European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00030.23I.0324.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin plante und errichtete im Auftrag der Beklagten ein (mehrteiliges) Carport. Sie verrechnete dafür insgesamt 70.656,66 EUR. Nach Leistung von rund 60.500 EUR verweigerte die Beklagte die Zahlung der Schlussrechnung in Höhe von 9.926,39 EUR, berief sich dafür auf eine grob mangelhafte Leistungserbringung und wendete auch eine Gegenforderung ein.
[2] Das Erstgericht erachtete die Klagsforderung als nicht berechtigt und wies das Zahlungsbegehren ab. Es pflichtete der Beklagten zur Mangelhaftigkeit bei und führte aus, das Werk sei in Bezug auf die Breite von einigen Parkplätzen nicht in einer der Übung des redlichen Verkehrs entsprechenden Weise errichtet worden. Die Klägerin habe nach der groben Aussteckung vereinbarungswidrig keine Feinaussteckung veranlasst. Die Errichtung widerspreche zudemdem von der Beklagten übergebenen Grundrissplan. Es sei an mehreren Stellen zur Überbauung gekommen, außerdem rage das Carport vereinbarungswidrig in das Straßengrundstück hinein.
[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Das Carport sei nach den Verfahrensergebnissen (in der Breite) nicht für sieben PKW tauglich. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die einzelnen Stellplätze als eigene Grundparzellen auszubilden seien und dass es – auch im Hinblick auf die Straße – noch der Feinabsteckung und Vermessung durch den Geometer bedurft hätte. Die fehlende Übereinstimmung von Lage‑ und Grundrissplan hätte der Klägerin, die nicht einmal die grobe Absteckung bei der Umsetzung des Carports beachtet habe, auffallen müssen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die ordentliche Revision sei zur Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mitverschulden der örtlichen Bauaufsicht zu berücksichtigen sei, zulässig. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision nicht zulässig:
[5] 1.1. Das Berufungsgericht hielt selbst – völlig zutreffend – fest, dass ein Mitverschulden der Bauaufsicht von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet worden sei. Dem tritt die Revision gar nicht entgegen und führt die als erheblich angesehene Frage auch nicht aus. Sie fordert vielmehr bloß ganz abstrakt und pauschal, es mögen im Rahmen der umfassenden rechtlichen Prüfung „auch die vom Berufungsgericht für die Zulassung der Revision angeführten Gründe einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden“.
[6] Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn – wie hier – Fragen rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (vgl RS0111271).
[7] 1.2. Die Revision meint jedoch, es liege eine (andere) erhebliche Rechtsfrage vor, nämlich im Abweichen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der „Stand der Technik“ in Ausnahmefällen auch eine Rechtsfrage sein könne. Das Berufungsgericht habe den Stand der Technik im vorliegenden (besonderen) Fall für eine reine Tatfrage gehalten. Dies sei hier aber unzutreffend, weil § 6 Salzburger Bautechnikgesetz 2015 anordne, dass bauliche Anlagen, die den durch Verordnung festgelegten technischen Anforderungen entsprechen, den Stand der Technik erfüllten und damit bestimmte Regeln der Technik durch Rechtsvorschriften im Sinne einer Anordnung des Gesetz‑ bzw Verordnungsgebers für verbindlich erklärt worden seien. Das errichtete Werk habe zur Breite der dazu erlassenen Verordnung entsprochen, sodass ein (nur aus Sicht einer nicht vereinbarten Richtlinie) mangelhaftes Werk nicht vorliege und insoweit auch keine Warnpflicht verletzt worden sein könne.
[8] 1.3. Beide Vorinstanzen haben die Abweisung des Klagebegehrens nicht allein auf einen Mangel einer zu geringen Breite bestimmter Stellplätze gestützt. Die von beiden Vorinstanzen dafür herangezogenen weiteren Mängel der fehlenden Feinabsteckung und der Überbauungen (weshalb auch das Berufungsgericht von einer „Aneinanderreihung von Nachlässigkeiten“ ausging) greift die Revision aber mit keinem Wort an.
[9] Bei Vorliegen von mehreren für sich tragfähigen Begründungen des Berufungsgerichts muss der Rechtsmittelwerber nicht nur alle Begründungen bekämpfen, sondern auch hinsichtlich jeder dieser Begründungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen (Lovrek in Fasching/Konecny³ IV/1 § 50 ZPO Rz 120; vgl auch 6 Ob 173/22t [ErwGr 1.]).
[10] Die Revision legt aber nicht dar, warum die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Klagebegehren sei (auch) wegen dieser Mängel abzuweisen, unrichtig sein sollte, sodass die Lösung des Rechtsstreits nicht von einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, womit sienicht zulässig und zurückzuweisen ist.
[11] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]). Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht ihr aber nicht zu, weil sie nicht zwei Parteien gegenüberstand.
[12] Die Nebenintervenientin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
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