OGH 2Ob50/23a

OGH2Ob50/23a21.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2022 verstorbenen V*, über den „Rekurs/Revisionsrekurs/außerordentlichen Revisionsrekurs“ der Erbansprecherinnen 1. S*, und 2. E*, beide vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Dezember 2022, GZ 44 R 394/22z-39, mit dem ihr Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 7. Juli 2022, GZ 66 A 19/22i-27, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00050.23A.0321.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

1. Der Rekurs sowie der außerordentliche Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.

2. Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht wies in der vorliegenden Verlassenschaftssache Abhilfeanträge (§ 7a Abs 2 GKG) der Erbansprecherinnen ab (I. und II.), wies sie unter Androhung einer Ordnungsstrafe an, Räumlichkeiten des Erblassers zur gerichtlichen Schätzung begehbar zu halten sowie dem Sachverständigen Zutritt zu gewähren (III.) und erkannte dem Beschlusspunkt III. vorläufige Vollstreckbarkeit zu (IV.).

[2] Das Rekursgericht wies einen Rekurs der Erbansprecherinnen (mangels Parteistellung, Beschwer bzw unter Hinweis auf § 45 Satz 2 AußStrG) zurück, sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR nicht, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[3] Dagegen richtet sich deren als Rekurs/Revisionsrekurs/außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnetes und jeweils auch entsprechend (im selben Schriftsatz) ausgeführtes Rechtsmittel.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Rekurs sowie der außerordentliche Revisionsrekurs sind nicht zulässig.

[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung erfasst § 62 AußStrG als „Revisionsrekurs“ alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Parteistellung, Beschwer oder aufgrund des § 45 Satz 2 AußStrG (RS0120565 [T9, T16]). Eine dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbare Bestimmung ist dem AußStrG fremd (RS0120565 [T11]). Für eine analoge Anwendung ist angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 62 Abs 1 AußStrG kein Raum (RS0007169 [T10]). Abweichendes ist – entgegen dem Rechtsmittel – auch aus 2 Ob 53/18k (Pkt 2.2) nicht abzuleiten. In der vom Rekurs ins Treffen geführten Passage legte der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht lediglich dar, weshalb trotz (teilweiser) Zurückweisung durch das Rekursgericht, bei der es dem Obersten Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren (RS0007073 [T17]) grundsätzlich verwehrt ist, in der Sache selbst zu entscheiden (RS0007037), ausnahmsweise eine meritorische Überprüfung möglich war.

[6] Ein (Voll‑)Rekurs in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO findet daher nicht statt.

[7] 2. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs). Auch diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

[8] Im Verlassenschaftsverfahren liegt regelmäßig ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vor (RS0122922). Dies gilt auch für verfahrensrechtliche Entscheidungen (RS0122922 [T2]). Bei der Bewertung hat sich das Rekursgericht grundsätzlich an der Höhe der Aktiva und Passiva zu orientieren (RS0122922 [T5]). An die Bewertung ist der Oberste Gerichtshof gebunden, sofern nicht – wovon hier keine Rede sein kann – zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden, eine offenkundige Unter- oder Überbewertung vorliegt oder eine Bewertung überhaupt hätte unterbleiben müssen (RS0042410 [T28]).

[9] Weshalb entgegen der dargelegten Rechtsprechung kein rein vermögensrechtlicher Entscheidungsgegenstand vorliegt oder die an den vorläufig bekannten Aktiven orientierte, 30.000 EUR nicht übersteigende Bewertung durch das Rekursgericht willkürlich sein soll, vermag das Rechtsmittel auch durch den Hinweis auf Liegenschaftsvermögen (gemeint offenbar: ein Superädifikat) nicht darzulegen, wird dieses doch weder näher spezifiziert noch eine Angabe zu dessen Wert gemacht. Vielmehr wird auch im Rechtsmittel das vermögenswerte Interesse der Rechtsmittelwerberinnen mit lediglich 17.600 EUR beziffert.

[10] Auch ein außerordentlicher Revisionsrekurs ist daher nicht statthaft.

[11] 3. Da keine bloße Fehlbezeichnung vorliegt, die eine dem Gesetz entsprechende Behandlung nicht hindern würde (RS0036258), sondern vielmehr dem AußStrG widersprechende Verfahrensschritte beabsichtigt waren, waren der (Voll‑)Rekurs sowie der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[12] 4. Übersteigt ein rein vermögensrechtlicher Entscheidungsgegenstand – wie im vorliegenden Fall – an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, ist nach § 62 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbindenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

[13] Eine – über die erfolgte Zurückweisung hinausgehende – Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs besteht im derzeitigen Verfahrensstadium daher nicht. Das Erstgericht wird vielmehr die im Rechtsmittel auch enthaltene, mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung dem Rekursgericht zur Entscheidung vorzulegen haben.

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