OGH 2Ob65/23g

OGH2Ob65/23g20.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2019 verstorbenen A*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des (erbantrittserklärten) Sohnes J*, vertreten durch Mag. Gerhard Rigler und Dr. Ulrike Grünling, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. Februar 2023, GZ 16 R 331/22y‑68, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00065.23G.0420.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist allein die Frage, ob die im Alleineigentum des 2019 verstorbenen Erblassers stehenden Liegenschaften als Erbhof iSd § 1 AnerbenG zu qualifizieren sind.

[2] 2. Die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofs ist nach objektiven Kriterien zu prüfen, wobei es auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des präsumtiven Hofübernehmers ankommt. Maßgeblich ist, welches landwirtschaftliche Nettoeinkommen (als rechnerische Größe) aus dem landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von einem durchschnittlichen Landwirt bei ortsüblicher Bewirtschaftung erzielt werden kann (RS0113948). Zur Ermittlung der objektiven Ertragsfähigkeit sind auch Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einer im betroffenen Gebiet bisher noch nicht allgemein geübten, aber nach anerkannten allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßigen Bewirtschaftungsart zugrundezulegen, sofern diese in der Umgebung des zu beurteilenden Hofs nicht geradezu unüblich ist. Die entsprechende Leistungsfähigkeit des übergebenen Gutes kann auch mit einer möglichen Produktionsumstellung begründet werden. Der dadurch zu erzielende hypothetische Ertrag muss unter Berücksichtigung der Umstellungskosten und deren Aufteilung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werden (2 Ob 182/19g Rz 23 mwN; vgl RS0050263).

[3] Nach den Feststellungen sind am Hof unter Zugrundelegung der hypothetischen Umstellung auf Heuerzeugung und Schafhaltung aus Land- und Forstwirtschaft jährliche Einnahmen von 27.635 EUR erzielbar, wovon nach Abzug der Ausgaben allerdings nur 3.683 EUR verbleiben, was zur angemessenen Erhaltung einer erwachsenen Person (§ 1 Abs 1 AnerbenG) bei Weitem nicht ausreicht. Soweit der Sohn seiner Argumentation im Revisionsrekurs höhere erzielbare Erlöse aus Bio-Schafhaltung zu Grunde legt, geht er nicht von den getroffenen Feststellungen aus, nach denen eine solche (hypothetische) Umstellung unwirtschaftlich ist. Insoweit ist die Rechtsrüge daher nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043603).

[4] 3. Der Sohn strebt im Revisionsrekurs in erster Linie die Mitberücksichtigung der aus der Lohnarbeit des Rundballenpressens erzielbaren Einnahmen an, weil diese Lohnarbeit als Unternehmen iSd § 2 Abs 3 AnerbenG zu qualifizieren sei.

[5] 3.1. Nach § 2 Abs 3 AnerbenG gehören zum Erbhof auch die darauf betriebenen Unternehmen des Eigentümers, sofern diese nicht die Hauptsache bilden und vom land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht getrennt werden können oder ihre Trennung unwirtschaftlich wäre. Bei der Ertragsberechnung iSd § 1 AnerbenG sind auch die Erträge derartiger Unternehmen miteinzubeziehen (6 Ob 84/10m Punkt 2.), weil sich der Betriebsumfang nach § 2 AnerbenG richtet (6 Ob 2308/96x).

[6] 3.2. Ob es sich bei einem Unternehmen um die Hauptsache handelt, ist nach der Rechtsprechung danach zu beurteilen, ob die Einkünfte aus dem Unternehmen hinter jenen aus der Land- und Forstwirtschaft im engeren Sinn zurückstehen (6 Ob 62/00m; vgl auch 6 Ob 2308/96x). Ausgehend von den getroffenen Feststellungen liegen die aus der Tätigkeit als Rundballenpresser erzielbaren Bruttoeinnahmen mit 34.348 EUR jährlich über den aus der Land- und Forstwirtschaft einschließlich der lukrierbaren Förderungen (6 Ob 62/00m) erzielbaren Bruttoeinnahmen. Überdies steht fest, dass diese Tätigkeit unabhängig vom Hof des Erblassers betrieben werden kann, was der Sohn bei seinen Ausführungen im Revisionsrekurs nicht berücksichtigt. Insgesamt hat das Rekursgericht damit das Rundballenpressen vertretbar nicht als Unternehmen iSd § 2 Abs 3 AnerbenG qualifiziert und damit ebenso vertretbar die daraus erzielbaren Erlöse nicht berücksichtigt.

[7] 3.3. Ein Abgehen des Rekursgerichts von der unter Punkt 2. zitierten Rechtsprechung liegt entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs nicht vor.

[8] 4. Insgesamt war der außerordentliche Revisionsrekurs damit zurückzuweisen.

Stichworte