OGH 3Ob104/22y

OGH3Ob104/22y20.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen 1.) der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Athanasia Toursougas-Reif, Rechtsanwältin in Pöls‑Oberkurzheim, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Mag. Karin Leitner, Rechtsanwältin in Leoben, wegen Ehescheidung, und 2.) der klagenden und gefährdeten Partei B*, vertreten durch Mag. Karin Leitner, Rechtsanwältin in Leoben, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei A*, vertreten durch Mag. Athanasia Toursougas‑Reif, Rechtsanwältin in Pöls‑Oberkurzheim, wegen Unterhalts, hier wegen einstweiliger Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 12. Mai 2022, GZ 2 R 69/22d‑32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00104.22Y.0720.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurswird gemäß

§ 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Voraussetzung für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO ist die Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Unterhaltspflichtigen (vgl RS0114824). Nach dem – auch im Verfahren zur Festsetzung einstweiligen Unterhalts anzuwendenden (6 Ob 198/10a mwN) – Grundsatz, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat (vgl RS0037797), sind die Voraussetzungen für den ehelichen Unterhaltsanspruch vom Anspruchswerber zu bescheinigen (vgl RS0114824 [T7, T8]). Die materiell‑rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs sind im Haupt‑ und im Provisorialverfahren gleich (4 Ob 172/18z = RS0127789 [T5]).

[2] 2. Gemäß § 94 Abs 1 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Zufolge § 94 Abs 2 ABGB leistet der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag im Sinn des § 94 Abs 1 ABGB; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten nach § 94 Abs 2 dritter Satz ABGB auch zu, soweit er seinen Beitrag nach § 94 Abs 1 ABGB nicht zu leisten vermag.

[3] 3. Es trifft zwar zu, dass dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt nicht zu entnehmen ist, dass die Antragstellerin bis zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft iSd § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB den Haushalt geführt hat. Dies schadet aber nicht, weil sie sich ohnehin nicht auf diesen Tatbestand, sondern vielmehr darauf berufen hat, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig sei. Letzteres ergibt sich (gerade noch hinreichend) aus dem bescheinigten Sachverhalt, wonach sie in psychiatrischer Behandlung ist und im November 2021 um eine Invaliditätspension angesucht hat.

[4] 4. Der Unterhaltspflichtige ist für alle seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände behauptungs‑ und beweispflichtig (RS0111084 [T1]), insbesondere für das Vorliegen der Anspannungsvoraussetzungen (vgl 10 Ob 10/15s = RS0111084 [T3]) und für die Unterhaltsverwirkung (RS0009705). Der Nachweis dieser Umstände ist dem Antragsgegner ausgehend vom bescheinigten Sachverhalt nicht gelungen.

Stichworte