OGH 5Ob110/22w

OGH5Ob110/22w27.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 18.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2022, GZ 1 R 133/21t‑13, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Juli 2021, GZ 20 Cg 73/20v‑9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00110.22W.0227.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung

 

Spruch:

 

DerRevision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verein.

[2] Die Beklagte betreibt das Bankgeschäft, bietet ihre Leistungen bundesweit an und legt im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern den von ihr geschlossenen Verträgen Vertragsformblätter und/oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zugrunde.

[3] Der Kläger begehrte, der Beklagten die Verwendung von und die Berufung auf zwei Klauseln im Zusammenhang mit der Safe-Vermietung zu untersagen sowie ihm die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu erteilen. Die beanstandete Klausel 1 sei unzulässig iSd § 6 Abs 2 Z 5 KSchG und § 6 Abs 1 Z 9 KSchG, intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB und/oder überraschend und nachteilig iSd § 864a ABGB. Die Klausel 2 sei gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB, aber auch überraschend und nachteilig iSd § 864a ABGB.

[4] Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung dieses Klagebegehrens.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Klausel 1 statt; das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Klausel 2 und das sich darauf beziehende Veröffentlichungsbegehren wies es hingegen ab.

[6] Das Berufungsgericht gab der gegen die Klageabweisung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu. Die zu beurteilende Klausel sei eine Bankklausel und daher in der Regel für eine größere Anzahl von Kunden und Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung. Deren Auslegung sei vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen gewesen.

[7] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die – von der Beklagten – beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Allgemeine Grundsätze

[9] 1.1. Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann gemäß § 28 Abs 1 KSchG von einem nach § 29 KSchG berechtigten Verband auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Unterlassungsgebot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist.

[10] 1.2. Eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.

[11] Mit dieser Bestimmung wurde ein bewegliches System geschaffen, in dem einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigt werden können (RIS‑Justiz RS0016914 [T54, T61]). Dabei sind für die Klauselkontrolle alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Es reicht nicht aus, dass eine Klausel den anderen benachteiligt, sondern die Benachteiligung muss (unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles) gröblich sein (9 Ob 8/18v).

[12] Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, hat sich am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (RS0014676 [T7, T13, T43]). Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die den Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0016914 [T3, T4, T32]; RS0014676 [T21]).

[13] Mangels dispositiven Rechts entspricht die gröbliche Benachteiligung der Auffälligkeit des Leistungswertmissverhältnisses iSv § 879 Abs 2 Z 4 ABGB. Diesfalls kommt es also auf das Vorliegen einer übermäßigen, leicht erkennbaren Äquivalenzstörung, die nicht durch die besonderen Umstände des Falles gerechtfertigt ist, an (9 Ob 8/18v). Dort, wo keine dispositivrechtlichen Maßstäbe für den vom Gesetzgeber gewünschten Interessenausgleich existieren, muss somit ein auffallendes Missverhältnis der wechselseitigen Interessen bestehen (7 Ob 33/90).

[14] 1.3. Die Inhaltskontrolle nach § 879 ABGB geht der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB nach (RS0037089). § 864a ABGB erfasst jene Fälle, in welchen nach Vertragsabschluss nachteilige Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in AGB oder Vertragsformblättern hervorkommen, mit denen nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht zu rechnen war (RS0105643).

[15] Objektiv ungewöhnlich ist nur eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte; der Klausel muss also ein Überrumpelungseffekt innewohnen (RS0014646 [T1]). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhalts ist objektiv zu verstehen. Die Subsumtion hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren (RS0014627 [T15]). Entscheidend ist also, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]).

[16] Dabei kommt es nicht allein auf den Inhalt der Klausel an. Diesem kommt vielmehr im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes Bedeutung zu, weil sich das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt. Die Bestimmung darf im Text nicht derart versteckt sein, dass sie der Vertragspartner nicht dort vermutet, wo er sie findet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2]; RS0014646 [T4, T14]; RS0014659 [T2, T3]).

[17] Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0014659 [T11]; RS0123234).

2. Die im Revisionsverfahren strittige Klausel

[18] 2.1. Im von der Beklagten verwendeten „Aushang Preise und Konditionen für Safes Stand Dezember 2020“ ist für die Ausgabe der Safeschlüssel eine Kaution von 200 bzw 120 EUR vorgesehen und folgende Klausel enthalten:

„Die Kaution wird bei ordnungsgemäßer Beendigung des Mietverhältnisses unverzinst rückerstattet.“

[19] 2.2. Das Erstgericht wies das auf diese Klausel bezogene Klagebegehren ab.

[20] Der Kläger verknüpfe die mangelnde Verzinsung der Kaution zu Unrecht mit der Änderungsklausel für das Mietentgelt. Den Feststellungen gemäß diene die Mietentgeltänderungsklausel nämlich dem Erhalt der Wirtschaftlichkeit der vertraglich zugesagten Leistung der Beklagten. Dies stehe mit der Verzinsung der (Schlüssel-)Kaution in keinem Austauschverhältnis.

[21] Gemäß § 28 Abs 1 KSchG könne auf Unterlassung geklagt werden, wenn in AGB oder Formblättern Bedingungen vorgesehen seien, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstießen. Ausdrückliche gesetzliche Regelungen zur Verzinsung einer Kaution bestünden etwa im Bereich der Verbraucherkreditverordnung und des wohnrechtlichen Mieterschutzes. In diesen Bereichen sehe der Gesetzgeber offenbar ein besonderes, auch allgemein nachvollziehbares Schutzbedürfnis der Verbraucher. Der Schrankfachvertrag weise zwar Elemente des im ABGB geregelten Mietvertrags auf. Bei einem Schrankfachvertrag bestehe allerdings gesamthaft betrachtet keine mit Verbraucherkrediten oder dem wohnrechtlichen Mieterschutz vergleichbare Interessenlage der Verbraucher. Im Bereich des auf Schrankfachverträge anzuwendenden ABGB‑Mietrechts sei der Verzicht auf die Verzinsung einer (Schlüssel‑)Kaution daher nicht sittenwidrig.

[22] Die Verzinsung einer Kaution bringe einen (Verwaltungs‑)Aufwand mit sich, der sich letztlich wohl auch im Entgelt niederschlagen würde. Jedenfalls stelle sich aber die Frage der Verhältnismäßigkeit dieses Aufwands zur Verzinsung einer (Schlüssel-)Kaution von 200 EUR bzw 120 EUR, die auch nicht der Mietentgeltänderungsklausel unterliege. Diese Beträge lägen weit unter der von der Rechtsprechung im Bereich des wohnrechtlichen Mieterschutzes entwickelten Richtlinie von bis zu sechs Bruttomonatsmieten; eine Höhe, die die gesetzliche Regelung der Verzinsung in § 16b Abs 1 MRG nachvollziehbar mache. Für Beträge in Höhe der (Schlüssel‑)Kaution wiederum sei hingegen der Ausschluss der Verzinsung nachvollziehbar.

[23] Mit seiner Berufung auf § 864a ABGB ziele der Kläger – völlig zu Recht – nicht auf die optische Gestaltung des Formblatts ab.

[24] 2.3. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung des Erstgerichts.

[25] Eine Kaution werde in der Regel zur Sicherstellung von Forderungen gegeben und sei zurückzuzahlen, soweit sie nicht vereinbarungsgemäß für den Sicherungszweck in Anspruch genommen werde. Bei Vermietung diene sie zu Gunsten des Vermieters als Deckungsfonds für dessen allfällige künftigen Forderungen gegen den Mieter. Schon in 5 Ob 88/85 habe der Oberste Gerichtshof den Zweck einer Kautionsvereinbarung im Mietrecht dargelegt und die Interessen beider Vertragsteile an der Aufrechterhaltung der Sicherheit hervorgestrichen. Dieser Zweck erfordere unter Bedachtnahme auf Treu und Glauben, dass der Kautionsempfänger den Kautionsbetrag zinsbringend anlege. Es erscheine eine Verzinsung angemessen, die dem jeweils üblichen Zinsniveau entspreche. Daraus könne nun im Mietrecht im Weg der (ergänzenden) Vertragsauslegung eine Verzinsungspflicht angenommen werden. Eine gegenteilige Vereinbarung könne einen Verstoß gegen § 27 Abs 1 MRG bilden.

[26] Mit der Wohnrechtsnovelle 2009 habe der Gesetzgeber im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG für das bis dahin gesetzlich nicht gesondert normierte Rechtsinstitut der Kaution einzelne Regelungen erlassen. Im Grundsatz habe der Vermieter gemäß § 16b MRG den empfangenen Betrag fruchtbringend zu veranlagen und diesen, soweit er nicht zur Tilgung von berechtigten Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis herangezogen werde, samt den daraus erzielten Zinsen bei Rückstellung des Bestandobjekts „unverzüglich“ zurückzustellen. Dies gelte auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten der WRN 2009 abgeschlossen worden seien (§ 49f Abs 2 MRG idF der WRN 2009).

[27] Im Mietrecht werde daher – sowohl zur Rechtslage vor Einführung des § 16b MRG als auch zur Rechtslage danach – einhellig die Ansicht vertreten, dem Mieter stehe gegenüber dem Vermieter jederzeit das Recht auf Rechnungslegung über die fruchtbringende Anlage der Kaution und über die gezogenen Zinsen zu.

[28] Auch im Bereich der Leasingverträge seien Kautionsvereinbarungen von Bedeutung. Bei KFZ‑Leasingverträgen habe der Oberste Gerichtshof Klauseln in Allgemeinen Vertragsbedingungen, wonach eine vom Leasingnehmer über Verlangen des Leasinggebers schon vor Vertragsbeginn zu erlegende Kaution (bzw eine Mietvorauszahlung) unverzinst bleiben soll, als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB beurteilt (8 Ob 110/08x [Klausel 42]; 7 Ob 230/08m [Klausel 4], 2 Ob 1/09z [Klausel 22], 10 Ob 25/09p [Klausel 14]; 2 Ob 198/10x [Klausel 14]). Bei genauerer Betrachtung seien jedoch in allen diesen Entscheidungen die AGB-Klauseln, wonach die vom Leasingnehmer zu erlegende Kaution unverzinst bleiben solle, nach § 3 Abs 3 Z 4 VerbrKrVO (VO des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Verbraucherkreditverträge, BGBl II 260/1999) beurteilt worden. Die VerbrKrVO sei mit dem Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz per 20. 5. 2010 außer Kraft getreten. Das Verbraucherkreditgesetz – VKrG, welches nunmehr die auf Leasing und Abzahlungsgeschäfte bezogenen Bestimmungen der VerbrKrVO ersetze, enthalte keine inhaltsgleiche Nachfolgebestimmung.

[29] Nach der Judikatur orientiere sich die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteilige, am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall diene. Der Kläger meine, es gäbe einen allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsgrundsatz, wonach Kautionsbeträge zu veranlagen und verzinsen seien. Damit spreche er eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) an, bei der aus vorhandenen Regeln auf einen allgemeinen Grundsatz geschlossen werde, der auf den nicht geregelten Fall angewendet werde. Die Rechtsanalogie orientiere sich aber an einer Vielzahl von Bestimmungen. Das Zivilrecht sehe aber nur im Bereich des Mietrechts eine gesetzlich normierte zwingende Verzinsung von Kautionsbeträgen vor. In anderen Rechtsbereichen, in welchen Vertragspartner längerfristiger Verträge Geldbeträge vereinbarungsgemäß zur Sicherstellung übergeben, sei eine solche Verzinsungspflicht gesetzlich nicht vorgesehen. Die höchstgerichtliche Judikatur zur Verzinsung von Kautionen bei KFZ-Leasingverträgen habe die Klauseln nach der– mittlerweile nicht mehr gültigen – Bestimmung des § 3 Abs 3 VerbrKrVO beurteilt, die zwar keine Verzinsungspflicht normiert habe, aber eine Hinweispflicht für den Fall, dass keine Verzinsung erfolgen sollte. Gerade daraus könne aber abgeleitet werden, dass es kein allgemein gültiger zivilrechtlicher Rechtsgrundsatz sein könne, dass alle vertraglichen Sicherstellungen, wie Depot- und Kautionsbeträge, prinzipiell zu verzinsen seien. Sonst wären derartige Vereinbarungen in Finanzierungsleasingverträgen schon grundsätzlich nicht zulässig gewesen, ungeachtet eines entsprechend auffälligen Hinweises im Vertrag.

[30] Richtig sei, dass der Oberste Gerichtshof zuletzt in 1 Ob 201/20w (Klausel 2) eine Deposit‑Klausel ohne vorgesehene Verzinsung in den AGB eines Edelmetallhandelsunternehmens als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB qualifiziert habe. Allerdings sei dafür ausschlaggebend gewesen, dass aus der Klausel nicht hervorgegangen sei, dass das Deposit zur Abdeckung von Kosten verwendet werden sollte, sodass die dort vorgebrachten sachlichen Gründe für die fehlende Verzinsung scheitern hätten müssen. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Kautionen bzw Depositbeträge grundsätzlich zu verzinsen seien, könne auch aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden.

[31] Es liege somit keine planwidrige Lücke vor, die im Weg der Rechtsanalogie zu schließen wäre. Von der Regelung des § 16b MRG könne nicht auf eine planwidrige Unvollständigkeit der Gesetze für Kautionen anderer Rechtsbereiche geschlossen werden.

[32] Die Klausel verstoße daher nicht gegen dispositives Recht. Außerdem gebe es sachliche Rechtfertigungsgründe für die Unverzinslichkeit, die gegen eine gröbliche Benachteiligung sprächen und die Rechtsposition des Safemieters im Vergleich zu jener des Vermieters nicht in einem auffallenden, sachlich nicht zu rechtfertigenden Missverhältnis erscheinen ließen. Im Vergleich zu den Kautionen des Mietrechts handle es sich nämlich hier um relativ geringe Beträge (120 EUR bzw 200 EUR), sodass jedenfalls der Sparzweck in den Hintergrund trete. Zudem verursache die Veranlagung und Abrechnung derart geringer Beträge wohl deutlich höhere Kosten, als damit Zinsgewinne zu lukrieren seien. Schließlich sei bei der anzustellenden Interessenabwägung auch darauf Bedacht zu nehmen, dass etwaige Nachteile der Klausel durch entsprechende Vorteile ausgeglichen werden können. Das Argument der Geldentwertung könne nicht herangezogen werden, weil dieser Nachteil beide Vertragsparteien gleichermaßen treffe. Auf Seiten des Vermieters verringere sich durch die laufende Geldentwertung der Kaution (ohne Verzinsung) mit der Vertragsdauer laufend der Deckungsstock; auf Seiten des Mieters verringere sich sein am Ende der Vertragsdauer zu erwartender Rückzahlungsbetrag.

[33] Das Argument des Klägers, aus der Wertsicherung, der die vom Safemieter zu bezahlenden Entgelte vereinbarungsgemäß unterliegen, ergebe sich eine Ungleichgewichtslage, gehe ins Leere. Die Entgelte stünden in keinem Austauschverhältnis mit der (zurückzuzahlenden) Schlüsselkaution.

[34] Daraus, dass der dBGH bei Verträgen zur Betreuung eines Kindes in einer Kinderkrippe die Vereinbarung einer unverzinsten Kaution (in Höhe von 1.000 EUR in Form eines Darlehens) als nicht zulässig angesehen habe, könne für den vorliegenden Fall schon deshalb nichts abgeleitet werden, weil dafür die Darlehenskonstruktion und nicht die Unverzinslichkeit ausschlaggebend gewesen sei.

[35] Da die Klausel nicht vom dispositiven Recht abweiche, sei sie auch nicht als nachteilig zu qualifizieren, sodass das Erstgericht zu Recht auch einen Verstoß gegen § 864a ABGB verneint habe.

[36] 2.4. Der Kläger vertritt in seiner Revision – zusammengefasst – den Standpunkt, dass die Klausel mit dem Ausschluss einer Verzinsung gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sei, weil sie ohne sachliche Rechtfertigung zwar nicht von einer ausdrücklichen dispositiven gesetzlichen Regelung, aber von der nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen bestehenden Verpflichtung zur Veranlagung und Verzinsung von Kautionen und Sicherheitsleistungen abweiche. Diese Verpflichtung ergebe sich schon aus dem Wesen der Kaution. Der von den Parteien verfolgte Zweck der Kautionsvereinbarung fordere unter Bedachtnahme auf Treu und Glauben, dass der Kautionsempfänger den Kautionsbetrag zinsbringend anlege. Die Verzinsung liege letztlich auch im Interesse des Kautionsempfängers, weil die Geldentwertung dessen Sicherungsfonds dahinschmelzen ließe und dies durch eine Verzinsung neutralisiert oder gebremst werde. Außerdem handle es sich bei der Barkaution um ein irreguläres Pfand. Der Pfandgläubiger dürfe gemäß § 1372 ABGB aber keine Früchte aus der Pfandsache ziehen; die Früchte der Pfandsache, auch Zivilfrüchte wie zB Zinsen, wären dem Pfandeigentümer herauszugeben. Die Klausel verhindere durch den Ausschluss einer Verzinsung das Recht des Verbrauchers, die von der Bank gerichtsnotorisch erwirtschafteten Zinsen herauszuverlangen. Die Klausel wäre auch aus dieser Betrachtungsweise als Verzicht des Verbrauchers auf die Verzinsung unzulässig.

[37] Auch der Oberste Gerichtshof habe in den Entscheidungen 8 Ob 110/08x und 7 Ob 203/08m Klauseln schon nach allgemeinem Zivilrecht – losgelöst von den mit dem Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz außer Kraft getretenen Bestimmungen der VerbrKrVO – als gröblich benachteiligend beurteilt, gerade weil sie vorgesehen hätten, dass eine vom Verbraucher zu hinterlegende Kaution unverzinst bleiben sollte.

[38] Die vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, die Kaution zinsbringend anzulegen und die daraus erzielten Zinsen dem Mieter nach Vertragsende zu übergeben, habe– weil eben auf allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen beruhend – bereits vor dem Inkrafttreten des § 16b MRG gegolten und gelte außerhalb des Anwendungsbereichs des § 16b MRG nach wie vor. Der Umstand, dass es nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen eine Veranlagungs- und folglich auch eine Verzinsungsverpflichtung von Sicherheitsleistungen und Kautionen gebe, lasse sich zudem auch noch aus anderen Rechtsnormen ableiten. § 27g Abs 4 KSchG etwa regle die Rechtsfolge, dass eine vom Heimträger nicht in Anspruch genommene Kaution bei Vertragsende an den Bewohner oder dessen Rechtsnachfolger zurückgezahlt werden müsse. Die Kaution sei mit den für Sichteinlagen geltenden Bankzinsen abzüglich der vom Träger geleisteten Abgaben und Kontospesen zu verzinsen.

[39] Aufgrund dieses Konsenses in der Rechtsprechung und den Gesetzesgrundlagen sei davon auszugehen, dass eine Kaution grundsätzlich zu verzinsen ist. Da die Klausel aber jegliche Verzinsung ausschließe und nicht einmal jenen Zinssatz vorsehe, der üblicherweise für Spareinlagen gewährt werde, müsse sie nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung dazu gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sein. Es bestehe der für § 879 Abs 3 ABGB typische Fall einer Ungleichgewichtslage hinsichtlich vergleichbarer Rechtspositionen der Vertragsparteien: Es liege auf der Hand, dass der Verbraucher die Sicherheitsleistung entsprechend veranlagt hätte und dadurch selbst Zinsen lukrieren hätte können. Die Beklagte könne die Sicherheitsleistung selbst zinsbringend veranlagen, solle in weiterer Folge aber nicht angehalten sein, diese Zinsen auch an den Verbraucher weiterzureichen. Das sei sachlich nicht gerechtfertigt. Zumal jene Zahlungen, die der Vertragspartner der Beklagten an diese zu leisten habe, sehr wohl der Wertsicherung unterlägen. Die zu erwartende Geldentwertung möge bei der Kaution zwar beide Vertragsparteien gleichermaßen treffen, aber nur die Beklagte könne aktiv etwas dagegen tun, nämlich indem sie die zu erwartende Inflation bereits bei der verlangten Kaution (vorab) einpreise und damit die Geldentwertung abfedere.

[40] Ob die Rückzahlung der Kaution „Sparfunktion“ habe oder der „Sparzweck“ aufgrund der geringen absoluten Höhe der Kaution in den Hintergrund trete,seidabei an sich irrelevant. Die Kaution werde aber meist über einen langen Zeitraum „angelegt“ und die Beklagte veranlage in der Praxis auch nicht jede Kaution einzeln. Es sei vielmehr gerichtsnotorisch von „gebündelten Veranlagungen“ auszugehen, woraus sich summierte Geldbeträge mit durchaus höheren Zinsgewinnen ergäben. Demgegenüber könnten der Beklagten als Bank bei einer Veranlagung der Kaution keine hohen Kosten anfallen. Die konkrete Höhe der Kaution ergebe sich außerdem nicht aus dem Klauselwortlaut selbst, folglich sei jederzeit eine höhere Kaution denkbar.

[41] Die Behauptung, die Klausel sei überraschend und nachteilig iSd § 864a ABGB begründet der Kläger in seiner Revision – zusammengefasst – damit, dass gerade vor dem Hintergrund, dass Mietverträge für Banksafes typischerweise lange Zeit dauern können, niemand damit rechne, dass er nur jenen Betrag für die Schlüsselkaution zurückerhalte, den er „seinerzeit“ gegeben habe. Darüber sei die Klausel schon alleine aufgrund ihrer Positionierung im Klauselwerk als überraschend iSd § 864a ABGB zu beurteilen. Damit, dass diese Klausel im Preisblatt „Aushang Preise und Konditionen für Safes“ – formal betrachtet – unter der Überschrift „Vergebührung“ und nicht zusammen mit den sonstigen AGB im bezughabenden Punkt „Kaution“ zu finden sei, könne nicht gerechnet werden.

3. Beurteilung des Senats

[42] Der Senat hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die Begründung des Berufungsgerichts im Wesentlichen für zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Diese Beurteilung ist (nur) kurz zu begründen:

[43] 3.1. Eine zwingende oder auch nur dispositive gesetzliche Regelung, wonach Kautionen und Sicherheitsleistungen zu veranlagen und/oder verzinst zurückzuzahlen sind, gibt es weder im allgemeinen Schuldrecht noch für Safe-Verträge (zu solchen Schrankfachverträgen siehe etwa Kellner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 957 Rz 14 ff).

[44] Anderes gilt für den Bereich des Mietrechts. § 16b MRG normiert eine gesetzliche Veranlagungs- und Verzinsungsverpflichtung des Vermieters für Mietverträge im Teil- und Vollanwendungsbereich des MRG. Außerhalb dessen Anwendungsbereichs wurde und wird die vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, Barkautionen zu verzinsen, aus dem Wesen und dem Zweck der Kaution und dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet (vgl 5 Ob 88/85; RS0011283; Schinnagl in GeKo I § 16b MRG Rz 32; Riss in Hausmann/Vonkilch, MRG4 § 16b MRG Rz 35 mwN). Eine dem § 16b MRG ähnliche Regelung enthält § 27g Abs 4 KSchG für Heimverträge.

[45] Die analoge Anwendung dieser Normen auf andere vertragliche Schuldverhältnisse setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus (RS0098756, RS0008845). Die planwidrige Lücke ist durch Gesetzesanalogie zu schließen. Bei der Gesetzesanalogie wird die für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordnete Rechtsfolge auf einen dem Wortlaut nach nicht geregelten Sachverhalt erstreckt, weil nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen ist, dass der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen übereinstimmen (RS0008845 [T6]). Das ist hier in Bezug auf Schrankfachverträge aber nicht der Fall; die Abweichungen in den den gesetzlich normierten Tatbestand motivierenden Merkmalen sind erheblich. Schon das Berufungsgericht wies in diesem Zusammenhang zutreffend auf das nur im Bereich des Mietrechts und des Heimaufenthaltsrechts bestehende (und vom Gesetzgeber berücksichtigte) besondere Schutzbedürfnis der Verbraucher hin. Mietkautionen können schon wegen der absoluten Höhe der Beträge nicht mit den Safe-Schlüsselkautionen verglichen werden.

[46] 3.2. Mangels Vergleichbarkeit der vertraglichen Schuldverhältnisse und der damit jeweils verbundenen Interessenlage lässt sich für den Rechtsstandpunkt des Klägers auch aus den von ihm und vom Berufungsgericht erörterten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu vergleichbaren Klauseln in Finanzierungsleasingverträgen (insb 8 Ob 110/08x und 7 Ob 203/08x) und in einem Vertrag über den Handel mit Edelmetallen (1 Ob 201/20w) nichts gewinnen.

[47] Das gilt ungeachtet dessen, dass der Oberste Gerichtshof in einzelnen Entscheidungen zu den von der VerbrKrVO erfassten Finanzierungsleasingverträgen die gröbliche Benachteiligung – entgegen dem Verständnis des Berufungsgerichts – auch mit inhaltlichen Bedenken wegen des Ungenügens der dort behaupteten sachlichen Rechtfertigung begründet hat (8 Ob 110/08x; 7 Ob 203/08x). Eine allgemeine zivilrechtliche Veranlagungs- und Verzinsungspflicht für Kautionen und Sicherheitsleistungen lässt sich (auch) aus diesen Erwägungen nicht ableiten.

[48] 3.3. Eine Verpflichtung zur Verzinsung der Safe-Schlüsselkaution ergibt sich auch aus § 1372 ABGB nicht. Danach ist die Vereinbarung, dass dem Pfandgläubiger die Fruchtnießung der verpfändeten Sache zustehen soll, ohne rechtliche Wirkung. Durch § 1372 ABGB soll der Gefahr begegnet werden, dass der Pfandschuldner über den Umweg des Fruchtgenusses wucherische Zinsen zahlen muss (RS0032430 [T1]). Abgesehen von diesem seine teleologische Reduktion gebietenden Normzweck sind Barkautionen von § 1372 ABGB nicht umfasst (vgl für § 1371 ABGB: RS0032408). Das Pfandrecht an vertretbaren Sachen, besonders an Geld (Barkaution), ist nämlich in der Regel ein unregelmäßiges Pfandrecht. In diesem Fall wird der Empfänger Eigentümer durch Vermengung; der Pfandbesteller hat kein dingliches Recht, sondern nur den schuldrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung (RS0010942; RS0011282 [T6]). Den Gläubiger trifft keine Verwahrungspflicht, er darf den (in sein Eigentum übergegangenen) Geldbetrag verwenden und hat nach Erlöschen seines Rechts einen der gegebenen Summe entsprechenden Betrag zurückzustellen (Faber in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1369 ABGB Rz 17 mwN).

[49] 3.4. Die hier zu beurteilende Klausel weicht damit nicht vom dispositiven Recht ab. Eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders läge damit nur bei einer übermäßigen, leicht erkennbaren und nicht durch die besonderen Umstände des Falles gerechtfertigten Äquivalenzstörung vor (9 Ob 8/18v). Dass die Klausel mit dem Ausschluss der Verzinsung hier zu einem solchen auffallenden Missverhältnis der wechselseitigen Interessen führt, hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. In seiner Begründung hob es zu Recht die wirtschaftlichen Aspekte der Verzinsung einer solchen Safe-Schlüsselkaution hervor. Dem bei Einlagensummen in dieser Höhezu erwartenden geringen Ertrag stehen mögliche eigentliche Veranlagungskosten, jedenfalls aber ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand der Beklagten gegenüber. Allein der Umstand, dass die Beklagte aufgrund ihrer Geschäftstätigkeitdurch „gebündelte Veranlagungen“ etwas höhere Zinsgewinne zu lukrieren in der Lage sein könnte, als ihre Vertragspartner als Einzelpersonen, bedeutet – schon wegen der absoluten Höhe der Beträge – keine ausreichend schwere Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher.

[50] 3.5. Die Bestimmung des § 864a ABGB erfasst nur nachteilige Klauseln. Eine Klausel ist nachteilig, wenn sie die Rechtsstellung des Vertragspartners im Vergleich zum dispositiven Recht verschlechtert (Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 864a Rz 25; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 864a Rz 46). Da hier keine einschlägige Regelung des dispositiven Rechts besteht, stünde der Vertragspartner der Beklagten auch ohne diese Klausel nicht besser (vgl Laimer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] § 864a Rz 38).

[51] Auch in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Ungewöhnlichkeit der Vertragsbestimmung überzeugt der Prozessstandpunkt des Klägers nicht; dies im Hinblick auf die Überlegungen zur wirtschaftlichen Bedeutung der Frage der Verzinsung einer Schlüssel-Kaution weder im Hinblick auf deren Inhalt noch im Hinblick auf die – unstrittige – Platzierung der Klausel im „Aushang Preise und Konditionen für Safes“.

[52] 3.6. Die Ausführungen des Klägers sind inhaltlich nicht berechtigt. Inwieweit diese – wie die Beklagte behauptet – zum Teil als unzulässige und daher ohnedies unbeachtliche Neuerung zu werten wären, kann damit dahin gestellt bleiben. Aus diesem Grund bedarf es hier auch keiner Auseinandersetzung mit der Tragweite der Entscheidung 6 Ob 105/21s zur Amtswegigkeit der Klauselkontrolle und deren Konsequenzen für Verbandsverfahren.

4. Kostenentscheidung

[53] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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