OGH 4Nc31/22d

OGH4Nc31/22d14.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen C*, geboren am * 2005, und A*, geboren am * 2007, AZ 234 Pu 138/10t des Bezirksgerichts Graz-Ost, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040NC00031.22D.1214.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 12. September 2022, GZ 234 Pu 138/10t-47, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache betreffend die minderjährige A* an das Bezirksgericht Favoriten wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

 

Begründung:

[1] Beide Geschwister waren bisher im Sprengel des Bezirksgerichts Graz-Ost aufhältig. Seit 23. 5. 2022 lebt die minderjährige A* dauerhaft bei ihrer Mutter in Wien im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten. Daraufhin hat das bisher zuständige Bezirksgericht Graz-Ost mit rechtskräftigem Beschluss vom 12. 9. 2022 die Übertragung der Zuständigkeit hinsichtlich der mj A* an das Bezirksgericht Favoriten ausgesprochen.

[2] Das Bezirksgericht Favoriten hat mit Verfügung vom 7. 11. 2022 den Akt dem Bezirksgericht Graz-Ost retourniert, weil die Zweckmäßigkeit der Übertragung hinsichtlich lediglich eines Kindes nicht erkennbar sei. Die gesamte Pflegschaftssache sei bisher beim Bezirksgericht Graz-Ost anhängig gewesen, weshalb dieses Gericht auch über besondere Sachkenntnis verfüge. Das Pflegschaftsverfahren hinsichtlich der mj A* sei überdies in der „Endphase“, weil die Minderjährige im Juli 2025 volljährig werde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Das Bezirksgericht Graz-Ost legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor.

[4] 1.1. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). Dabei nimmt die Rechtsprechung an, dass der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch jenes Gericht gewährleistet wird, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RIS-Justiz RS0047300).

[5] 1.2. Eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder aus einer Partnerschaft soll tunlich vermieden werden, weil bei Geschwistern Maßnahmen oft aufeinander abzustimmen sein werden und Informationen aus der einen Pflegschaftssache auch für die andere bedeutsam sind (vgl 4 Nc 9/13f).

[6] 2.1. Im vorliegenden Fall sind aber weder offene Anträge, noch beide Minderjährige gleichermaßen betreffende Angelegenheiten ersichtlich. Im Gegenteil: die mütterliche Großmutter hat sich bereits erkundigt, wann die Akten betreffend A* an das Bezirksgericht Favoriten übertragen werden, zumal sie dort einen Antrag auf alleinige Obsorge für diese stellen möchte.

[7] 2.2. Es hat daher bei der allgemeinen Regel zu bleiben, dass das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung und daher das Gericht besser zur Führung des Verfahrens geeignet ist, in dessen Sprengel das Kind seinen Wohnsitz oder (gewöhnlichen) Aufenthalt hat (10 Nc 2/20f). Der Übertragungsbeschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost ist daher zu genehmigen.

Stichworte