European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00091.22Z.1115.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB (A./) und des Vergehens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB idF BGBl I 2017/117 (B./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W* und anderen Orten Österreichs als Mitglied einer auf die gewerbsmäßige betrügerische Herauslockung von Kraftfahrzeugen und danach einer Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf durch unbefugten Weiterverkauf spezialisierten Tätergruppierung im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit jeweils unten näher genannten und weiteren abgesondert Verfolgten und jeweils in Kenntnis und in aufgabenteiliger, phasenweiser Umsetzung des gesamten Tatplans
A./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit der vermeintlichen Leasingnehmer, indem er zur Täuschung zum Teil falsche Urkunden, nämlich nicht vom vermeintlichen Aussteller hergestellte Lohn- und Meldebestätigungen sowie Versicherungsdatenauszüge bzw andere, nicht vom vermeintlichen Aussteller stammende Berechtigungsurkunden benutzte, Verfügungsbefugte nachstehender Leasingbanken im Wege von Autovertriebshäusern zu Handlungen verleitet (I./) bzw zu verleiten versucht (II./), welche die Genannten jeweils in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag und in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten (I./) bzw schädigen sollten (II./), und zwar
I./
a./ am 10. März 2020 * R* unter Vorlage gefälschter Arbeits- und Lohnbestätigungen lautend auf seine eigene Person zur Ausfolgung eines VW Touareg im Wert von 15.000 Euro gegen Anzahlung von 3.000 Euro und Einräumung einer Ratenzahlung über den Restkaufpreis;
b./ am 2. Dezember 2020 * W* über telefonische Anbahnung und Übermittlung von Unterlagen der D* GmbH und Dokumenten von * S* zur Ausfolgung an S* und * M* und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der O* Bank eines Mercedes GLE im Wert von 47.500 Euro gegen eine Anzahlung von 4.000 Euro;
c./ am 18. Jänner 2021 * Hö* über telefonische Anbahnung und Übermittlung von Unterlagen der D* Reinigung GmbH zur Ausfolgung an S*, * J* und * Dj* und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der F* GmbH eines BMW 750 im Wert von 63.000 Euro gegen eine Anzahlung von 9.000 Euro;
d./ am 18. Jänner 2021 Hö* über telefonische Anbahnung und Übermittlung von Unterlagen der D* Reinigung GmbH zur Ausfolgung an S*, J* und Dj* und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der F* GmbH eines Audi A6 im Wert von 54.000 Euro gegen eine Anzahlung von 9.000 Euro;
II./ wobei die jeweils beantragte Kreditfinanzierung abgelehnt wurde,
a./ am 15. Jänner 2021 * Re* über telefonische Anbahnung und Übermittlung gefälschter Lohnunterlagen des * Sz* zur Ausfolgung und Vermittlung der Kreditfinanzierung im Wege der Sa* Bank eines Audi A8 im Wert von 26.500 Euro;
b./ am 15. Jänner 2021 * Hör* über telefonische Anbahnung und Übermittlung gefälschter Lohnunterlagen des Sz* zur Ausfolgung und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der O* Bank eines Audi A4 im Wert von 33.490 Euro,
c./ am 15. Jänner 2021 * Mo* über telefonische Anbahnung und Übermittlung gefälschter Lohnunterlagen des Sz* zur Ausfolgung und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der P* Bank eines Mercedes E 220 im Wert von 30.990 Euro;
d./ am 22. November 2020 Mo* über telefonische Anbahnung unter dem „Synonym“ Ma* und Übermittlung von Unterlagen der D* Reinigung GmbH zur Ausfolgung und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der PS* Bank eines BMW 520 d im Wert von 35.500 Euro;
e./ am 13. Jänner 2021 Angestellte der Jo* GmbH über telefonische Anbahnung und Übermittlung gefälschter Lohnunterlagen des Sz* zur Ausfolgung und Veranlassung der Kreditfinanzierung im Wege der O* Bank eines VW Tiguan 2,0 im Wert von 28.900 Euro;
f./ am 26. oder 27. Jänner 2021 Hö* über telefonische Anbahnung und Übermittlung von Geschäftsunterlagen der V* KG zur Ausfolgung im Wege eines Mietkaufs durch die F* GmbH eines Mercedes im Wert von 100.000 Euro;
B./ zwischen 10. März 2020 und Jänner 2021 die Herkunft des unter A./I./a./ genannten Vermögensbestandteils, welcher aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich dem Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB herrührte, verschleiert, indem er im Rechtsverkehr über seine Verfügungsbefugnis und das Recht zur Eigentumsübertragung falsche Angaben machte, wobei er die Tat mit dem Ziel beging, das genannte Fahrzeug erneut in den Wirtschaftskreislauf einzubringen, indem er unter gezielter Verschweigung dessen illegaler Herkunft das Fahrzeug zu einem Preis von zumindest 11.000 Euro an einen nicht mehr feststellbaren Abnehmer verkaufte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die vom Angeklagten auf § 281 Abs 1 Z 1, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde.
[4] Die Besetzungsrüge (Z 1) behauptet Ausgeschlossenheit des Schöffensenats, weil dieser (zusammengefasst) den Beschwerdeführer in dem gegen (den in derselben Anklageschrift angeklagten [ON 105]) * A* – nach Trennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer (ON 178 S 33) – bereits am 4. April 2022 ergangenen Urteil im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) bei drei Betrugsfakten als „Mittäter“ bezeichnet habe (ON 178 S 35 ff [Schuldspruchfakten A./I./e./ bis g./]), wodurch objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Schöffensenats vorlägen.
[5] Nicht schon der Umstand, dass sich Berufs- oder Laienrichter vor der Entscheidung eine Meinung über den Fall gebildet haben, zieht Ausschließung nach sich, sondern erst die fundierte Annahme, dass sie auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt seien, von dieser Meinung abzugehen (RIS‑Justiz RS0096733).
[6] Eine solche Annahme könnte im Fall der (wie hier) vorangegangenen Aburteilung eines Beteiligten dann begründet erscheinen, wenn in jenem früheren Urteil mit Bezug auf die – auch den nunmehrigen Verfahrensgegenstand bildenden – Taten des Angeklagten dessen Schuld in einer Vorverurteilung gleichkommender Weise bewertet wurde. Die Beurteilung, ob die Umstände des Falles insoweit Ausschließung begründen, orientiert sich an der – unter dem angesprochenen Aspekt – zu Art 6 Abs 1 MRK entwickelten (in EGMR 16. 2. 2021, 1128/17, Meng/Deutschland, Rn 48 ff ausführlich dargestellten) Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (zu alldem 13 Os 91/21p = RIS‑Justiz RS0133886).
[7] Fallkonkret war die namentliche Erwähnung des Beschwerdeführers als eine der Personen, mit denen A* „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter“ drei Fahrzeuge betrügerisch herausgelockt haben soll, zur Bewertung der Schuld des Angeklagten A* im über diesen gefällten Urteil (ON 178 S 35 ff; ON 179) zwar nicht erforderlich.
[8] Allerdings ist die kritisierte rein illustrative Erwähnung des Beschwerdeführers im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) ohne Konkretisierung der von ihm gesetzten Handlungen nach den Kriterien des Meng‑Urteils nicht geeignet, die Unvoreingenommenheit des Schöffensenats in Zweifel zu ziehen.
[9] Entgegen dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) war das Erstgericht zur Erörterung der Aussage des Zeugen A*, wonach er den Angeklagten (erst) zwei oder drei Tage nach dem 24. November 2020 kennengelernt habe, im Zusammenhang mit dem Schuldspruch zu A./II./d./ (Tatzeitpunkt 22. November 2020) schon deshalb nicht verhalten, als eine Mittäterschaft oder Tatbeteiligung des A* hier gar nicht in Rede steht.
[10] In Bezug auf den Schuldspruch zu A./I./b./ blieb die genannte Zeugenaussage nicht unberücksichtigt (US 25) und steht der festgestellten Täterschaft des Angeklagten – selbst unter der Prämisse, dass dieser am 24. November 2020 zuletzt Kontakt mit dem Verkäufer des Fahrzeugs hatte – nicht entgegen, zumal der Zeuge A* den Urteilsannahmen zufolge für die Organisation der Abholung (US 25) des betrügerisch herausgelockten Fahrzeugs verurteilt wurde.
[11] Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter aus dem Umstand, dass die Zeugin S* nach Belehrung über ihr Aussageverweigerungsrecht gemäß § 157 Abs 1 Z 1 StPO (ON 178 S 19 f) die Beantwortung einzelner Fragen ablehnte, keine beweiswürdigenden Schlüsse gezogen, vielmehr nur deren trotz ihres Aussageverweigerungsrechts gemachten Angaben berücksichtigt (US 19).
[12] Der weiteren aus Z 5 vierter Fall erhobenen Kritik zuwider blieben die Feststellungen zur Absicht des Angeklagten, sich ein fortlaufendes, bei einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen (US 12 f), nicht unbegründet, sondern wurden aus der tristen Einkommens- und Vermögenslage vor dem Hintergrund einer bestehenden Suchtmittelgewöhnung (US 27), der Vielzahl an Angriffen binnen eines Zeitraums von mehreren Wochen (US 26) sowie aus der (nach Ansicht des Erstgerichts „entscheidende Belastungsmomente“ zur subjektiven Tatseite des Angeklagten beinhaltenden [US 26]) Aussage des Zeugen A* gefolgert, wonach der Angeklagte als Vermittler „alles organisiert“ und dabei auch gewusst habe, dass die Autos in Wahrheit unbefugt weiterverkauft werden sollten, und „eben für die Umsetzung dieses Tatplans“ seine „Provision“ erhalten sollte (US 27; vgl ON 232 S 22).
[13] Beim Zitat der Aktenfundstelle in US 24 („ON 179 S 57“) handelt es sich – bei Betrachtung der Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit erkennbar – um einen offensichtlichen Schreibfehler (richtig [Hauptverhandlungsprotokoll] ON 178 S 57), sodass von einem aus Z 5 vierter Fall relevanten Begründungsmangel – weil ein nicht in der Hauptverhandlung vorgekommenes Aktenstück (ON 179) bei der Beweiswürdigung herangezogen worden sei – keine Rede sein kann.
[14] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Schuldspruch B./ geht mit ihrer (der weiteren Argumentation zugrunde gelegten) Behauptung, der Angeklagte habe ein „rein passives Verhalten“ gesetzt, nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (siehe aber RIS‑Justiz RS0099810).
[15] Denn nach den – auf der geständigen Verantwortung des Angeklagten beruhenden – Konstatierungen des Erstgerichts (US 13; vgl auch US 5) täuschte H* im Rechtsverkehr über den Ursprung, das Eigentum oder sonstige Rechte an dem kontaminierten Vermögensbestandteil, seine Verfügungsbefugnis sowie sein Recht auf Eigentumsübertragung, indem er das zu A./I./a./ genannte, (wissentlich) aus einem schweren Betrug (§§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB) herrührende Fahrzeug VW Touareg an einen „nicht mehr feststellbaren“ (vgl allerdings [unjournalisiert] den Polizeibericht zu Faktum 28 in ON 63) unwissenden Abnehmer zu einem Preis von zumindest 11.000 Euro weiterverkaufte und dessen illegale Herkunft im Wege betrügerischer Herauslockung gezielt verschwieg, was er auch wollte. Beim Verkauf an den unwissenden Abnehmer kam es ihm darauf an, das Fahrzeug auf diese Art erneut in den Wirtschaftskreislauf einzubringen.
[16] Weshalb in diesem Verhalten bei gebotener Gesamtbetrachtung und nach der Verkehrsauffassung nicht auch die konkludente Zusicherung gegenüber dem Erwerber, zur Verfügung über das Fahrzeug und zur Eigentumsübertragung berechtigt zu sein, zu erblicken ist und fallkonkret die den Verkäufer treffende strikte Wahrheitspflicht im Rechtsverkehr über die Herkunft des Vermögensbestandteils nicht verletzt worden sein soll (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 165 Rz 17; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 Update 2020 § 165 Rz 18), erklärt die Rüge nicht.
[17] Die gegen Schuldspruch A./ gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) legt nicht dar, weshalb die Unterstellung (gemeint offenbar) der beiden (bezogen auf den Tatzeitpunkt frühesten) Schuldspruchfakten A./I./a./ und A./II./d./ (auch) unter den Qualifikationstatbestand des § 148 zweiter Fall StGB mit Blick auf die nach § 29 StGB (zwingend) zu bildende Subsumtionseinheit rechtsfehlerhaft sein sollte, und ist zudem – weil sie letztlich auf einen Schuldspruch zusätzlich auch wegen des Vergehens des schweren Betrugs abzielt – nicht zum Vorteil des Nichtigkeitswerbers ausgeführt.
[18] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die Wertung der vier einschlägigen Vorstrafen bei der Strafbemessung als erschwerend nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil die Voraussetzung des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB erfüllt ist (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 21). Die Tatwiederholung wurde explizit nur in dem über die zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB übersteigenden Ausmaß als schuldaggravierend herangezogen (US 35; vgl RIS‑Justiz RS0091375 [T6]).
[19] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[20] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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