OGH 7Nc3/23k

OGH7Nc3/23k15.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Mag. Malesich in der Rechtssache der Antragstellerin C* GMBH, *, vertreten durch Malainer Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070NC00003.23K.0215.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist eine im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragene GmbH mit Sitz in Wien, die weltweit im Rohstoffhandel (Roheisenbriketts) tätig ist. Sie strebt ein Verfahren gegen ihre Vertragspartnerin C*, C.A. (infolge: C*) mit Sitz in Venezuela an. C* sei eine 100 %‑ige Tochter der Co* (infolge: CO*) ebenfalls mit Sitz in Venezuela. CO* sei ein dezentralisierter staatlicher Konzern, worauf bereits in dem mit C* abgeschlossenen Vertrag vom 20. 2. 2019 hingewiesen worden sei.Damit hätten die Antragstellerin und C* einen Vertrag über die Lieferung von Roheisenbriketts abgeschlossen und vereinbart, dass auf Streitigkeiten aus diesem Vertrag venezolanisches Recht anzuwenden sei; als ausschließlich zuständig für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag seien die Gerichte der Bolivarischen Republik Venezuela vereinbart worden. Der Vizepräsident der CO* habe am 13. 1. 2022 eine Forderung der Antragstellerin aus diesem Vertrag in Höhe von 683.542,33 USD in einem Managementprotokoll anerkannt. Die Antragstellerin habe unter Einschaltung des Österreichischen AußenwirtschaftsCenters Bogotá versucht, einen Rechtsanwalt für die Vertretung im angestrebten Verfahren gegen C* in Venezuela zu finden. Da es sich bei der Vertragspartnerin der Antragstellerin aber um ein staatsnahes Unternehmen handle, hätten alle angefragten Rechtsanwälte das Mandat abgelehnt. Die Antragstellerin beabsichtige eine Vollstreckung in „Ländern der Europäischen Union“, da sie aufgrund ihrer Tätigkeit als internationale Rohstoffhändlerin „relativ einfach“ Kenntnis über den Vertrieb von Wirtschaftsgütern und Vermögenswerten der C* und der CO* erlangen könnte.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der ausschließlich auf § 28 Abs 1 Z 2 JN gestützte Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

[3] 1. Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt eine Ordination nach dieser Gesetzesstelle voraus, dass der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, so hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 2/22g mwN). Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind gemäß § 28 Abs 4 2. Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen.

[4] 2.2.1 Das Naheverhältnis der Antragstellerin zum Inland folgt aus ihrem Sitz in Wien.

[5] 2.2.2 Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in Lehre und Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder die Prozessführung im Ausland äußerst kostspielig wäre (RS0046148).

[6] 2.2.3 Die Antragstellerin vereinbarte mit ihrer Vertragspartnerin 2019 – trotz Hinweises auf deren Staatsnähe im Vertrag – die Anwendung venezolanischen Rechts und die Zuständigkeit venezolanischer Gerichte, womit sie grundsätzlich das Risiko in Kauf nahm, Streitigkeiten aus diesem Vertrag vor den Gerichten der Bolivarischen Republik Venezuela auszutragen.

[7] Selbst wenn man dessen ungeachtet davon ausginge, dass die behauptete fehlende Bereitschaft der venezolanischen Rechtsanwälte, sie in ihrem Rechtsstreit zu vertreten, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung in Venezuela begründe, wäre für die Antragstellerin nichts gewonnen:

[8] 2.3.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass es nicht Sache der österreichischen Justiz ist, ein umfangreiches Verfahren durchzuführen, wenn fast alles dafür spricht, dass das Ergebnis nur ein wertloses Schriftstück sein kann (RS0046593).

[9] 2.3.2 Zwischen Österreich und Venezuela bestehen keine bilateralen Verträge über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen oder Rechtshilfe, sodass– wovon die Antragstellerin ohnedies selbst ausgeht –, eine Vollstreckung in Venezuela auch nicht zu erwarten ist. Das Vorbringen der Antragstellerin, eine Vollstreckung des Urteils in „Ländern der Europäischen Union“ zu beabsichtigen, weil sie aufgrund ihrer Tätigkeit als internationale Rohstoffhändlerin „relativ einfach“ Kenntnis über den Verbleib von Wirtschaftsgütern und Vermögenswerten der C* und der CO* erlangen könnte, ist so vage und unkonkret, dass schon eine auch nur im Ansatz aussichtsreiche Möglichkeit des exekutiven Zugriffs auf Vermögen der Vertragspartnerin der Antragstellerin nicht dargetan wird. Inwieweit ein Zugriff auf Vermögenswerte der CO*, gegen die eine Klagsführung gar nicht beabsichtigt ist, möglich sein soll, bleibt überhaupt offen. Damit hat die Antragstellerin insgesamt die Voraussetzungen für eine Ordination nicht dargelegt.

[10] 3. Der Ordinationsantrag war daher abzuweisen.

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