OGH 14Os89/22b

OGH14Os89/22b27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 31. März 2022, GZ 37 Hv 1/22i‑76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00089.22B.0927.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * M* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 4. September 2021 in I* * H* vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca 8 cm zwei Mal in den Oberbauch stach, wodurch es zu einem Austritt von Dickdarmanteilen und Anteilen des großen Netzes nach außen kam.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 und 7 (nominell, der Sache nach Z 8) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Geschworenen bejahten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und verneinten die nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellte Zusatzfrage. Die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage gestellten Eventualfragen in Richtung der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und nach § 84 „Abs 4, Abs 5 Z 1“ (siehe aber RIS‑Justiz RS0132358 [insb T1]) StGB sowie der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB und der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB blieben folgerichtig unbeantwortet.

[5] Indem die Fragenrüge (Z 6) unter Verweis auf eine Textpassage der Aussage des Zeugen H* (ON 75 S 29) eine Hauptfrage (§ 312 StPO) nach räuberischem Diebstahl (§§ 127, 131 StGB) begehrt, legt sie nicht dar, weshalb – entgegen dem Gesetzeswortlaut (§ 312 Abs 1 erster Satz StPO) – eine vom Anklagesachverhalt (ON 67) abweichende Hauptfrage zu stellen gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0100505; Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 1, 5 f).

[6] Soweit die Rüge das Unterbleiben der Stellung einer Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) kritisiert, weil der Angeklagte, nachdem das Tatopfer „lebend! zusammensackte weggelaufen ist, und er sich weiterer Handlungen gegen H* enthielt“, was auf ein freiwilliges Aufgeben der Tatausführung „hindeute“, zeigt sie prozessordnungswidrig keine die begehrte Fragestellung indizierende Verfahrensergebnisse auf (siehe aber RIS‑Justiz RS0100860; Lässig,WK‑StPO § 313 Rz 5, 8).

[7] Im Übrigen bildet das relevierte Weglaufen von einem „noch lebenden“ Tatopfer, dem vom Angeklagten zuvor zwei zur Öffnung des Bauchraums und zum Austritt von Darmteilen führende kräftige (vgl US 2 iVm ON 75 S 36 ff) Messerstiche gegen den Oberbauch zugefügt wurden, kein ernst zu nehmendes Indiz dafür, der Angeklagte sei im Zeitpunkt des Ablassens vom Tatopfer von der Annahme geleitet gewesen, dass es zur Realisierung des nach § 75 StGB tatbestandsmäßigen Erfolgs noch weiterer Aggressionsakte bedurft hätte, der Versuch sohin noch nicht beendet gewesen wäre (vgl dazu eingehend und mwN für viele 15 Os 98/20f). Ist aber der Versuch beendet, so ist Rücktritt nur durch freiwillige Erfolgsabwendung möglich. Um in einem solchen Fall straflos zu werden, muss der Täter einen contrarius actus setzen, das heißt, er muss die Deliktsvollendung durch eine – hier gar nicht behauptete – gezielte Gegenaktion abwenden, wobei ihm dies auch tatsächlich gelingen muss (zum Ganzen Bauer/Plöchl in WK2 StGB § 16 Rz 157 ff, insbesondere 164, 168; RIS‑Justiz RS0090256).

[8] Die Instruktionsrüge (Z 8, nominell Z 7) moniert das Unterbleiben einer Rechtsbelehrung zum „Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB)“, übersieht aber, dass die Rechtsbelehrung nur insoweit angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die tatsächlich an die Geschworenen gestellt wurden (RIS‑Justiz RS0101091, RS0110682 [T3]).

[9] Mit der weiteren Behauptung „S 5 erster Absatz letzter Satz“ der Rechtsbelehrung, wonach es „keine Rolle spielt aus welchen Gründen es nicht zur Vollendung gekommen ist“ (zur Abgrenzung von Versuch und Vollendung – vgl S 4 f), sei „also insofern unrichtig“ (vgl aber Leukauf/Steininger/Durl/Schütz,StGB4 § 15 Rz 14), gelangt die – nicht an der Gesamtheit der Instruktion orientierte –Rüge nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0119549, RS0100695; Ratz,WK‑StPO § 345 Rz 63 ff).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde, deren nachträgliche Ergänzung (hier: in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur) aufgrund der in § 285 Abs 1 StPO normierten Einmaligkeit der Rechtsmittelausführung im Übrigen unbeachtlich ist (RIS‑Justiz RS0100152), war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Sitzung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[11] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 344, 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte