European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00008.23Z.0308.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten J* und I* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant, wurden mit dem angefochtenen Urteil * J* und * I* jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 fünfter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben sie im Zeitraum von 1. Jänner 2016 bis 14. April 2021 in * im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, „sich“ – bei J* ersichtlich (RIS‑Justiz RS0117228; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) gemeint (US 6, 14): und I* (vgl RIS‑Justiz RS0094543, RS0094140) – durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der F* GmbH & Co KG durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung verfälschter Beweismittel zur Abstandnahme von der Inrechnungstellung tatsächlich erbrachter Leistungen verleitet, welche diese in einem unbekannten, 5.000 Euro nicht übersteigenden Betrag von zumindest 2.000 Euro (US 5) an ihrem Vermögen schädigte, indem sie auf den Unterlagen für die Abrechnungen der F* GmbH & Co KG die Daten zu den erbrachten Maschinenstunden und Laufmetern manipulierten, sodass nur ein Teil derselben verrechnet wurde.
[3] Unter einem wurde bei beiden Angeklagten jeweils „gemäß § 20 Abs 1 und Abs 3 iVm § 20 Abs 4 StGB“ ein Betrag von 2.000 Euro für verfallen erklärt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, welche J* auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO und I* auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10a StPO stützt. Ihnen kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J*:
[5] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung (ON 26 S 29 f) seiner in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.
[6] Der Antrag (ON 26 S 25 und 28) auf Einholung eines maschinentechnischen Gutachtens zum Beweis der Leistungsfähigkeit der Maschine B* im anklagegegenständlichen Zeitraum und dafür, dass die verwendete Maschine Mängel aufgewiesen habe, die zu verlängerten Laufzeiten geführt hätten, auch im Stillstand Betriebszeiten aufgezeichnet habe und zu einer Laufmeterleistung von 18 Metern pro Minute nicht imstande gewesen sei, weiters, dass eine Bearbeitung von Spannrahmen ohne offiziellem Auftrag nicht möglich gewesen sei, die gegenständlichen Zeitdifferenzen auf diverse Störungen zurückzuführen seien und die angelasteten Taten nicht in einem überschaubaren Zeitraum hätten durchgeführt werden können, wurde zu Recht abgewiesen. Denn der Antrag sprach überwiegend (schon) keine schuld- oder subsumtionserheblichen Tatsachen an (RIS-Justiz RS0118319). Soweit unter Beweis gestellt hätte werden sollen, dass die gegenständlichen Zeitdifferenzen auf diverse Störungen zurückzuführen seien, legte er nicht dar, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete (und auch nicht offensichtliche) Beweisergebnis hätte erbringen sollen, womit er auf einen (im Hauptverfahren unzulässigen) Erkundungsbeweis hinauslief (RIS-Justiz RS0118123, RS0099453).
[7] Letzteres gilt auch für den Antrag (ON 29 S 25) auf „Beschlagnahme von Stichproben an Soll‑Ist‑Zeiten‑Listen der gegenständlichen Maschine B* aus dem anklagegegenständlichen Zeitraum und anschließender Auswertung durch einen Sachverständigen“, weil aus den Listen sichtbar sei, „welche Zeiten für welche Aufträge auf der Maschine B* benötigt wurden“, und sich einerseits herausstellen würde, „dass mehrfach Aufträge mit Laufkarten der schnelleren Maschine Br* auf der langsameren Maschine B* bearbeitet wurden und dadurch die Soll-Ist-Zeiten auseinanderklaffen“, und andererseits, „dass die Aufträge der G* GmbH gar nicht in der von der F* GmbH & Co KG erwarteten Zeit erledigt werden könnten und kein strafbares Handeln durch den Angeklagten für Verzögerungen verantwortlich war“.
[8] Der Antrag (ON 29 S 25 f) auf Einholung eines Gutachtens aus dem Kraftfahrzeugbereich „zur Frage, wie viel Fahrten mit dem Peugeot 308 des Angeklagten notwendig gewesen wären um 9.333 Meter von der F * GmbH & Co KG veredelter Stoff der G* GmbH vom Ort A zum Ort B zu bringen“, und zum Beweis, „dass der Angeklagte den vorgeworfenen Betrug nicht unbemerkt durchführen hätte können, da zu viele Transportfahrten nötig gewesen wären“, um die anklagegegenständliche Menge vom Standort der F* GmbH & Co KG zu transportieren, konnte mangels Bedeutung für die Schuld- oder Subsumtionsfrage ebenfalls sanktionslos abgewiesen werden (RIS-Justiz RS0118444).
[9] Aus dem gleichen Grund keine tragfähige Grundlage für einen Beweisantrag bilden die zum Begehren (ON 29 S 26) auf „Beschlagnahme und Auswertung der Überwachungsvideos der F* GmbH & Co KG vom Parkplatz und den Transportausgängen des anklagegegenständlichen Fabrikgebäudes im anklagegegenständlichen Zeitraum“ vorgenommenen Spekulationen zur Frage des Abtransports größerer Stoffmengen durch den Angeklagten und die Behauptung, der Antragsteller hätte den ihm vorgeworfenen Betrug nicht über einen längeren Zeitraum unbemerkt durchführen können.
[10] Der Antrag (ON 29 S 26) auf Vernehmung des * K* als Zeuge wurde zum Beweis gestellt, dass die Maschine B* regelmäßig Brennerprobleme gehabt habe, eine Maschinenleistung von durchschnittlich 18 Metern pro Minute unrealistisch sei, große Zeitverluste durch gerissene Spannrahmen entstanden seien, es regelmäßig zu Falschmeldungen gekommen sei, Warenvorlagen und Papiere mit Arbeitsanweisungen in Umschlägen überbracht worden seien und er nie Bargeldübergaben wahrgenommen habe. Damit ließ der Antrag schon kein für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erhebliches Beweisthema erkennen.
[11] Gleiches gilt für den Antrag (ON 29 S 26 f) auf zeugenschaftliche Vernehmung des * D* zum Beweis, dass die Maschine B* regelmäßig Brennerprobleme gehabt habe, eine Maschinenleistung von durchschnittlich 18 Metern pro Minute unrealistisch sei und * R* persönliche Probleme mit dem Angeklagten J* gehabt habe.
[12] Der Antrag (ON 29 S 27 f) auf zeugenschaftliche Vernehmung des * N* und des * W* zum Beweis, dass sich in den von ihnen an J* übergeben Kuverts Muster, Vorlagen, Vorschriften, Reklamationen von Kunden und ähnlichesbefunden hätten, betraf ebenfalls kein schuld- oder subsumtionserhebliches Beweisthema.
[13] Indem sich der Beschwerdeführer dem (unter anderem) vom Angeklagten I* gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Betriebswirtschaft zum Beweis, dass die vorgeworfene Vorgehensweise (…) für die Angeklagten I* und Iz* „keine Bereicherung bedeutet“, angeschlossen und „ebenfalls wie dort“ beantragt hat (ON 29 S 28), lässt das Begehren (schon) nicht erkennen, weshalb die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben sollte (RIS‑Justiz RS0099453).
[14] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist der Umstand, dass das Schöffengericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem festgestellten objektiven Geschehensablauf und einer lebensnahen Betrachtung“ abgeleitet hat (US 14), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit – auch mit Blick auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten – nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882 [T1], RS0098671). Eine von der Beschwerde angesprochene, hier aber nicht vorliegende Scheinbegründung wäre nur gegeben, wenn sich nach den Kriterien der Logik oder Empirie ein Schluss auf die zu begründende Tatsache (hier: den Vorsatz des Angeklagten) entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0108609, RS0099494 [T11, T12]).
[15] Soweit sich die Rüge (Z 5 vierter Fall) gegen die Begründung (US 13 f) der Feststellung eines Betrugsschadens von (zumindest) 2.000 Euro (US 5) richtet, spricht sie mit Blick auf den Umstand, dass eine Wertqualifikation gar nicht in Rede steht (US 2 und 6), keine entscheidende Tatsache an, die aber den Bezugspunkt einer Mängelrüge bildet (RIS-Justiz RS0117499 [T5], RS0099406).
[16] Die gegen den – nach Maßgabe des § 20 Abs 4 StGB vorgenommenen – Verfallsausspruch (nach § 20 Abs 3 StGB) gerichtete Rüge (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 11 erster Fall) kritisiert, die vom Erstgericht herangezogenen (US 13 f) Beweisergebnisse seien „als Begründung nicht ausreichend“, weil aus ihnen „keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte“ ableitbar seien, die einen Schluss auf eine Bereicherung des Angeklagten J* in Höhe von 2.000 Euro zulassen würden. Damit zeigt sie keine unrichtige Lösung einer Rechtsfrage iSd § 281 Abs 1 Z 11 StPO auf, sondern erstattet bloß – weil weder das Überschreiten der Anordnungsbefugnis noch ein Rechtsfehler bei der Ermessensentscheidung (innerhalb der Befugnisgrenzen) angesprochen wird (vglRatz, WK-StPO § 281 Rz 663 und 665) – ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0114233 [T2]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*:
[17] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Angeklagte durch die Abweisung (ON 26 S 29 f) mehrerer in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.
[18] Der Antrag (ON 29 S 27) auf Einholung eines maschinentechnischen Gutachtens zum Beweis der in der Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J* wiedergegebenen Themen konnte aus den ebendort dargelegten Gründen unterbleiben.
[19] Das Begehren (ON 29 S 26 f, 28) auf zeugenschaftliche Vernehmung des * D* zum Beweis, dass die Maschine B* regelmäßig Brennerprobleme gehabt habe, eine Maschinenleistung von durchschnittlich 18 Metern pro Minute unrealistisch sei und * R* persönliche Probleme mit dem Angeklagten J* gehabt habe, ließ – wie bereits oben ausgeführt – schon kein für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erhebliches Beweisthema erkennen (vgl aber RIS-Justiz RS0118319).
[20] Das ergänzende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Fundierung der beiden Beweisanträge ist mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).
[21] Warum die Begründung zum festgestellten Schadenseintritt (US 13 f) den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechen sollte, erklärt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht. Soweit sich das Vorbringen gegen die Begründung der Feststellungen eines Betrugsschadens von (zumindest) 2.000 Euro und einer Bereicherung des Angeklagten I* in dieser Höhe (US 5 f) richtet, wird auf die Antworten zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J* verwiesen.
[22] Ein solcher Verweis genügt auch, soweit die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) die von den Tatrichtern vorgenommene Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem festgestellten objektiven Geschehensablauf und einer lebensnahen Betrachtung“ (US 14) als Scheinbegründung rügt.
[23] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801). Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie eine schwere Schuld des Angeklagten verneint und Präventionserwägungen anstellt, aber das Fehlen einer – für die diversionelle Erledigung erforderlichen – von entsprechendem Unrechtsbewusstsein getragenen Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme (RIS-Justiz RS0126734, RS0116299) des Angeklagten übergeht (vgl US 8, 11).
[24] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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