European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:504PRA00027.22P.1110.000
Rechtsgebiet: Undefined
Spruch:
Der Präsident des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer ist in diesem Disziplinarverfahren ausgeschlossen.
Begründung:
Nach Bestellung eines Untersuchungskommissärs wurde gegen den Disziplinarbeschuldigten unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer am 24. Oktober 2022 ein Einleitungsbeschluss gefasst. Dem liegt der Verdacht zugrunde, der Disziplinarbeschuldigte habe am 15. Februar 2022 einen von ihm vertretenen Ehemann dabei unterstützt, die Mitarbeiterin eines Frauenhauses entgegen einem gegen den Ehemann verhängten Betretungs- und Annäherungsverbot zur Bekanntgabe des Aufenthaltsortes der Tochter des Ehemanns zu bewegen. Dabei sei er ungehalten und insistierend aufgetreten und habe erklärt, er werde seinem Mandanten seine Einschätzung mitteilen, dass sich dessen Tochter im Frauenhaus aufhalte und habe ihm geraten, zum Frauenhaus zu gehen.
Rechtliche Beurteilung
Der Präsident des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, der als Vorsitzender in der abzuhaltenden Disziplinarverhandlung berufen wäre, zeigte seine Ausgeschlossenheit an, die er damit begründete, dass der Disziplinarbeschuldigte ihn bereits mehrfach angezeigt hätte; er selbst habe Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft * erstattet. Es bestehe daher nicht nur der Anschein der Befangenheit, er halte sich auch selbst für befangen.
Die Anzeige der Ausgeschlossenheit, über die gemäß § 26 Abs 5 Satz 2 DSt die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden hat, ist berechtigt.
Zur Annahme einer Befangenheit genügt grundsätzlich schon der Anschein, Organe des Disziplinarrats könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten. Ein solcher Anschein setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, das Entscheidungsorgan könnte sich aus persönlichen Gründen bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen. Befangenheit ist entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeter Weise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen können (23 Ns 1/16y mwN),
Im vorliegenden Fall wurden konkrete Umstände dargetan, die schon aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken könnten, der Präsident des Disziplinarrats könnte sich von anderen als bloß sachlichen Erwägungen leiten lassen. Da überdies hier auch der Vorsitzende selbst von seiner Befangenheit ausgeht, ist seine Ausgeschlossenheit festzustellen. Es liefe dem Interesse der Parteien an einem objektiven Verfahren zuwider, wenn ihre Angelegenheit von einem Richter entschieden würde, der selbst Bedenken dagegen äußert, eine unvoreingenommene Entscheidung treffen zu können (RS0045943 [T5]).
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