OGH 9Nc2/23b

OGH9Nc2/23b25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* AG, *, vertreten durch E + H Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. S*, wegen Zustimmung zur Entlassung, über den Delegierungsantrag des Beklagten den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090NC00002.23B.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Mit ihrer beim Landesgericht Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt die klagende Arbeitgeberin die gerichtliche Zustimmung zur Entlassung des Beklagten gemäß §§ 8f Abs 1, 7 Abs 3 VKG iVm § 12 Abs 2 Z 1 und Z 3 MSchG, in eventu zur Kündigung gemäß § 8f VKG, §§ 7 Abs 3 iVm 10 Abs 3 und 4 MSchG.

[2] Der Beklagte bestreitet das Klagebegehren.

[3] Die Klägerin hat ihren Sitz in Schwechat, der Beklagte wohnt im Sprengel des angerufenen Gerichts. Die Parteien haben die Einvernahme mehrerer Zeugen p.A. der Klägerin beantragt, der Beklagte hat sich überdies auf die Einvernahme der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindesmutter berufen.

[4] Der Beklagte beantragt die Delegierung der Rechtssache „nach Wien“, weil dort bzw in räumlicher Nähe die beantragten Zeugen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten und außerdem im Dienstvertrag das sachlich zuständige Gericht im Bereich des Sprengels des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden sei.

[5] Die Klägerin sprach sich mangels klarer und überwiegender Zweckmäßigkeit einer Delegierung gegen den Antrag aus.

[6] Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgerichterachtet in seiner Stellungnahme eine Delegierung an das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien für nicht zweckmäßig. Eine Delegierung würde nicht zu einer Verkürzung des Verfahrens, sondern wahrscheinlich sogar zu einer weiteren Verfahrensverzögerung führen.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

[8] Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RS0046333). Die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei ist daher nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324).

[9] Die Voraussetzungen der Delegierung sind im Anlassfall nicht gegeben. Die Einvernahme der bei der Klägerin beschäftigten Zeugen kann gegebenenfalls mittels Videokonferenz erfolgen(RS0046333 [T37]). Dabei ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber (§ 277 ZPO) die Möglichkeit einer Beweisaufnahme im Weg der Videokonferenz sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt hat (RS0046333 [T44]). Zweckmäßigkeitserwägungen, die eindeutig im Sinn aller Verfahrensbeteiligten für die vom Beklagten beantragte Delegierung sprechen, liegen somit nicht vor.

[10] Der Delegierungsantrag des Beklagten ist daher abzuweisen.

Stichworte