European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00196.22K.1220.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 20.579,54 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten 13.432,10 EUR Barauslagen und 1.191,24 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Kläger hatten zum Ankauf eines Eigenheims bereits im Jahr 2002 mehrere Kreditverträge mit einer anderen Bank abgeschlossen, davon auch einen Kreditvertrag in Franken und einen in Yen. Im Jahr 2006 sollte eine Umschuldung der bestehenden Verbindlichkeiten zur Beklagten erfolgen und dabei die Verbindlichkeiten in einen Vertrag überführt werden. Die Kläger waren damit einverstanden, dass nur ein Kreditvertrag abgeschlossen wird. Es wurde vereinbart, dass ein Frankenkredit vergeben wird und wurde besprochen, dass der damals geltende Wechselkurs nicht in den Vertrag mit aufgenommen werde.
[2] Am 13. 11. 2006 schlossen die Parteien den Kreditvertrag ab, mit dem die Beklagte sich bereit erklärte, einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von EUR 230.000,00 (in Worten: Euro zweihundertdreißigtausend) in folgender Währung: Schweizer Franken auf Ihrem Konto Nr. * samt allfälligen Konten in den jeweils erforderlichen Währungen zu nachfolgenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen.
Darin findet sich auszugsweise:
Für diesen Kredit gilt folgende Rückzahlungsvereinbarung: Der Kredit steht Ihnen in der eingangs angeführten Höhe bis 01. 01. 2032 zur Verfügung. Die Rückführung des Kredites erfolgt in der jeweiligen ausgenützten Währung.
Die ebenfalls vereinbarten generellen Kredit- und Besicherungsbedingungen lauten auszugsweise:
Ausnützung in Fremdwährung
Die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des Wechselkursverhältnisses von Währungen gegenüber dem Euro ist auch für Spezialisten bestenfalls für einen kurzen Zeitraum möglich. Der Zinssatz wird variabel vereinbart und laufend den Marktverhältnissen angepasst. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, den noch aushaftenden Kreditbetrag in Euro zu konvertieren bzw. mit unserer Zustimmung in eine andere frei konvertierbare Fremdwährung umzuschulden. Wir weisen Sie in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich eine Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus nicht nur auf die Höhe der Zinsbelastung, sondern auch auf die Performance des Tilgungsträgers und somit in doppelter Hinsicht auf Ihre Finanzierung auswirken kann. Sie und der/die Mithaftende/n bestätigen, von der B* AG über eventuelle Risiken ausreichend informiert worden zu sein, die im Zusammenhang mit der Kreditinanspruchnahme in Fremdwährung entstehen könnten.
Es besteht daher Einvernehmen darüber, dass alle diese Risiken (insbesondere auch das Devisenkursrisiko) ausschließlich von Ihnen getragen werden, und Sie sich im eigenen Interesse selbständig über die aktuelle Entwicklung der Devisenkurse informieren werden.
Ausnützung in Euro
Sie haben jederzeit die Möglichkeit, den noch aushaftenden Kreditbetrag in Euro umzuschulden.
Die AGB der Beklagten enthalten weiters folgende Bestimmung:
Z 75: Fremdwährungskredite sind effektiv, das heißt in der Währung zurückzuzahlen, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat.
[3] Ursprünglich hatten die Kläger mit der Beklagten einen endfälligen Kredit mit Tilgungsträger vereinbart. Über Wunsch der Erstklägerin wurde der Vertrag dann am 1. 9. 2008 geändert, stattdessen wurde eine Rückzahlung in 91 vierteljährlichen gleichbleibenden, aus Zinsen und Kapitaltilgung bestehenden, Raten in Euro vereinbart. Mit 31. 5. 2017 wurde außerdem eine Erhöhung des Ratenbetrags, wiederum in Euro, vereinbart. Die Abrechnung des Kreditkontos, einschließlich der Gutschriften der Ratenzahlungen, erfolgte jedoch jeweils in Schweizer Franken.
[4] Ab dem Jahr 2010 (22. 11. 2010) bis zuletzt 2019 (20. 3. 2019) wurden die Kläger in mehreren Informationsgesprächen mit der Beklagten auf die negative Wechselkursentwicklung hingewiesen. Es wurde mit ihnen die Möglichkeit besprochen, den Kredit in Euro zu konvertieren. Dies lehnten die Kläger jedesmal ab. Die Kläger haben jeweils Kontoauszüge erhalten, in denen der Kreditbetrag in Franken und daneben in Euro angegeben war.
[5] Die Kläger begehrten die Feststellung der Nichtigkeit, in eventu die Aufhebung des Kreditvertrags. Sie beanstandeten mehrere Klauseln zu Kontoführungsspesen, Sicherstellungen und Konvertierungsentscheidungen als gröblich benachteiligend. Da ein Ersetzen durch dispositives Recht unzulässig sei, wäre der Vertrag deshalb nicht wirksam zustandegekommen.
[6] Im Übrigen seien keinerlei Wechselkurse im Kreditvertrag vereinbart worden. Ohne eine solche Vereinbarung könne ein Fremdwährungskreditvertrag nicht bestehen; mangels rechtswirksamer Einigung sei der Vertrag daher nichtig. Tatsächlich sei vereinbart worden, dass der Kredit in Pauschalraten in Euro zurückbezahlt werde. Bei jeder Zahlung einer Pauschalrate hätte die Beklagte den einbezahlten Eurobetrag in Franken umgerechnet und hätte dabei den Wechselkurs einseitig ohne Zustimmung der Kläger festgesetzt und den dabei angewendeten Wechselkurs jederzeit einseitig abändern können. Der Vertrag sei daher letztlich als Ganzes unwirksam.
[7] DieBeklagte wendete ein, sämtliche Klauseln seien gesetzeskonform; sie könnten aber auch selbst bei deren Wegfall keine Gesamtnichtigkeit des Vertrags begründen. Die Kläger hätten Fremdwährung geschuldet, die Rückführung des Kredits hätte in der jeweiligen ausgenützten Währung zu erfolgen gehabt und daher sei der zur Begleichung der Schuld erforderliche Betrag zum dann geltenden Tageskurs zu konvertieren gewesen. Im Übrigen hätten die Kläger dafür eigene Devisen verwendet. Die Kläger seien auch umfassend informiert und beraten worden. Im Besonderen seien die Kläger über das Risiko einer zusätzlichen Rückzahlungsbelastung im Gefolge des Devisenkursrisikos aufgeklärt worden und sei vereinbart worden, dass auch das Devisenkursrisiko ausschließlich von den Klägern getragen werde. Trotz zahlreicher Hinweise über die weiteren Jahre hätten die Kläger sich für den Weiterverbleib in der fremden Währung entschieden. Das Klagebegehren sei damit rechtsmissbräuchlich, zumal die Kläger in den Genuss der mit einer Fremdwährungsfinanzierung verbundenen Vorteile, im Besonderen den Zinsvorteil, gekommen seien und es ihre Entscheidung gewesen sei, nicht in Euro zu konvertieren. Nunmehr würden sie versuchen, das Wechselkursrisiko auf die Beklagte zu überwälzen und wollten auch ihrer Verpflichtung zur Verzinsung des Kreditbetrags nicht nachkommen.
[8] Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualklagebegehren ab. Sämtliche beanstandeten Klauseln könnten nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags führen und wären daher nicht gesondert zu prüfen. Die Vereinbarung im Kreditvertrag, einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit bis zum Gegenwert von 230.000 EUR ohne eine Vereinbarung eines Wechselkurses zur Verfügung zu stellen, führe auch nicht zur Nichtigkeit des Kreditvertrags. Hier sei die fremde Währung (auch) die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers. Habe er seine Zahlungen in der vereinbarten Fremdwährung zu leisten, so müsse er sich diese zuvor – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – beschaffen. Es müsse daher der Wechselkurs nicht festgelegt oder umschrieben werden, weil die Kläger auch berechtigt gewesen wären, in Schweizer Franken zu zahlen und sie sich dafür an anderer Stelle zu beschaffen.
[9] Das Berufungsgericht änderte das Urteil über Berufung derKläger unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 51/21z im klagsstattgebenden Sinn ab. Da im Kreditvertrag kein bestimmter Wechselkurs angegeben sei, fehle es an den essentialia negotii. Wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots sei damit zwischen den Streitteilen gar kein Kreditvertrag zustandegekommen. Das Hauptbegehren der Kläger sei damit berechtigt. Die spätere Vertragsänderung von der urspünglichen Endfälligkeit auf eine gleichbleibende ratenweise Tilgung in Euro vermöge daran nichts zu verändern, weil das Klagebegehren auf Feststellung der Nichtigkeit des ursprünglichen Kreditvertrags gerichtet sei. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil neben der Entscheidung 6 Ob 51/21z noch keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
[10] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Die Kläger beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil dem Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
[13] 1. Im vorliegenden Fall war der Wille beider Parteien bei Abschluss des Kreditvertrags im Jahr 2006 auf einen echten (endfälligen) Fremdwährungskredit in Schweizer Franken gerichtet (Schweizer Franken auf Ihrem Konto Nr. *). Ein solcher liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Grundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (4 Ob 208/21y [Rz 7]; 2 Ob 54/22p [Rz 7] jeweils mwN).
[14] 2. Der CHF war daher auch die „ausgenützte Währung“, in der die Kläger den Kredit grundsätzlich (auch in Übereinstimmung mit Z 75 der AGB) rückzuführen gehabt hätten. Dies war den Klägern nach den Feststellungen ebenso bewusst wie das damit verbundene Risiko. Es wurde überdies besprochen, dass der damals geltende Wechselkurs nicht in den Vertrag mit aufgenommen werde; sie haben damit auch offenkundig das Vorliegen eines ausreichend bestimmten Kreditvertrags akzeptiert (vgl 4 Ob 208/21y [Rz 15]). Der Wille der Kläger war damit darauf gerichtet, das Wechselkursrisiko zu Schweizer Franken zu tragen. Sie wurden über das damit verbundene Risiko belehrt und lehnten in der Folge trotz mehrfacher Hinweise auf die Wechselkursentwicklung eine Konvertierung ihres Kredits ab. Da die Kläger auch jeweils Kontoauszüge erhalten haben, in denen der Kreditbetrag in Franken und daneben in Euro angegeben war, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Kläger die von der Beklagten zugrundegelegten Wechselkurse kannten und dennoch eine Fortsetzung des Kreditverhältnisses wünschten. Dies entsprach auch zweifellos ihrer Interessenlage, wäre doch andernfalls eine sofortige Rückzahlung der zugezählten Kreditvaluta zuzüglich 4 % Zinsen (§ 1000 Abs 1 ABGB) erforderlich gewesen (4 Ob 208/21y [Rz 10] mwN).
[15] 3. Allfällige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wechselkurses bei der Zuzählung des Kredits führen nicht zur Ungültigkeit des gesamten Vertrags wegen mangelnder Bestimmtheit, wenn durch die zeitnahe Information des Kunden über den zugrunde gelegten Franken-Betrag ausreichende Bestimmtheit eingetreten ist (2 Ob 54/22p [Rz 12]). Hier haben die Kläger auch noch im Rahmen einer späteren Vertragsänderung die Rückzahlung in gleichbleibenden – aus Zinsen und Kapitaltilgung bestehenden – Raten in Euro vereinbart. Die Abrechnung des Kreditkontos, einschließlich der Gutschriften der Ratenzahlungen, erfolgte jedoch jeweils in Schweizer Franken und blieb durch die Kläger unbeanstandet. Könnten die Kläger sich nun auf die (ursprüngliche) Unbestimmtheit des Kreditbetrags berufen, so könnten sie das nach den Feststellungen bewusst übernommene Wechselkursrisiko nachträglich auf die Bank abwälzen. Dies wäre vom Zweck des Bestimmtheitserfordernisses nicht gedeckt. Die Berufung auf eine solche Nichtigkeit dient nämlich einem völlig anderen Zweck als die Norm, deren Absicherung die Nichtigkeitssanktion bezweckt: Das Verbot der (willkürlichen) einseitigen Festsetzung des Entgelts soll den Vertragspartner vor den damit verbundenen Gefahren schützen, ihm aber nicht ermöglichen, sich von der Tragung eines von ihm bewusst und fehlerfrei übernommenen Risikos (hier: des Wechselkursrisikos) zu lösen (4 Ob 208/21y [Rz 12]; 2 Ob 54/22p [Rz 11]).
[16] 4. Die von den Klägern genannten Gründe führen daher nicht zur (Gesamt‑)Nichtigkeit des Kreditvertrags, ebensowenig zu dessen Aufhebung.
[17] 5. Der Revision der Beklagten war damit im Sinn des gestellten Abänderungsantrags Folge zu geben.
[18] 6. Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren beruht auf § 50 iVm § 41 ZPO.
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