OGH 2Ob190/22p

OGH2Ob190/22p25.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, gegen die beklagten Parteien 1. B*, 2. B*, 3. S*, und 4. B*, alle vertreten durch Dr. Schilchegger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Anif, wegen jeweils 5.750 EUR sA über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. Juli 2022, GZ 4 R 106/22y‑16, mit dem einer Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. April 2022, GZ 20 Cg 9/21i‑12, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00190.22P.1025.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien ihre mit jeweils 446,83 EUR (darin enthalten 74,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die 2018 verstorbene Erblasserin hinterließzwei Kinder, die Klägerin und einen 2020 verstorbenen Sohn, der seinerseits vier Kinder, die Beklagten, hinterlässt.

[2] Mit Notariatsakt vom 21. 6. 1994 schenkten die Erblasserin und ihr Ehemann ihrem Sohn eine jeweils in ihrem Hälfteeigentum stehende – mittlerweile versteigerte – Liegenschaft auf den Todesfall. Das den Hälfteanteil der Erblasserin repräsentierende Realisat aus der Versteigerung befindet sich im Nachlass.

[3] Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des Beschenkten gestützt auf §§ 789 ff ABGB idFd ErbRÄG 2015 die Zahlung ihres Schenkungspflichtteils.

[4] Das Erstgericht wandte aufgrund des Ablebens der Erblasserin nach dem 31. 12. 2016 die Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 an (§ 1503 Abs 7 Z 2 ABGB) und wies die Klage ab. Da der Nachlass nicht überschuldet sei und die Beklagten das Geschenk bzw dessen Surrogat noch nicht erhalten hätten, scheide ihre Haftung als Geschenknehmer aus.

[5] Das Berufungsgericht gab einer Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ging aufgrund des Errichtungszeitpunkts der Schenkung auf den Todesfall davon aus, dass deren pflichtteilsrechtlichen Auswirkungen nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilen (§ 1503 Abs 7 Z 5 ABGB) und die Beschenkten daher als Vermächtnisnehmer zu behandeln seien, die zur Deckung der Pflichtteile beizutragen hätten.Die Erben seien zur verhältnismäßigen Legatskürzung und bei bereits erfolgter (ungekürzter) Ausfolgung zur bereicherungsrechtlichen Rückforderung berechtigt. Da die Beklagten noch keinen Geldbetrag erhalten hätten, scheide ein Bereicherungsanspruch der Klägerin aus. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zur Auslegung der Übergangsbestimmung des § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision der Klägerin, mit der sie unter Hinweis auf § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB die Anwendung der §§ 789 f ABGB idFd ErbRÄG 2015 anstrebt, ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[7] 1. Das Erstgericht gründet die Abweisung der Klage – wie auch von der Klägerin in ihrer Berufung erkannt – einerseits darauf, dass der Nachlass wegen einer Forderung gegen die Klägerin nicht überschuldet sei (und daher zur Pflichtteilsdeckung ausreiche). Andererseits hätten die Beklagten das Geschenk noch gar nicht erhalten, sodass sie die in § 789 ABGB angeordnete Sachhaftung nicht treffe. Die Klägerin wendet sich sowohl in ihrer Berufung als auch in ihrer Revision nun ausschließlich gegen die (rechtsvernichtende) Annahme, die subsidiäre Haftung der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des Beschenkten werde mangels Überschuldung des Nachlasses nicht schlagend.

[8] 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt der Grundsatz, dass bei der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung die materiell‑rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen ist (RS0043352), dann nicht, wenn der Klagsanspruch oder der Antrag auf Klagsabweisung auf mehrere selbstständige rechtserzeugende oder rechtsvernichtende Tatsachen gestützt wird und sich die Rechtsausführungen des Rechtsmittels nur auf einzelne dieser Tatsachen beziehen (RS0043352 [T31; T34]).

[9] Da die Klägerin die (von einer Nachlassüberschuldung unabhängige, anspruchsvernichtende) Rechtsansicht, die Sachhaftung der Beklagten nach § 789 ABGB idgF scheitere schon daran, dass sie die geschenkte Sache bzw deren Surrogat noch nicht erhalten hätten, sowohl in ihrer Berufung als auch in ihrer Revision unbekämpft lässt, ergibt sich schon ausgehend von dieser unbeanstandet gebliebenen und daher nicht mehr zu überprüfenden rechtlichen Beurteilung die mangelnde Berechtigung des Klagebegehrens auch nach der Rechtslage des ErbRÄG 2015.

[10] 3. Ob der Anwendungsbereich des § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB, der die Anwendung des § 603 ABGB erst auf nach dem 31. 12. 2016 errichtete Schenkungen auf den Todesfall vorsieht, im Hinblick auf § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB und die Berücksichtigung der Schenkung auf den Todesfall im Pflichtteilsrecht auf die Gültigkeitserfordernisse und den Verweis auf § 1253 ABGB teleologisch zu reduzieren ist und sich daher die pflichtteilsrechtlichen Auswirkungen einer davor errichteten Schenkung bei Tod des Erblassers nach dem 31. 12. 2016 nach neuem Recht („Vertragslösung“) richten (so Tschugguel in Klang³ § 603 ABGB Rz 22; Welser, Erbrechts-Kommentar § 603 ABGB Rz 22; Fischer-Czermak in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge² § 20 Rz 24 ff; dieselbe, EF‑Z 2016, 228 [232]; aA aber Schauer, ÖJZ 2017, 53 [60 f]; Bruckbauer,iFamZ 2017, 397), bedarf im vorliegenden Fall daher keiner Klärung, sodass die Revision zurückzuweisen war.

[11] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296). Ihnen steht aufgrund der gemeinsamen Prozessführung und ihres gleichen Anteils am Streitgegenstand Ersatz nach Kopfteilen zu (M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 46 ZPO Rz 2).

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