zu Bullerei gehst.“, gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

III./ im Juni 2022 * Mo* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch die Äußerung, dass er Schutzgeld bezahlen müsse, „andernfalls er geschlagen werde und er im Gefängnis Beziehungen habe, die für ihn das Geld eintreiben würden“, somit durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung zu nötigen versucht, die ihn am Vermögen schädigen sollte, nämlich zur Übergabe von Geld.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H* schlägt fehl.

[4] Zur Erhebung der Verfahrensrüge (Z 4) ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert, weil er sich auf einen schriftlichen (ON 81), jedoch in der Hauptverhandlung nicht gestellten Beweisantrag beruft (vgl RIS‑Justiz RS0099511). Die Kritik am Unterbleiben einer ausführlichen Auseinandersetzung mit diesem Beweisanbot im Urteil (siehe aber § 238 Abs 3 StPO) ist im Übrigen verfehlt (vgl zum Ganzen Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.94 ff mwN).

[5] Der zu I./ erhobenen Mängelrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5) zuwider ist die aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitete Schlussfolgerung auf die subjektive Ausrichtung des Angeklagten unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0116882).

[6] Ob die Bedrohte die inkriminierte Äußerung tatsächlich ernst genommen hat, ist für eine Tatbeurteilung nach § 107 Abs 1 StGB nicht entscheidend (vgl RIS‑Justiz RS0092392, RS0093082; Kienapfel/Schroll BT I5 § 107 Rz 4). Demgemäß gehen die – im Übrigen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Schuldberufung vorgetragenen – Einwände des Beschwerdeführers, wonach zwischen dem Angeklagten und dem Opfer generell ein rauer Umgangston geherrscht habe und auch Kontakte nach der Tat stattgefunden hätten, ins Leere.

[7] Soweit die Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) die Eignung der Drohung, der Bedrohten begründete Besorgnis vor Angriffen auf ihre körperliche Unversehrtheit einzuflößen, in Frage stellt, leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116569), weshalb eine solche Eignung bei Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs hinsichtlich der konstatierten Sprachnachrichten nicht gegeben sein sollte. Aus welchem Grund es auf die tatsächliche Realisierung des angedrohten Übels ankommen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0092519), bleibt gleichsam offen.

[8] Mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten, die Zeugin S* zu einem Erscheinen vor dem erkennenden Gericht zu bewegen, verlässt der Beschwerdeführer den Anfechtungsrahmen einer Mängelrüge.

[9] Entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) mussten sich die Tatrichter nicht mit sämtlichen Details der als unglaubwürdig verworfenen (US 14 f) Einlassung des Angeklagten (hier: wonach er überall Narben gehabt und einen Schlag mit einem Kochtopf erhalten habe), auseinandersetzen (Z 5 zweiter Fall).

[10] Inwieweit (nicht näher bezeichnete) WhatsApp-Verläufe den Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen entgegenstehen sollen, gibt der Rechtsmittelwerber nicht bekannt (vgl Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.121).

[11] Mit dem bloß pauschalen Vorbringen, wonach sich der Schöffensenat auf eine Zeugin vom Hörensagen gestützt habe (vgl aber RIS‑Justiz RS0053564), es sich bei der im Urteil angegebenen Fundstelle im Akt um ein Fehlzitat handeln soll (richtig allerdings ohnedies US 15 iVm ON 75 S 4) und aufgrund von Übertragungsfehlern im (ungerügt gebliebenen) Hauptverhandlungsprotokoll keine verlässliche Beweiswürdigung möglich sei, bringt die Beschwerde keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt zur Darstellung.

[12] Die zu III./ erhobene Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich weitgehend in unbeachtlicher Kritik an den auf die Angaben des Opfers gestützten Erwägungen der Tatrichter (US 16 f), indem sie auf Basis eigenständiger Bewertung der Verfahrensergebnisse der leugnenden Einlassung des Beschwerdeführers zum Durchbruch zu verhelfen sucht.

[13] Soweit die Beschwerde (erneut) die aus dem objektiven Geschehen abgeleitete Schlussfolgerung auf die subjektive Ausrichtung des Angeklagten (US 17) bekämpft, ist sie auf die obenstehende Erledigung zum Schuldspruchfaktum I./ zu verweisen.

[14] Die Kritik am Unterbleiben der Beischaffung der Telefonaufzeichnungen aus der Haftanstalt und einer neuerlichen Vernehmung eines Zeugen (der Sache nach Z 5a unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge) gibt nicht bekannt, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Beweisantragstellung gehindert war (vgl RIS‑Justiz RS0115823).

[15] Die Angaben der Zeugen W* und E* haben die Tatrichter ohnedies berücksichtigt (US 17). Im Übrigen wird auf die obenstehenden Ausführungen zu § 270 Abs 2 Z 5 StPO verwiesen.

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[17] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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