OGH 8ObA23/22y

OGH8ObA23/22y25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Karl Reiff (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johannes Graf (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei S* AG *, vertreten durch die Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 13.083,20 EUR brutto sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 21. Jänner 2022, GZ 11 Ra 79/21y‑27, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Spetember 2021, GZ 11 Cga 115/20b‑22, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00023.22Y.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist seit 11. 1. 1999 bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Davor war er nach seinem Vorbringen insgesamt 117 Monate, davon 42 Monate an Lehrzeit, als Nutzfahrzeugmechaniker tätig. Das Dienstverhältnis zur Beklagten unterliegt kraft vertraglicher Vereinbarung dem VBG 1948 in der jeweils geltenden Fassung.

[2] Der Kläger begehrt für die Zeit von Dezember 2017 bis Oktober 2020 eine Gehaltsdifferenz von 13.083,20 EUR brutto sA, weil die Beklagte seine Vordienstzeiten als Nutzfahrzeugmechaniker bloß im Ausmaß von 18 Monaten angerechnet habe.

[3] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Tätigkeit als Nutzfahrzeugmechaniker sei keine nach § 26 Abs 3 VBG 1948 anzurechnende Vordienstzeit, weil sie weder die Einschulung zum Busfahrer ersetzt noch zu einem erheblich höheren Arbeitserfolg geführt habe. Dass der Wortlaut des § 26 Abs 3 VBG 1948 seit der Dienstrechtsnovelle 2020 BGBl I 2020/153 nicht mehr auf Einschlägigkeit, sondern auf die Nützlichkeit der Vordienstzeiten abstelle, sei mit keiner inhaltlichen Änderung verbunden.

[4] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück, weil das Erstgericht nicht festgestellt habe, ob aufgrund der mit der Tätigkeit als Nutzfahrzeugmechaniker verbundenen Fahrtätigkeiten ein erheblich höherer Arbeitserfolg als Busfahrer zu erwarten gewesen sei. Da nur Entgeltansprüche vor dem 1. 1. 2021 zu beurteilen seien, habe die Änderung der Anrechnunsgvorschriften durch die Dienstrechtsnovelle 2020 BGBl I 2020/153 außer Betracht zu bleiben. Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten zahlreiche Mitarbeiter der Beklagten betreffe.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Rekurs des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[6] 1. Soweit der Kläger eine Anwendung des § 26 VBG 1948 idF der Dienstrechtsnovelle 2020 BGBl I 2020/153 erreichen will, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Vorschriften nach § 100 Abs 94 Z 8 VBG 1948 nur auf Dienstverhältnisse anzuwenden sind, die nach dem 31. 12. 2020 begründet wurden. Trotz Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

[7] 2. Die Entscheidung des EuGH zu C‑703/17 , Adelheid Krah/Universität Wien, (ECLI:EU:C:2019:850) wonach Art 45 Abs 1 AEUV einer nationalen Regelung, nach der in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Vordienstzeiten nur im Ausmaß von höchstens vier Jahren angerechnet werden, entgegensteht, wenn es sich um gleichwertige Tätigkeiten handelt, ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entscheidungsrelevant, weil die Vordienstzeiten des Klägers die in § 26 VBG 1948 vorgesehene Höchstgrenze von zehn Jahren ohnehin nicht überschreiten.

[8] 3. Der Kläger behauptet eine Diskriminierung, weil den vor dem 1. 5. 1996 eingetretenen Dienstnehmern der Beklagten aufgrund der damals geltenden Rechtslage alle „sonstigen Zeiten“ zur Hälfte angerechnet worden seien, ihm aber nur mit 18 Monaten. Die eingeschränkte Anrechnung von „sonstigen Zeiten“ entspricht im Fall des Klägers aber § 26 Abs 1 Z 3 lit b VBG 1948 idF BGBl I 1995/297. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verstößt es nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn bestimmte Vergünstigungen später eingetretenen Arbeitnehmern nicht mehr gewährt werden (vgl etwa RS0060204). Im Übrigen hat auch der EuGH bereits ausgesprochen, dass es auch keine mittelbare Altersdiskriminierung darstellt, wenn neue Arbeitskräfte ab einem bestimmten Stichtag ungünstiger eingestuft und entlohnt werden als jene, die bereits zuvor eingestellt wurden (C‑154/18 , Horgan, Keegen/Irland [ECLI:EU:C:2019:113]).

[9] 4. Gelangt das Berufungsgericht zur Ansicht, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RS0042179; RS0042327). Der Rekurs war mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[10] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts findet kein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO statt (RS0123222; RS0035976 [T2]). Die Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen, sodass ihr kein Kostenersatz zusteht (RS0035962).

Stichworte