OGH 12Os54/22s

OGH12Os54/22s5.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. im Verfahren zur Unterbringung des * B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. März 2022, GZ 122 Hv 20/21m‑98, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00054.22S.0705.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

[2] Danach hat er in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer schizophrenen Erkrankung mit Neigung zu psychotischen Dekompensationen und Impulsdurchbrüchen,

II./ Exekutivbeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Festnahme und Fixierung, zu hindern versucht (§ 15 StGB), und zwar

1./ am 3. Juni 2021 durch Schläge mit Fäusten und Armen gegen * W* und * F* sowie Tritte mit den Beinen gegen * A*;

2./ am 4. Juni 2021 durch einen Faustschlag gegen die rechte Gesichtshälfte der * K*;

III./ Exekutivbeamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1./ am 3. Juni 2020 * A* anlässlich der in Punkt II./1./ genannten Tathandlung, wodurch dieser eine drei Zentimeter große blutende Schürfwunde am linken Knie erlitt;

2./ am 4. Juni 2021 * K* anlässlich der in Punkt II./2./ genannten Tathandlung, wodurch diese eine Beule an der rechten Stirn erlitt,

und somit Taten begangen, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (II./1./ und 2./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (III./1./ und 2./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[4] Der Sanktionsrüge zuwider stehen die vom Beschwerdeführer als unberücksichtigt gerügten (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall) Depositionen des psychiatrischen Gutachters (wonach die akute halluzinatorische Phase des Betroffenen vorbei sei) den Feststellungen, wonach der Betroffene (weiterhin) an einer schizophrenen Erkrankung mit Neigung zu psychotischen Dekompensationen und Impulsdurchbrüchen leidet (US 7), nicht erörterungsbedürftig entgegen. Im Übrigen geht die Beschwerde daran vorbei, dass der Sachverständige im Kontext mit den hervorgekehrten Ausführungen dem Betroffenen einen gewissen Behandlungserfolg attestiert, diesen aber weiterhin als unzureichend und instabil qualifiziert hatte (vgl ON 97 S 31).

[5] Das Erstgericht stützte sich bei Beurteilung der Person des Betroffenen als Erkenntnisquelle für die Einweisungsvoraussetzungen auf zuvor erfolgte (mit rechtkräftigem deutschen Strafbefehl [§ 410 Abs 3 dStPO] abgeurteilte) Attacken gegen Polizeibeamte (§ 113 dStGB) und andere Personen (Schläge und Tritte gegen Jugendliche am 3. Juni 2021, Niederstoßen einer Passantin am 26. April 2021, Anpöbeln von Passanten am 25. Juni 2021) sowie eine in der Slowakei angeordnete stationäre Therapie (US 7).

[6] Indem sich die Rüge bloß gegen einzelne dieser Begründungselemente wendet, und insbesondere die erwähnten Übergriffe gegen Passanten am 26. April 2021 und 25. Juni 2021 ausblendet, zeigt sie schon deshalb eine willkürliche Feststellung dieses Prognosekriteriums nicht auf (vgl RIS‑Justiz RS0118581 [T13]).

[7] Der Einwand, die Befürchtung der Begehung von Taten mit schweren Folgen (US 7 f) sei aus den körperlichen, mit bloß leichten Verletzungen einhergehenden Übergriffen gegen Polizeibeamte nicht abzuleiten, kritisiert der Beschwerdeführer bloß die Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 21 Abs 1 StGB, die aber als Ermessensentscheidung ausschließlich mit Berufung bekämpfbar ist (vgl RIS-Justiz RS0118581 [T11, T14]).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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