OGH 4Ob3/23d

OGH4Ob3/23d31.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert 35.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2022, GZ 4 R 106/21v‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00003.23D.0131.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Klägerin und die Beklagte sind Medieninhaberinnen von periodischen Druckwerken.

[2] Die Beklagte veröffentlichte auf dem Titelblatt ein Lichtbild der österreichischen Nationalmannschaft mit dem Begleittext: „Geschenk für die Fußballfans! Anlässlich der heutigen Generalprobe gegen die Slowakei starten wir mit unsrer umfangreichen Sonderbeilage zur EM-Endrunde 2021 – samt Poster zum Herausnehmen in der Blattmitte mit dem gesamten Team, das Österreich bei diesem Großereignis vertreten wird.

[3] Tatsächlich war der Zeitung nichts beigelegt, sondern nur auf der Doppelseite in der Mitte der Ausgabe das Fußballteam abgebildet. Diese Doppelseite war aus üblichem Zeitungspapier und wies auch das typische Zeitungslayout mit unbedruckten Seitenrändern und Kopfzeile samt Seitenzahlen auf. Ihre Rückseite war jeweils mit redaktionellen Inhalten bedruckt.

[4] Die Klägerin klagte auf Unterlassung der Ankündigung eines Posters als Geschenk, wenn die angekündigte Beigabe nicht der Zeitung beigelegt ist; sowie Urteilsveröffentlichung. Zugleich stellte sie einen Sicherungsantrag zum Unterlassungsbegehren.

[5] Im Provisorialverfahren erließen die Vorinstanzen die einstweilige Verfügung mit leichten Modifikationen des Spruchs. Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten ohne Außenbegründung zurück.

[6] Im Hauptverfahren bot die Beklagte daraufhin einen der einstweiligen Verfügung entsprechenden Unterlassungsvergleich samt Veröffentlichung im Sportteil der Sonntagsausgabe der Beklagten und einer Ankündigung auf der Titelseite an.

[7] Die Klägerin lehnte dies ab, weil ihr Veröffentlichungsbegehren auf eine Veröffentlichung des Urteilsspruchs selbst auf der Titelseite lautete, und zwar in einem Kasten mit Fettdruckumrandung, unter der 14 Punkt großen Überschrift „Im Namen der Republik“, im Übrigen in 12 Punkt großer Schrift.

[8] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Nach dem Talionsprinzip sei der Klägerin wegen der prominent platzierten irreführenden Ankündigung auf der Titelseite auch die Urteilsveröffentlichung auf der Titelseite zuzusprechen. Das Vergleichsanbot habe dem Veröffentlichungsbegehren daher nicht ausreichend Rechnung getragen und die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.

[9] Mit ihrer außerordentlichen Revision will die Beklagte die Klagsabweisung erreichen. Sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[10] 1. Ob nach den im Einzelfall gegebenen Umständen Wiederholungsgefahr besteht, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042818). Das gilt auch für die Frage, ob ein angebotener Unterlassungsvergleich die Wiederholungsgefahr beseitigt (RS0042818 [T7]; vgl auch RS0042967 zum Veröffentlichungsumfang als Einzelfallbeurteilung).

[11] 2. Nach der Rechtsprechung wird der Wegfall der Wiederholungsgefahr in der Regel (nur) dann angenommen, wenn der Verletzer einen Vergleich anbietet, der alles umfasst, was der Kläger durch ein stattgebendes Urteil hätte erlangen können (vgl RS0079899 [insbes T33, T37]; RS0079962; RS0079898 [T2]). Das Vergleichsanbot muss daher auch die Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten des Verletzers umfassen, wenn der Kläger ein gerechtfertigtes Veröffentlichungsbegehren gestellt hat (RS0079921).

[12] 3. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass der Klägerin keine Veröffentlichung auf der Titelseite zustehe, weil diese nur ausnahmsweise zugesprochen werden könne. Nach dem Talionsprinzip genüge ein entsprechender Hinweis auf der Titelseite und eine Veröffentlichung des Urteils im Blattinneren.

[13] 3.1. Die Beklagte stützt sich dabei auf die Entscheidung 4 Ob 148/10h. Darin heißt es jedoch, dass „bei prominent platzierten rechtswidrigen Ankündigungen auf Titelseiten von Zeitungen, mit welchen die Kauflust der Leser ganz besonders angesprochen werden soll, ausnahmsweise zu einer Veröffentlichung des Urteils auf der Titelseite zu ermächtigen“sei. Die Entscheidung nennt zwar eine Urteilsveröffentlichung im Blattinneren, verbunden mit einem entsprechenden Hinweis auf der Titelseite als mögliche Alternative. Welche Veröffentlichungsform im konkreten Fall begehrt und zugesprochen wurde und welche Parameter dafür entscheidend waren, ist aus der Entscheidung selbst aber nicht ersichtlich, sodass aus ihr schon deshalb keine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgeleitet werden kann.

[14] Eine Einsicht in die unveröffentlichten Entscheidungen der Vorinstanzen ergab, dass im vorliegenden Fall alle drei Instanzen einem Klagebegehren stattgaben, das auf Veröffentlichung des Urteilsspruchs auf dem Titelblatt gerichtet war, weil die Beklagte ebenfalls auf dem Titelblatt ihrer Zeitung (unrichtig) „Heute gratis: TV-Magazin“ angekündigt hatte.

[15] 3.2. Der Abdruck des Urteils im Blattinneren samt Hinweis auf der Titelseite ist im vorliegenden Fall auch deshalb nicht sinnvoll, weil die Veröffentlichung im Printmedium der Beklagten und nicht der Klägerin erfolgen soll. Andernfalls würde die angeordnete Urteilsveröffentlichung sogar zur verkaufsfördernden Maßnahme für die Beklagte: Wen interessiert, ob die Beklagte ihre Printmedien durch unlautere Ankündigungen auf der Titelseite vertreibt, der müsste sich erst ein Exemplar ihrer Zeitung kaufen, um die auf der Titelseite angekündigte Urteilsveröffentlichung lesen zu können.

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