OGH 6Ob168/22g

OGH6Ob168/22g18.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*, vertreten durch Dr. Stefan Wurst und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W*, vertreten durch Dr. Christopher Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen 887,83 EUR und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 24. Mai 2022, GZ 3 R 69/22i‑24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 24. Februar 2022, GZ 5 C 198/21h‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00168.22G.1118.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Rechtsvorgänger der Beklagten vereinbarte im Jahr 1919 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dass er dieser den für den Bau einer Wasserkraftanlage notwendigen Grund ins Eigentum übertrage und seine mit Wasserkraft betriebene Mühle stilllege. Als Gegenleistung war unter anderem die kostenlose Bereitstellung eines Elektromotors sowie der zu dessen Betrieb erforderlichen elektrischen Energie vereinbart. Im Jahr 1927 schlossen diese Parteien über die aus der Grundabtretung resultierenden wechselseitigen Rechte und Pflichten eine neue Vereinbarung ab, deren Auslegung zwischen den Streitteilen strittig und Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

[2] Das Berufungsgericht hat nachträglich die Revision zugelassen, weil die Frage der Verrechnung der Elektrizitätsabgabe und des Netzentgelts für den Teil des unentgeltlichen Strombezugsrechts über den gegenständlichen Rechtsstreit hinaus von Relevanz sei und oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Revision der Beklagten ist jedoch entgegen diesem Ausspruch mangels aufgezeigter erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[4] Sowohl die Revisionswerberin als auch das Berufungsgericht relevieren als Gründe für die Zulässigkeit der Revision nämlich lediglich Fragen der Vertragsauslegung im Einzelfall, denen jedoch – außer bei hier nicht vorliegender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht – regelmäßig keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0042776 [T1] ua).

[5] 1. Elektrizitätsabgabe

[6] 1.1. Zur Zeit der zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile in den Jahren 1919 und 1927 abgeschlossenen Vereinbarungen über die Einräumung von kostenlosen Stromlieferungen als Ablöse für die Stilllegung von Wasserkraftanlagen existierte die Elektrizitätsabgabe noch nicht. Diese wurde erst mit dem Elektrizitätsabgabegesetz (BGBl I 1996/201) mit 1. 6. 1996 eingeführt. Die ursprünglichen Vertragsparteien konnten daher diese Abgabe nicht bedenken. In ergänzender Vertragsauslegung ist somit unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RS0017758).

[7] Nach § 3 Abs 1 Z 2 leg cit ist im hier vorliegenden Fall des § 1 Abs 1 Z 2 leg cit (Verbrauch von elektrischer Energie) Abgabenschuldner derjenige, der die elektrische Energie verbraucht, hier also die Beklagte.

[8] Der Rechtsvorgänger der Beklagten konnte den zum Betrieb des Motors beigestellten Strom nicht nur für die abgelöste Mühle, sondern auch für andere landwirtschaftliche Zwecke nutzen.

[9] Angesichts dieser Umstände hätten redliche und vernünftige Parteien vereinbart, dass der Strombezieher (jetzt die Beklagte) die Elektrizitätsabgabe trage.

[10] 1.2. Den (günstigeren) Steuersatz nach § 4 Abs 3 leg cit können Eisenbahnunternehmen für Bahnstrom in Anspruch nehmen, den sie aus anderen als erneuerbaren Primärenergieträgern selbst erzeugt haben und soweit dieser Bahnstrom zum Antrieb und Betrieb von Schienenfahrzeugen von ihnen selbst verwendet wird (vgl auch § 2 Abs 1 Z 5 leg cit). Diese Voraussetzungen treffen auf den Strombezug durch die Beklagte nicht zu.

[11] 2. Das Berufungsgericht hat nicht – wie das Rechtsmittel behauptet – nur in der (aus Angst vor Abschaltung der Stromlieferung erfolgten) Bezahlung der von der Klägerin vorgeschriebenen Beträge durch die Beklagte deren Zustimmung zur Tarifumstellung gesehen. Es hat vielmehr, davon unabhängig, ausgeführt, die Beklagte habe einer Tarifumstellung nicht widersprochen. Damit bezog es sich erkennbar auf die erstgerichtlichen Feststellungen zur Stromtarifänderung durch die Klägerin, wovon diese die Beklagte mit Schreiben vom 24. 4. 2002 verständigte und wogegen ein Widerspruch der Beklagten nicht feststellbar war. Dass – wie das Erstgericht ausführte – diese Änderung im Einklang mit § 6 Abs 1 Z 2 KSchG erfolgte und daher wirksam wurde, stellt das Rechtsmittel nicht in Abrede.

[12] 3. Auf die Auslegung des Begriffs „Energie“ im maßgeblichen Vertrag von 1927 kommt es nicht an, weil Gegenstand und Umfang der von der Klägerin geschuldeten Leistung dort nicht mit diesem Wort, sondern mit der Wendung „Strom (Drehstrom 220 Volt, 50 Perioden) im Höchstausmaße von je 4 PS für die Mühlen und von 3 PS für die Stampfe“ umschrieben sind.

[13] 4. Die Verpflichtung zur Zahlung eines „Leitungsentgelts“ ist nicht Gegenstand der Feststellungen. Der der Beklagten verrechnete „Messpreis“ ist Bestandteil der Stromtarifänderung (vgl Punkt 2.) und wird daher von der Beklagten geschuldet. Darüber hinaus handelt es sich dabei offenbar um ein jährlich einmal anfallendes Pauschalentgelt für Zählermiete und Ablesungen (vgl ON 19, 10). Diese von der Klägerin zu erbringenden Leistungen sind aber unabhängig davon, in wessen Eigentum die Stromleitungen stehen.

[14] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 40, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.

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