OGH 2Ob189/22s

OGH2Ob189/22s22.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O*, vertreten durch Dr. Josef Deimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.680 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. August 2022, GZ 1 R 72/22y‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00189.22S.1122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verbrauchergerichtsstands nach Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO und wiesen die Klage zurück.

[2] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Unionsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RS0117100). Eine solche liegt hier allerdings aus folgenden Erwägungen nicht vor:

[4] 2. Der Begriff des „Ausrichtens“ iSd Art 17 Abs 1 lit c 2. Alternative EuGVVO erfasst alle auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichteten absatzfördernden Handlungen; für die zu fordernde Zielgerichtetheit der Tätigkeit des Unternehmens reicht ein bloßes „doing business“ aber nicht aus (RS0125252). Der Gewerbetreibende muss vor dem möglichen Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen (RS0128704).

[5] Nach der Rechtsprechung des EuGH bilden bei Beurteilung des Internetauftritts eines Gewerbetreibenden beispielsweise der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Verwendung einer anderen Top-Level-Domain als derjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft Anhaltspunkte für ein „Ausrichten“ der Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Hingegen ist die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers im Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers nicht ausreichend (C‑585/08 und C‑144/09 , Pammer/Schlüter ua,ECLI:EU:C:2010:740, Rn 80 ff; RS0125001 [T2]). Die Aufnahme von Fernkontakt und der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz (EuGH C‑190/11 , Mühlleitner/Yusufi, ECLI:EU:C:2012:542, Rn 44) können ebenso Anhaltspunkte für ein Ausrichten auf den Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers sein wie der Sitz des Gewerbetreibenden in einem grenznahen Ballungsraum oder die Verwendung einer vom Mitgliedstaat des Verbrauchers zugeteilten Telefonnummer durch den Gewerbetreibenden (EuGH C‑218/12 , Emrek/Sabranovic, ECLI:EU:C:2013:666, Rn 30).

[6] 3. Die Beklagte verwendet für ihre Homepage neben der Top-Level-Domain .cz auch die Top-Level-Domain .eu, wobei bei Aufruf Letzterer ein Weiterleiten auf Erstere erfolgt. Die Homepage ist grundsätzlich in tschechischer Sprache gehalten, wobei ein einziger, den Tätigkeitsbereich der Beklagten allgemein umschreibender Abschnitt (auch) in Englisch und Deutsch verfügbar ist. Die Telefonnummer der Beklagten wird auf der Homepage mit internationaler Vorwahl angeführt. Wenn das Rekursgericht diese Sachverhaltselemente als nicht ausreichend für ein „Ausrichten“ auf den Wohnsitzstaat des Klägers – also Österreich – ansah, stellt dies unter Beachtung der Herkunft des für den Erfolg ihres Geschäftsmodells zentralen Geschäftsführers der Beklagten (Bayern), die auch der Grund für den kurzen deutschen Text auf der Homepage war, und des Umstands, dass 80 % der Kunden der Beklagten aus Tschechien sowie 20 % aus Deutschland stammen, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

[7] 4. Dem für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verbrauchergerichtsstands beweispflichtigen Kläger (5 Ob 18/15f Punkt 4.) ist der Nachweis misslungen, dass der Beklagten die ohne Zahlung eines Entgelts und ohne deren Wissen oder Willen erfolgten Einschaltungen in (österreichischen) Medien zurechenbar wären (EuGH C‑585/08 und C‑144/09 Rn 89; 5 Ob 18/15f Punkt 4. mwN).

[8] 5. Da die Vorinstanzen das Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf Österreich vertretbar verneint haben, bedarf es keiner näheren Prüfung der Hilfsbegründung.

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