OGH 6Ob234/21m

OGH6Ob234/21m29.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S* R*, Rechtsanwalt, *, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A* GmbH (AZ *), gegen die beklagte Partei Ing. D* A*, vertreten durch Wildmoser, Koch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 1.225.668,68 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2021, GZ 6 R 136/21v‑59, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00234.21M.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Die (insolvente) Gesellschaft, deren Masseverwalter der Kläger ist, war operative Kerngesellschaft einer Unternehmensgruppe. Der Beklagte war Minderheitsgesellschafter (13,5 %) und Aufsichtsratsmitglied einer GmbH, die die Mehrheit der GmbH‑Anteile an der Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaft hielt. An der Konzernspitze stand eine ausländische Holdinggesellschaft.

[2] Eine Hausbank der Gesellschaft, die diese mit mehreren hundert Millionen Euro Kreditvolumen finanzierte, gewährte einem Unternehmer, den ihr der Beklagte als vertrauenswürdigen Geschäftsmann empfohlen hatte, einen Kredit über eine Million Euro. Die Empfehlung erfolgte, weil seitens der Gesellschaft ein generelles Interesse bestand, mit dem Unternehmer eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Für diesen Kredit übernahmen weder die Gesellschaft oder ein Konzernunternehmen noch der Beklagte Haftungen. Als der dem Unternehmer gewährte Kredit notleidend wurde, wollte die Bank, dass die Gesellschaft und/oder der Beklagte die Haftung für diesen Kredit übernehmen. Der Beklagte lehnte eine eigene Haftungsübernahme ab. Aufgrund entsprechender Willensbildung in der Konzernleitung deckte die Gesellschaft den Kredit des Unternehmers trotz ihrer fehlenden Haftung durch Zahlung an die Bank ab, weil sie weiterhin von der Bank finanziert werden bzw eine Verschlechterung der Kreditkonditionen bei den bevorstehenden Neuverhandlungen ihrer Finanzierungsverträge mit der Bank verhindern wollte. Der Beklagte konnte hinsichtlich dieser von der Konzernleitung getroffenen Entscheidung keine Anweisung an die Gesellschaft erteilen. Die Zahlung hatte nicht den Zweck, den Beklagten aus einer „ungünstigen Lage“ zu befreien.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die (unter anderem) auf das Vorliegen einer verbotenen Einlagenrückgewähr gestützte Klage des Masseverwalters der Gesellschaft auf Zahlung des an die Hausbank bezahlten Betrags ab.

[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Nach gefestigter Rechtsprechung statuiert § 82 Abs 1 GmbHG nicht nur einen Schutz der Kapitaleinlagen, sondern eine umfassende Vermögensbindung. Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, die den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zu Lasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt (RS0105540 [T6]), ausgenommen solche in Erfüllung des Dividendenanspruchs (Gewinnverwendung) sowie sonstiger gesetzlich zugelassener Ausnahmefälle und Leistungen auf der Grundlage fremdüblicher Austauschgeschäfte (6 Ob 71/21s [ErwGr 4.1.]; 6 Ob 26/21y [ErwGr 3.2.]; 6 Ob 195/18x [ErwGr 1.]).

[6] 2. Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind grundsätzlich die Gesellschaft und die Gesellschafter. Darüber hinaus sind in bestimmten Fällen Leistungen an Dritte einem Gesellschafter zuzurechnen, und zwar etwa dann, wenn die Leistung an den Dritten zugleich eine Leistung an den Gesellschafter darstellt oder der Dritte eine Stellung einnimmt, die jener eines Gesellschafters gleichkommt. Jedenfalls darunter fallen Leistungen an Dritte, die vom wirtschaftlichen Ergebnis her gesehen dem Gesellschafter zugute kommen (6 Ob 89/21p [ErwGr 4.1.]; 6 Ob 71/21s[ErwGr 4.1.]; 6 Ob 14/14y), so etwa auf Veranlassung eines Gesellschafters vorgenommene Zuwendungen der Gesellschaft an einen dem Gesellschafter nahestehendenDritten (6 Ob 195/18x[ErwGr 2.2. – nahe Angehörige]; RS0105518 [T1]).

[7] Der Oberste Gerichtshof hat überdies einen Rückgewähranspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG gegen einen begünstigten mittelbaren Gesellschafter und wirtschaftlichen Alleineigentümer einer Gesellschaft bejaht, dem deren Zahlung an eine Bank wirtschaftlich zugute kam, weil er dadurch von seiner sonst schlagend werdenden Bürgenhaftung befreit wurde (6 Ob 21/20m [ErwGr 5]; vgl 6 Ob 89/21p [ErwGr 4.3.]).

[8] 3. Das Berufungsgericht war der Ansicht, den Feststellungen lasse sich ein Vermögenstransfer von der Gesellschaft an den Beklagten durch die erfolgte Zahlung an die Bank nicht entnehmen. Der ins Treffen geführte bloße Umstand, dass der Beklagte von der „Last“ befreit worden sei, eine unberechtigte Forderung der Bank „abzuwehren“, genüge nicht. Mit seiner Behauptung, der Beklagte sei mit einer „begründeten Zahlungsaufforderung“ konfrontiert gewesen, weiche der Kläger überdies vom Sachverhalt ab.

[9] Darin ist weder eine im Einzelfall durch den Obersten Gerichtshof korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken noch ein Abgehen von der Entscheidung 6 Ob 21/20m. Wie dargelegt wurde nach dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt der mittelbare Gesellschafter durch die Zahlung von seiner (sonst schlagend werdenden) Bürgenhaftung befreit. Welcher Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Beklagten im vorliegenden Fall stattgefunden haben soll, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzulegen.

[10] 4. Der Beklagte war weder Gesellschafter noch wurde nach den Feststellungen die Zahlung an die Bank aus „gesellschaftsfremder Motivation“ geleistet. Vielmehr lag eine Geschäftsführungsmaßnahme der Gesellschaft vor. Mit ihren diesbezüglichen, nicht vom Sachverhalt ausgehenden Ausführungen wirft die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[11] 5. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das darin keine unzulässige Einlagenrückgewähr an den Beklagten erblickte, kann die Revision auch mit ihrem Hinweis, dass der Beklagte durch sein Verhalten bei der Kreditvergabe an den Unternehmer diese „unmögliche Situation“ für die Gesellschaft geschaffen habe, nicht darlegen.

[12] 6. Mit ihren Ausführungen zu behaupteten sekundären Feststellungsmängeln wendet sich die Revision inhaltlich in unzulässiger Weise (vgl RS0043371) lediglich gegen die vom Berufungsgericht gebilligte Beweiswürdigung des Erstgerichts.

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