OGH 17Ob11/22z

OGH17Ob11/22z12.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Malesich, Dr. Kodek, Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C* E*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der F* GmbH *, gegen die beklagte Partei M* G*, vertreten durch Dr. Bernhard Eder, Rechtsanwalt in Wien, wegen 36.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. März 2022, GZ 3 R 11/22t‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00011.22Z.0712.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Schuldnerin war eine Projektgesellschaft zum Kauf und der Entwicklung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum und anschließendem Verkauf. Der Beklagte schloss mit ihr vor dem 7. 11. 2014 einen als „Darlehensvertrag“ bezeichneten Vertrag, mit dem er seine 140/1400‑tel Anteile an einer anderen Liegenschaft – gegen eine Gewinnbeteiligung – als Pfand zur Besicherung der Forderung einer kreditgebenden Bank gegen die Schuldnerin über 4.000.000 EUR zur Verfügung stellte. Das Pfandrecht an der Eigentumswohnung des Beklagten in der Höhe von 4.000.000 EUR wurde dem zwischen der Schuldnerin und der Bank abgeschlossenen Abstattungskredit mit 13. 11. 2014 als weitere Sicherheit zugrunde gelegt. Am 14. 3. 2018 wurde von der Bank die Einwilligung zur Löschung des zuvor genannten Pfandrechts genehmigt und die zugehörige Löschungserklärung unterfertigt. Nachdem der Beklagte am 13. 2. 2019 vom Geschäftsführer der Schuldnerin informiert worden war, dass er bereits für die Abrechnung bilanziere, erhielt der Beklagteam 13. 3. 2019 von der Schuldnerin den Betrag von 36.000 EUR mit dem Verwendungszweck „Gesamtgewinnauszahlung“ überwiesen.

[2] Der Kläger begehrt die Rückzahlung dieses Betrags – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – gegründet auf § 188 UGB, § 29 Z 1 und § 30 Abs 1 Z 1 IO.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Ebenso dahingestellt bleiben kann, ob die Vereinbarung aus dem Jahr 2014 die Beteiligung des Beklagten als stiller Gesellschafter am Unternehmen der Schuldnerin beinhaltete, muss auch die vom Kläger als erheblich angesehene Rechtsfrage nach einer analogen Anwendung des § 188 UGB auf die vom Berufungsgericht angenommene Interzession gegen Gewinnbeteiligung nicht beantwortet werden. Die in der Bestimmung angeführten Anfechtungstatbestände müssen nämlich nach dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut auf einer Vereinbarung beruhen, die im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung getroffen wurde. Dies ist hier nicht der Fall, sodass eine Anfechtung (auch analog) nach § 188 Abs 1 UGB schon aus diesem Grund ausscheidet.

[4] 2.1 Die Anfechtung nach § 29 Z 1 IO gründet der Kläger darauf, dass es sich bei der Überweisung des Geldbetrags um die Auszahlung eines Scheingewinns und damit um eine unentgeltliche Verfügung gehandelt habe.

[5] 2.2 Das Erstgericht traf disloziert innerhalb seiner rechtlichen Beurteilung die Feststellung, dass der Beklagte die Löschungserklärung hinsichtlich des Pfandrechts betreffend seine Wohnung von der Bank erhalten hat und ihm überdies vom Geschäftsführer der Schuldnerin die Erwirtschaftung eines Gewinns beim gegenständlichen Projekt versichert worden ist. Damit wurden gerade keine Umstände festgestellt, aus denen der Beklagte auf die vom Kläger behauptete Unentgeltlichkeit schließen musste. Die Erkennbarkeit der Unentgeltlichkeit für den Zahlungsempfänger ist aber Voraussetzung für die Anfechtbarkeit nach § 29 Z 1 IO (vgl RIS‑Justiz RS0125792).

[6] 3.1 Zahlungsunfähigkeit liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Schuldner durch dauernden Mangel an flüssigen Mitteln nicht im Stande ist, alle fälligen Schulden bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung in angemessener Frist zu begleichen (RIS‑Justiz RS0118268). Konkret ist sie gegeben, wenn der Schuldner mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht begleichen kann. Von Zahlungsfähigkeit darf daher ein Zahlungsempfänger ausgehen, wenn der Schuldner 95 % oder mehr aller fälligen Schulden begleichen kann (RIS‑Justiz RS0126559).

[7] 3.2 Entsprechendes Vorbringen wurde im erstgerichtlichen Verfahren vom beweispflichtigen Insolvenzverwalter (RIS‑Justiz RS0064383) nicht erstattet. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, allein der Umstand, dass das Insolvenzverfahren am 14. 8. 2019 aufgrund einer im August 2018 fälligen Forderung eröffnet worden sei, reiche für die Darlegung der – für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit – geforderten Deckungslücke im anfechtungsrelevanten Zeitraum nicht aus, weshalb auch eine Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 IO nicht möglich sei, ist nicht zu beanstanden.

[8] 3.3 Gegen die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, es fehle auch an der zeitlichen Voraussetzung der Vornahme der Sicherstellung oder Befriedigung in den letzten 60 Tagen vor dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, bringt der Kläger auch keine Argumente.

Stichworte