OGH 5Ob159/22a

OGH5Ob159/22a27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin F*, vertreten durch die TWS Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die Antragsgegnerin M *, vertreten durch Pistotnik & Krilyszyn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 28.000 EUR (§ 27 iVm § 37 Abs 1 Z 14 MRG) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin (Revisionsrekursinteresse: 11.001,10 EUR) gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Juni 2022, GZ 40 R 127/22f‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00159.22A.0927.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist, ob sich die Antragstellerin bei Bezahlung des von ihr mit der Antragsgegnerin vereinbarten Kaufpreises für überlassene Möbel in der Wohnung in Höhe von insgesamt 28.000 EUR in einer Drucksituation befand und daher von einer iSd § 27 Abs 1 Z 1 MRG unzulässigen Ablöse auszugehen ist.

[2] Die Vorinstanzen bejahten dies übereinstimmend. Hinsichlich eines Teilbetrags von 11.001,10 EUR liege eine verbotene Ablöse vor, die die Antragsgegnerin zurückzuzahlen habe. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1. Ungültig und verboten sind gemäß dem hier nach § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG unstrittig anwendbaren § 27 Abs 1 Z 1 MRG Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, dass der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat; unter dieses Verbot fallen nicht die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten oder zum Rückersatz des Aufwands, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 MRG zu ersetzen hat. Nach dem Zweck der Regelung soll verhindert werden, dass der Bestandgegenstand als Vermögenswert gehandelt wird und kein objektiver äquivalenter Leistungsaustausch vorliegt (vgl RIS‑Justiz RS0069778; RS0069842). Die Bestimmung ist nach ihrem Telos dahin einzugrenzen, dass die Leistung des neuen Mieters nur dann als unzulässige Ablöse betrachtet werden kann, wenn dieser noch keine rechtlich gesicherte Position erlangt hat und somit in seiner Willensbildung beschränkt ist (5 Ob 141/17x; 4 Ob 79/18y; 5 Ob 237/20v; vgl auch Pesek in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 27 MRG Rz 15). Dies wird in der Regel jedenfalls dann zutreffen, wenn der Ablöseempfänger noch in der Lage ist, einen Konnex zwischen dem Abschluss des Mietvertrags und der verbotenen Leistung herzustellen (vgl 5 Ob 128/18m; Pesek aaO), ohne aber auf diese Variante beschränkt zu sein. Eine „Drucksituation“ des Neumieters kann daher etwa auch dann noch gegeben sein, wenn der Mietgegenstand nach Vertragsabschluss noch nicht tatsächlich übergeben wurde und der Vermieter mit seinem „Rücktritt“ vom Vertrag oder ähnliches droht oder dem Mieter den Vertrag nur gegen gleichzeitige Unterfertigung einer Verzichtserklärung aushändigt (vgl 5 Ob 193/06b; Pesek aaO). Grundsätzlich ist die Frage nach der Drucksituation nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (5 Ob 141/17x) und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

[5] 2. Der Entscheidung des Fachsenats 5 Ob 128/18m lag zugrunde, dass sich die Antragsgegnerin erst mit Erhalt der Anzahlung von 11.500 EUR für die Einrichtung bereit erklärte, die Antragsteller bei der Genossenschaft als Nachmieter zu nennen. Der Senat ging davon aus, die Leistung sei in Ausnützung des Vermögens- und Seltenheitswerts des Mietobjekts gefordert worden und daher unzulässig iSd § 27 Abs 1 Z 1 MRG. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist vergleichbar, hatte doch auch die Antragstellerin hier lang vor Kündigung des Nutzungsvertrags durch die Antragsgegnerin und Bekanntgabe ihrer Person als Wohnungsnachfolgerin am 31. 10. 2019 bereits am 13. 7. 2019 eine Ablöseanzahlung für das Inventar in Höhe von 2.000 EUR geleistet. Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, diese Anzahlung und die Leistung der unmittelbar nach Kündigung des Vertrags durch die Antragsgegnerin und Präsentation der Antragstellerin als Nachmieterin gezahlten 26.000 EUR seien als einheitliche Ablösezahlung zu verstehen, beanstandet die Revisionsrekurswerberin nicht. Dass jedenfalls diese Ablösevereinbarung vor Erlangung einer rechtlich gesicherten Position durch die Antragstellerin erfolgte, liegt auf der Hand. Nach den Feststellungen war der Antragstellerin an diesem Tag klar, dass die von der Antragsgegnerin geforderte Zahlung Bedingung für die Aufkündigung der Wohnung durch sie und ihre Präsentation als Nachmieterin war. Dies ergibt sich auch aus der am 31. 10. 2019 abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung der Streitteile, wonach die Antragstellerin der Antragsgegnerin bei Kündigung der Wohnung am 31. 10. 2019 26.000 EUR in bar für die Möbel zu übergeben hat, wobei die Antragstellerin nach der Vereinbarung der Antragsgegnerin schriftlich Bescheid zu geben hatte, dass die vereinbarte Geldsumme bereit steht. Wenn die Vorinstanzen auf Basis dieser Vertragslage von einem Konnex zwischen der Zahlung (auch) des Restbetrags von 26.000 EUR und der Kündigungserklärung (samt Präsentation der Antragstellerin als Nachmieterin) ausgingen, ist dies daher nicht zu beanstanden.

[6] 3. Dass die Antragstellerin den Nutzungsvertrag mit der GBV erst am 20. 1. 2020, also Monate nach Zahlung des Ablöserestbetrags unterzeichnete und die Schlüssel erst am 25. 1. 2020 übergeben wurden, bestreitet die Revisionsrekurswerberin nicht. Mit diesem Zeitpunkt mag die Zwangslage für die Antragstellerin weggefallen sein. Davon auszugehen, zum Zeitpunkt der Zahlung des Restbetrags anlässlich des Termins am 31. 10. 2019, die nach den Feststellungen zehn bis maximal 30 Minuten nach der Unterfertigung des Kündigungsschreibens durch die Antragsgegnerin und die Bekanntgabe der Antragstellerin als Nachmieterin erfolgte, sei die Zwangslage für die Antragstellerin noch nicht weggefallen, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Gegenüber der GBV war die Rechtsstellung der Antragstellerin aufgrund der bloßen Präsentation ihrer Person noch nicht gesichert. Ein Präsentationsrecht besteht nach ständiger Rechtsprechung (RS0032739) nämlich darin, dass sich der Bestandgeber gegenüber dem Mieter verpflichtet hat, unter gewissen Bedingungen mit dem vom Bestandnehmer vorgeschlagenen geeigneten Dritten einen Vertrag gleichen oder bestimmten anderen Inhalts abzuschließen. Die näheren Bedingungen des der Antragsgegnerin eingeräumten Präsentationsrechts wurden zwar nicht festgestellt; da es sich unstrittig aber eben (nur) um ein Präsentationsrecht handelte, lässt dies nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen jedenfalls nicht den Schluss zu, allein damit hätte die Antragstellerin schon eine gesicherte Rechtsstellung gegenüber der GBV erlangt. Die Einräumung eines – allenfalls auch beschränkten – Weitergaberechts (vgl RS0105786) als weitergehendes Recht des Mieters, nicht nur den Nachmieter vorzuschlagen, sondern diesem das Mietrecht zu übertragen (woraus allenfalls auf einen Wegfall der Drucksituation geschlossen werden könnte), wurde weder behauptet noch festgestellt. Davon auszugehen, für eine gesicherte Rechtsstellung und den Wegfall der Drucksituation zum Zeitpunkt ihrer Ablösezahlung reiche der Umstand alleine nicht aus, dass es der Antragstellerin allenfalls offengestanden wäre, die zugesagte Mieterstellung samt Übergabe des Mietobjekts gegenüber der GBV mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen, ist daher nicht zu beanstanden.

[7] 4. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 4 Ob 79/18y befasste sich mit dem Vorliegen einer Zwangslage bei der Zahlung einer Ablöse von einem Mitmieter an den anderen Mitmieter zur Erlangung der Alleinmietrechte und ist nicht einschlägig. Wesentliche Erkenntnisse für die hier zu beurteilende Frage sind daraus nicht zu gewinnen.

[8] 5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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