OGH 11Os72/22f

OGH11Os72/22f27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Turner als Schriftführer in der Strafsache gegen * L* wegen des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 Abs 1, Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 13. Mai 2022, GZ 19 Hv 60/21z-642, weiters über die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen einen Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00072.22F.0927.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * L* des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 [Abs 1], Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB sowie jeweils eines Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall (II./) und § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (III./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und andernorts

„I./ von 1. September 2015 bis 25. August 2018 im ′International Common Law Court of Justice Vienna (ICCJV)′, [an] einer Verbindung, der sich international zumindest 353 Mitglieder angeschlossen haben und die über eine auf Dauer, nämlich von ihrer Gründung am 19. Juni 2014 bis zumindest 2. August 2018, angelegte, hierarchisch organisierte und arbeitsteilige Struktur in Form der Generaldirektion mit dem ′General Director′ * S*, des ′High Council′ als höchstem Organ des ICCJV, bestehend aus den gewählten Vertretern des ′International Board of Court Direction′ und den Rechtspersönlichkeiten der ′IIA (International Intelligence Agency)′, ′ISA (International Sheriff Association)′, ′IRO (International Right Organisation)′ und ′IRC (International Right Commision)′ sowie der Landesorganisationen des ICCJV, etabliert in Österreich, Deutschland, Tschechien, Slowakei, Italien, Frankreich, Schweiz und Estland, mit ′National Court Director′, ′National Clerk of the Court′, ′National Court Secretary′, ′National Court Officer′, ′Regional Court Director′, ′Regional Clerk of the Court′, ′Regional Court Secretary′, ′Regional Court Officer′, ′Regional Justice of the Peace′, ′Major Chief Sherif′, ′Chief Sheriff′ und ′Deputy Sheriff′, verfügt, deren – wenn auch nicht ausschließlicher Zweck – es ist, auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch Etablierung von ′Pseudogerichtshöfen′, die in Form von an ordentliche Strafverhandlungen angelehnten 'Verhandlungen' mit Hilfe von selbsternannten ′Sheriffs′ Selbstjustiz üben, bei denen staatliche Entscheidungsträger, Politiker, Beamte, Richter, und Privatpersonen entführt und gefangengehalten und ′verurteilt′ hätten werden sollen, somit durch systematische Verletzung von staatlichen Vorschriften, weiters durch Gewalt und gefährliche Drohung mit Gewalt, die ordentliche Gerichtsbarkeit, somit eine verfassungsgemäße Einrichtung der Republik Österreich, zu erschüttern, indem dieser Einrichtung die Legitimation aberkannt werden und sie durch einen von der Verbindung eingerichteten Gerichtshof, nämlich den ′International Common Law Court of Justice Vienna (ICCJV)′, ersetzt werden sollte, teils sich führend betätigt und diese staatsfeindliche Verbindung teils mit Geldmitteln und teils sonst in erheblicher Weise unterstützt, indem er

• als ′ISA President′ und ′Chief Financial Officer (CFO)′ in Führungsentscheidungen des ′ICCJV′ maßgeblich involviert war,

• selbst Entscheidungen, wie insbesondere den Beschluss über die internationale Durchführung der Beitrittserklärungen und Ratifizierungsurkunden zu Völkerrechtsverträgen und internationalen Abkommen vom 7. Oktober 2017, den Beschluss zur Durchführung der internationalen Proklamation der Stempel und Siegel des ′ICCJV′ sowie des Seal Book und des General Court Book des ′ICCJV′ vom 7. Oktober 2017, traf und sich an der Bearbeitung von Fällen, die an den ′ICCJV′ herangetragen wurden, beteiligte und in diesem Zusammenhang an der Verfassung juristischer Schreiben mitarbeitete,

• maßgeblich beim Aufbau des ′ICCJV′ mitwirkte und dessen Ausbau förderte,

• den ′ICCJV′ mit EUR 50.000,00 aus seinem Privatvermögen unterstützte,

• als Finanzverwalter der staatsfeindlichen Verbindung ′ICCJV′ tätig wurde und als solcher Vermögenswerte für den ′ICCJV′ erhielt und verwaltete und,

• sich in seiner Funktion als ′Chief Sheriff′ dem ′ICCJV′ als ′Schutz- und Exekutivorgan′ zur Verfügung stellte;

II./ seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis zum 2. Oktober 2018, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe im Sinne des § 17 Abs 1 Z 1 WaffG, nämlich eine 5.000 Volt Elektroschocker-Taschenlampe, unbefugt besessen und

III./ durch die zu Punkt II. näher beschriebene Tat eine Waffe besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.“

[3] Die Geschworenen haben die in Richtung des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindung nach § 246 [Abs 1,] Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB und der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall und § 50 Abs 1 Z 3 WaffG gestellten Hauptfragen bejaht, die zu Hauptfrage I./ gestellte Zusatzfrage (§ 9 StGB) verneint.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5, 11 lit b und 12 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[5] Die Verfahrensrüge (Z 4) basiert auf der bloßen Spekulation, es könne „nicht ausgeschlossen“ werden, dass „nicht alle Geschworenen entsprechend der gesetzlich für sie vorgesehenen Weise – nämlich durch Leistung der Eidesformel oder durch Handschlag – vereidigt wurden“, und ist schon aus diesem Grund nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Im Übrigen verkennt sie, dass nur das Unterlassen der Beeidigung (iSv § 305 StPO) selbst mit Nichtigkeit bedroht ist, nicht aber, ob bei einzelnen Geschworenen der Leistung des (abverlangten) religiösen Eides aus Gründen ihres (allenfalls fehlenden) religiösen Bekenntnisses oder im Hinblick auf Art 9 Abs 1 MRK Hindernisse entgegenstehen (RIS-Justiz RS0075397; siehe auch RIS-Justiz RS0100621; jüngst 13 Os 13/22v [Rz 12]).

[6] Der weiteren Rüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung eines Antrags, ein „(Privat-)Gutachten“ („Rechtsgutachterliche Kurzstellungnahme“) zur Einordnung des „JCCJV“ welches im „Parallelverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz zu [AZ] 8 Hv 65/21d vorgelegt wurde“ beizuschaffen, Verteidigungsrechte nicht verletzt. Einem solchen Antrag mangelt es nämlich an einer gesetzlichen Grundlage (RIS‑Justiz RS0115646; vgl Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 40 f; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351/2). „Privatgutachten“ sind keine Beweismittel im Sinn der Strafprozessordnung (RIS-Justiz RS0118421 [T1] und RS0115646 [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351 mwN; Danek/Mann, WK-StPO § 222 Rz 5/2). Überdies bezieht die Rüge sich nicht auf einen in der Hauptverhandlung prozessordnungskonform gestellten Antrag, weil eine deutliche und bestimmte Antragstellung entsprechend den Vorgaben des § 55 Abs 1 StPO nicht erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0118060).

[7] Die Rechtsrüge (§ 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO) legt nicht dar, aus welchem Grund angesichts der hier angelasteten Tatzeiträume (ab 1. September 2015) der führenden Beteiligung und der Unterstützung einer staatsfeindlichen Verbindung ein am 1. September 2015 (somit jedenfalls in Bezug auf vor diesem Datum liegende Tatzeiten) eingestelltes Ermittlungsverfahren (Zahl 4 St 107/14v der Staatsanwaltschaft Krems) ein Verfolgungshindernis darstellen sollte.

[8] Die weitere Rüge (Z 12) behauptet einen „Subsumtionsfehler“, weil das Erstgericht verabsäumt hätte, die zu II./ und III./ vorliegende tatbestandliche Handlungseinheit zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen, legt jedoch nicht nachvollziehbar dar, aus welchem Grund entgegen gefestigter Rechtsprechung keine echte Idealkonkurrenz der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG und § 50 Abs 1 Z 3 WaffG vorliegen sollte (RIS-Justiz RS0129796).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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