European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00077.22S.0927.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C), demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), in der Anordnung der Unterbringung in einer Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person nach § 205 Abs 2 StGB (D), jeweils mehrerer Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (E) und nach § 207a Abs 3 dritter und vierter Fall StGB (F) sowie je eines Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (G/I) und nach § 50 Abs 1 Z 2 erster Fall WaffG (G/II) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.
[2] Danach hat er
A) im Zeitraum Mitte März 2021 bis Mitte Juni 2021 in W* in oftmals wiederholten Angriffen im Zuge seiner Betreuungs‑ und Beaufsichtigungstätigkeit des * 2013 geborenen * H* mit einer unmündigen Personen eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen, indem er den Penis des Genannten auf seine Hand legte und in seinen Mund nahm;
B) außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen und zwar im Zuge seiner Betreuungs‑ und Beaufsichtigungstätigkeit
I) an dem * 2005 geborenen * Hu* in W*
1) Ende 2018/Anfang 2019, indem er mit seiner Hand gezielt auf dessen Penisbereich griff und diesen betastete;
2) im August 2019, indem er, während der Genannte schlief, dessen Penis in seine Hand nahm und massierte;
II) an dem * 2009 geborenen * Hö*, jeweils indem er dessen Penis in seine Hand nahm und betastete, nämlich
1) in H*
a) am 30. August 2020
b) am 4. September 2020;
2) am 18. September 2020 in E*;
C) mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht untersteht, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und zwar
I) mit dem * 2013 geborenen * H* durch die unter Punkt A beschriebenen Taten;
II) mit dem * 2005 geborenen * Hu* durch die unter Punkt B/I/1 und 2 beschriebenen Taten;
III) mit dem * 2009 geborenen * Hö* durch die unter Punkt B/II/1 und 2 beschriebenen Taten;
D) außer dem Fall des § 205 Abs 1 StGB eine wehrlose Person unter Ausnutzung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, nämlich den * 2005 geborenen * Hu* durch die unter B/I/2 angeführte Tat;
E) in W*, H* und E* in wiederholten Angriffen pornografische Darstellungen minderjähriger Personen (§ 207a Abs 4 Z 1 und Z 3 lit b StGB) hergestellt, indem er Fotoaufnahmen der unter Punkt B/II/1/a, b und 2 beschriebenen von ihm an * Hö* durchgeführten sexuellen Handlungen sowie Fotos des nackten Penisbereichs des Genannten sowie des * H* anfertigte, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen;
F) in W*, H* und E* ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 4. August 2021 sich pornografische Darstellungen unmündiger Personen (§ 207a Abs 4 Z 1, Z 3 lit b und Z 4 StGB) verschafft und besessen, indem er die unter Punkt E beschriebenen Lichtbilder sowie eine Vielzahl weiterer Fotos des nackten Genitalbereichs sowie Anusbereichs unter 14‑jähriger Mädchen und unter 14‑jähriger Knaben, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, sowie mehrere Videos und eine Vielzahl an künstlich am Computer hergestellten oder durch Manipulation realer Geschehnisse veränderter Bilder, auf denen unter 14‑jährige Mädchen und unter 14‑jährige Knaben bei der Durchführung von Vaginal‑, Anal‑ und Oralverkehr sowie Masturbationshandlungen zu sehen sind, auf seinen Notebooks, seinem Mobiltelefon und USB‑Sticks abspeicherte und verwahrte;
G) in W* wenn auch nur fahrlässig durch Verwahrung an seiner Wohnadresse
I) seit ca 2017 bis 5. August 2021 unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich einen Revolver Marke Reck Trooper, besessen;
II) seit ca 2012 bis 5. August 2021 eine verbotene Waffe, nämlich einen unter der Bezeichnung „Totschläger“ bekannten Teleskopschlagstock (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Ausschließlich gegen die Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die – mit Mängel- und Tatsachenrüge anfechtbaren (vgl instruktiv 11 Os 67/16m; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 8 ff) – Feststellungen zu den der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB zugrundeliegenden (für die Anordnungsbefugnis entscheidenden) Tatsachen (US 8 f) haben die Tatrichter in Übereinstimmung mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen auf das für schlüssig, nachvollziehbar und für einen juristischen Laien verständlich befundene Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen (ON 73 S 75 ff) im Zusammenhalt mit dem vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck gestützt (US 14 f).
[5] Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) eine nachvollziehbare Darstellung, „warum der Schöffensenat in seiner Beweiswürdigung dem Gutachten des Sachverständigen gefolgt ist“ vermisst, zeigt sie Urteilsnichtigkeit ebenso wenig auf (RIS‑Justiz RS0116732, RS0118317) wie die Tatsachenrüge (Z 5a) mit ihrer Kritik am Aufbau des in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachtens (ON 73 S 75 ff) sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen erweckt (RIS‑Justiz RS0119583, RS0118780).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[7] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet, die dem Angeklagten (in concreto) zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[8] Zwar konstatierten die Tatrichter in objektiver Hinsicht, dass die minderjährigen Opfer anlässlich der jeweiligen Tathandlungen der Aufsicht des Angeklagten unterstanden (US 6 ff). Nicht durch Feststellungen geklärt wurde jedoch, dass der Angeklagte die Taten – wie für die Tätergruppe des § 212 Abs 1 Z 2 StGB erforderlich – unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber den Minderjährigen begangen hat. Denn weil aus dem bloßen Bestehen eines Autoritätsverhältnisses allein nicht auf den missbräuchlichen Einsatz desselben geschlossen werden darf, bedarf es konkreter Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass der Angeklagte bei seinem inkriminierten Tatverhalten gezielt seine Autorität gegenüber den Opfern einsetzte, damit die geschützten Personen die Unzuchtshandlungen – hier – an sich geschehen lassen, also bewirkte, dass diese gerade wegen ihrer Abhängigkeit vom Angeklagten in ihrem Willen beeinflusst wurden, ohne dass offen bleibt, ob der Angeklagte nicht nur das sich ihm bietende Gelegenheitsverhältnis ausgenützt hat (vgl Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 212 Rz 14; Philipp in WK² § 212 Rz 9; 11 Os 39/04; RIS‑Justiz RS0095185 [T3]).
[9] Dieser Feststellungsmangel (Z 10) führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[10] Mit seiner Berufung war der Angeklagte hierauf zu verweisen.
[11] Bleibt für den zweiten Rechtsgang mit Blick auf den Schuldspruch zu C/II/ iVm B/I/2/ anzumerken, dass ein Ausnützen des Autoritätsverhältnisses bei Schlafenden nicht in Betracht kommt (Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 212 Rz 14; Philipp in WK2 StGB § 212 Rz 10; Hinterhofer SbgK § 212 Rz 47).
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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