European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00015.23D.0221.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiete: Grundrechte, Suchtgiftdelikte
Spruch:
* K* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien, AZ 43 St 184/22y, eingebrachten Beschwerde des * K* (vormals H*) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Dezember 2022, GZ 352 HR 277/22b‑40, nicht Folge und setzte die über den Genannten nach dessen Übergabe (nach erfolgter Festnahme in Bulgarien am 17. November 2022) mit Beschluss vom 14. Dezember 2022 (ON 33) verhängte und mit Beschluss vom 28. Dezember 2022 (ON 40) verlängerte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 sowie Z 3 lit a und b StPO fort.
[2] Nach den Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts ist K* dringend verdächtig, im Zeitraum von April 2020 bis zumindest Juni 2021 in W* und anderen Orten teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * R* als Mittäter (§ 12 StGB) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt zumindest 21.998 Gramm brutto Kokain (Wirkstoff Cocain) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 64,01 % sowie zumindest 40 Kilogramm brutto Marihuana „(Wirkstoff THCA/Delta‑9‑THC) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10,65 %“, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen in mehreren Angriffen überlassen bzw zu überlassen versucht zu haben (BS 3 f).
[3] Durch diesen Sachverhalt sah das Beschwerdegericht ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB als erfüllt an.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde des (nunmehr – vgl ON 51) Angeklagten, die sich gegen die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr richtet und die Substituierbarkeit der Haft durch Anwendung gelinderer Mittel behauptet, ist nicht berechtigt.
[5] Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (nur) dahin, ob sie aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS‑Justiz RS0117806, RS0118185; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 49). Das Unterbleiben der Erwägung einzelner aus Sicht des Beschwerdeführers allenfalls erörterungsbedürftiger Umstände kann nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (RIS‑Justiz RS0117806 [T28]).
[6] Fallkonkret gründete das Beschwerdegericht seine Prognose zur Tatbegehungsgefahr (§ 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO) auf die Vielzahl von Angriffen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr in Bezug auf eine die Grenzmenge mehrere hundertfach übersteigende Suchtgiftmenge unter Zuhilfenahme von (vermeintlich) abhörsicheren Mobiltelefonen sowie die daraus und aus einer einschlägigen Verurteilung aus 2022 (betreffend einen Tatzeitraum von Juli bis 10. August 2021) abgeleitete erhebliche kriminelle Energie eines berufsmäßigen Suchtgiftdealers. Selbst unter Berücksichtigung des (zur Vorstrafe) bis zur Enthaftung im Jänner 2022 bereits verspürten Haftübels im Ausmaß von 5 Monaten sah es angesichts der bislang durch Suchtgifthandel „im ganz großen Stil“ aufgefallenen Tatgeneigtheit des Beschwerdeführers, der unverändert tristen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der Einbindung in einen vernetzten Täterkreis, welcher sich gezielt gegen Verfolgungsmaßnahmen abzuschirmen trachtete, keine Minderung der konkreten Tatbegehungsgefahr.
[7] Diese Ableitung ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317). Mit der Berufung auf die seit den inkriminierten Handlungen verstrichene Zeit und das bereits verspürte Haftübel vermag die Beschwerde keine Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuzeigen, welches trotz dieser Umstände keine die Verminderung der Tatbegehungsgefahr indizierende (substantielle) Änderung jener Verhältnisse (§ 173 Abs 3 letzter Satz StPO) erkennen konnte (BS 12 f), unter welchen der angelastete Suchtgifthandel begangen worden sein soll.
[8] Im Übrigen: Zur Frage der vom Beschwerdeführer mit Blick auf die seiner Ansicht nach als einziger Haftgrund verbleibende Fluchtgefahr ins Treffen geführten Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) müsste die Grundrechtsbeschwerde konkret darlegen, worin dem Beschwerdegericht insoweit ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein soll (RIS‑Justiz RS0116422 [T1]).
[9] Dem entspricht die Beschwerde nicht, indem sie unter der Prämisse von Fluchtgefahr nach § 173 Abs 1 Z 1 StPO als einzigen Haftgrund von einer Substituierbarkeit der Haft durch die Auferlegung einer Kautionssumme „einschließlich sämtlicher Gelöbnisse und vorläufiger Bewährungshilfe“ ausgeht.
[10] K* wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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