OGH 8ObA11/23k

OGH8ObA11/23k29.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Antonia Oberwalder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Stepanowsky (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. M* G*, vertreten durch Dr. Alice Gao-Galler, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch Maxl & Sporn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 2023, GZ 7 Ra 61/22z‑31.2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00011.23K.0329.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann eine Kündigung angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist.

[2] Strebt der Arbeitgeber auf dem durch die Rechtsordnung vorgesehenen Weg, nämlich durch ein Änderungsangebot, eine Vertragsänderung über dispositive Vertragspunkte an, und stimmt der Arbeitnehmer nicht zu, so kann die aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung zwar als sozialwidrig, nicht aber als Motivkündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden (RIS‑Justiz RS0018143).

[3] Im Versuch des Arbeitgebers, eine (gesetzlich nicht unzulässige) Verschlechterung der Bedingungen des Arbeitsvertrags durch eine einvernehmliche Änderung zu erreichen, liegt kein „Infragestellen“ der bisher bestehenden Ansprüche des Arbeitnehmers (vgl RS0018143 [T1]). Anders verhält es sich nur, wenn das Änderungsanbot die Reaktion auf die Geltendmachung nicht offenbar unberechtigter Ansprüche durch den Arbeitnehmer war und inhaltlich darauf hinauslief, ihn vor die Wahl zu stellen, diese Forderung aufzugeben oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinnehmen zu müssen (RS0018143 [T3]).

[4] Dies ist hier nicht der Fall. Nach den Feststellungen lagen die Gründe für das Bestreben der Beklagten, mit der Klägerin durch Nachtrag zum Dienstvertrag eine neue Stellenbeschreibung und Funktionsbezeichnung zu vereinbaren, in betrieblichen Umstrukturierungen. Weder Gehalt, Tätigkeit noch kollektivvertragliche Einstufung der Klägerin wären geändert worden.

[5] Diese Rechtslage wird von der Revision grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Sie führt vielmehr ins Treffen, die Klägerin habe iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG einen Anspruch auf arbeitsrechtliche Gleichbehandlung mit ihren Kollegen geltend gemacht, weil diesen günstigere Vertragsänderungen angeboten wurden.

[6] Mit diesen Ausführungen setzt sich die Revision in Widerspruch zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt. Es konnte gerade nicht festgestellt werden, dass die Klägerin eine gleiche oder gleichartige Funktion ausgeübt hat wie die Kollegen, denen die von ihr gewünschte Vertragsänderung angeboten wurde. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich unter diesen Umständen ein in Frage gestellter berechtigter Anspruch der Klägerin nicht ableiten.

[7] Auch die Revisionsbehauptung, mit der angestrebten Änderung wäre eine kollektivvertragliche Herabstufung der Klägerin erfolgt, widerspricht den Feststellungen. Davon abgesehen würde durch das Anbot einer solchen erst in der Zukunft wirksamen verschlechternden Änderung kein Anspruch aus dem (laufenden) Arbeitsvertrag in Frage gestellt.

[8] Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls liege der Kündigung der Beklagten kein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG zugrunde, hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung.

[9] Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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