OGH 14Os140/22b

OGH14Os140/22b28.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, § 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Oktober 2022, GZ 55 Hv 58/22h‑24, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00140.22B.0228.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, § 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er zu nachstehenden Zeiten in W* gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB [US 5]) in Bezug auf Betrugshandlungen mit einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Schaden (§ 147 Abs 2 StGB) und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz * Br* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit, zur Gewährung von Darlehen und Überweisung nachstehender Darlehensbeträge (US 4 f), somit zu Handlungen verleitet, die die Genannte im 5.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 72.000 Euro am Vermögen schädigten, und zwar

1/ am 11. Mai 2021 von 15.000 Euro,

2/ am 17. Mai 2021 von 12.000 Euro,

3/ am 5. Juli 2021 von 30.000 Euro,

4/ am 4. November 2021 von 15.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Nach den – hier relevanten – erstgerichtlichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 5) hielt es der Angeklagte, als er Br* um die vier eingangs angeführten Darlehen ersuchte bzw diese von ihr erhielt, „ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass er keine Rückzahlung leisten wird“. In diesem Wissen wollte er die Genannte „durch Täuschung über Tatsachen, nämlich dass er rückzahlungsfähig und rückzahlungswillig sei“, zur Überweisung der jeweiligen Geldbeträge verleiten, wodurch Br* im Gesamtbetrag von 72.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde, wobei der Angeklagte jeweils in dem Wissen handelte, dass er auf die dadurch bewirkte Vermehrung seines Vermögens keinen Anspruch hatte.

[5] Diese Feststellungen leiteten die Tatrichter – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklich (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671) – (auch) aus dem „äußeren Geschehensablauf“ ab (US 8). Diesem zufolge thematisierte der Angeklagte gegenüber Br* seine finanziellen Schwierigkeiten, verschwieg aber deren Herkunft aus strafrechtlichen Verurteilungen, weil er befürchtete, sie wäre diesfalls nicht bereit, ihm ein Darlehen zu gewähren. In der Folge überwies Br* dem Angeklagten die eingangs zu 1) bis 3) angeführten Darlehensbeträge mit jeweils im Jahr 2021 liegenden Rückzahlungsterminen. Der Angeklagte versicherte ihr regelmäßig, er werde die Darlehen zurückzahlen können, sie solle ihm vertrauen. Nachdem er die vereinbarten Zahlungsfristen nicht einhalten konnte und Br* das Geld nicht sofort benötigte, sagte sie ihm zu, dass er die Darlehen erst bis 2024 zurückzahlen müsse. Im November 2021 ersuchte der Angeklagte Br* erneut um Geld und erhielt weitere 15.000 Euro mit dem Zahlungsziel Weihnachten 2021. Hinsichtlich aller vier Darlehen sicherte der Angeklagte immer wieder die fristgerechte Rückzahlung zu, leistete jedoch bis zum Tag der Hauptverhandlung (6. Oktober 2022) keine Rückzahlung (US 4 f). Zudem erwogen die Tatrichter, dass der Angeklagte trotz einzelner Einnahmen keine Rückzahlungen geleistet habe, seiner letzten Verurteilung ein „ähnliche[s] Muster“ zugrunde gelegen sei und er bei ausbleibender Ertragslage um ein viertes Darlehen ersucht, dieses nicht fristgerecht bis Weihnachten 2021 zurückgezahlt, sondern Br* bis in den Jänner 2022 vertröstet und sogar bereits erfolgte Bezahlung behauptet habe, woraus sie schlossen, der Angeklagte habe das Opfer von vornherein (vor allem in Bezug auf seine Rückzahlungswilligkeit) täuschen wollen (US 7 f).

[6] Der Vorwurf fehlender und offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter und – nominell verfehlt – fünfter Fall) der zur subjektiven Tatseite des Angeklagten getroffenen Feststellungen orientiert sich nicht an der Gesamtheit dieser Entscheidungsgründe. Solcherart erweist sich die Mängelrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370).

[7] Mit dem Einwand unvollständig (Z 5 zweiter Fall) und unzureichend begründeter (Z 5 vierter Fall) Konstatierungen zur Täuschung des Opfers über die Rückzahlungsfähigkeit des Angeklagten (US 5) spricht die Mängelrüge angesichts der nicht erfolgreich bekämpften Feststellungen zur Täuschung über dessen Rückzahlungswilligkeit (US 5) keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0117264, RS0106268; Ratz,WK‑StPO § 281 Rz 399 ff) an und verlässt schon deshalb den Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0117499).

[8] Die „aus anwaltlicher Vorsicht“ erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) erklärt nicht, weshalb bei der vorliegend konstatierten fehlenden Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit des Angeklagten bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Darlehenszuzählung sowie dem bei Vornahme der Täuschung festgestellten Bereicherungsvorsatz (US 5) „in Ermangelung der Fälligkeit der Darlehenssumme [von 57.000 Euro] kein Schaden bzw. unrechtmäßige Bereicherung“ vorliegen und dies der Strafbarkeit nach §§ 146 ff StGB entgegenstehen sollte (RIS‑Justiz RS0116569; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 89, 91, 100 sowie 118 ff; Kienapfel/Schmoller, BT II2 § 146 Rz 197; Kert,SbgK § 146 Rz 301 f; vgl RIS‑Justiz RS0065663 und RS0128771).

[9] Das Erstgericht erklärte einen Geldbetrag von 72.000 Euro gemäß § 20 Abs 3 StGB für verfallen (US 3).

[10] Entgegen der gegen diesen Verfallsausspruch gerichteten Sanktionsrüge (Z 11 [der Sache nach] zweiter, nominell erster Fall) stellt die Vermögenslosigkeit des Angeklagten (vgl aber US 3) keinen Anwendungsfall des § 20a Abs 3 zweiter Fall StGB dar. Denn die Unverhältnismäßigkeit nach dieser Bestimmung bezieht sich allein auf den Ermittlungsaufwand, nicht jedoch auf die geringe Wahrscheinlichkeit der (erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu prüfenden [§§ 408 f StPO]) Einbringung des jeweiligen Vermögenswerts (RIS‑Justiz RS0131561; siehe auch Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 36 ff).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[12] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die – gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende – Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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