OGH 8Ob176/22y

OGH8Ob176/22y29.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj A* P*, geboren * 2017, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters P* P*, vertreten durch Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 21. September 2022, GZ 16 R 156/22p‑113, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00176.22Y.0329.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Nach § 180 Abs 1 ABGB hat das Gericht, sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, eine vorläufige Regelung der elterlichen Verantwortung (Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung) zu treffen, wenn nach Auflösung der Ehe oder der häuslichen Gemeinschaft der Eltern binnen angemessener Frist eine Vereinbarung nach § 179 ABGB (über die Obsorge) nicht zustande kommt, oder wenn ein Elternteil die Übertragung der alleinigen Obsorge oder seine Beteiligung an der Obsorge beantragt.

[2] Das Gericht hat in der Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung unter Aufrechterhaltung der bisherigen Obsorgeregelung einem Elternteil die hauptsächliche Betreuung in seinem Haushalt aufzutragen und dem anderen ein ausreichendes Kontaktrecht einzuräumen, sodass er auch Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen kann.

[3] Ob die Voraussetzungen für die Einleitung einer Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründet (RIS‑Justiz RS0128813 [T1]).

[4] Der Revisionsrekurs zeigt keine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf, die ausnahmsweise zur Zulässigkeit des Rechtsmittels führen könnte. Die Frage der Obsorge ist zwischen den Eltern nach wie vor strittig, sodass die Voraussetzungen des § 180 Abs 1 Z 1 ABGB vorlagen. Zwar hatten sich die Eltern im Vergleich vom 18. 6. 2020 auf konkrete abwechselnde Betreuungszeiten geeinigt, mittlerweile sind jedoch beide nach dem Akteninhalt von diesem Konsens wieder abgegangen und streben jeweils Neuregelungen an. Die Beurteilung, dass eine neue Regelung des Kontaktrechts zum Wohl des Kindes geboten war, weil die bisherige Regelung unnötig häufige, das Kind belastende Betreuungswechsel vorsah, findet im Sachverhalt Deckung.

[5] Ein subjektiver Anspruch des Revisionsrekurswerbers darauf, dass das Gericht von einer Phase der vorläufigen Regelung der elterlichen Verantwortung zur Gänze absieht, besteht nicht.

[6] Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, in welcher Weise und in welchem Umfang einem Elternteil ein Kontaktrecht eingeräumt wird, begründet keine erhebliche Rechtsfrage, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden (RS0087024 [T6, T9]; RS0097114) oder das Wohl des Minderjährigen nicht ausreichend bedacht wurde (RS0097114 [T1, T18]). Derartige Gründe zeigt der Revisionsrekurs nicht auf. Die Ausführungen beschränken sich auf allgemeine Darlegungen und die Betonung der Interessen des Rechtsmittelwerbers, legen aber nicht konkret dar, inwieweit die getroffene Regelung für das Kind nicht günstig wäre.

[7] Mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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