European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00003.22B.0524.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger nahm 2007 bei der beklagten Bank einen in hundert vierteljährlichen Raten abzustattenden „Fremdwährungskredit im Gegenwert von EUR 145.000“ auf, um einen Liegenschaftskauf zu finanzieren.
[2] Laut dem von der Beklagten formulierten Vertragsformular werde die Bank ein oder mehrere Kreditkonten in folgenden Währungen nach Wahl des Klägers führen: Euro, Schweizer Franken, US-Dollar oder japanischen Yen. Auch für die Zuzählung der Kreditsumme standen für den Kläger diese Währungen zur Wahl.
[3] Im Vertrag wurden die konkrete Gesamtbelastung, die Kreditsumme und alle anderen Geldbeträge ausschließlich in Euro ausgedrückt. Eine Regelung zu Wechselkursen enthielt der Vertrag nicht.
[4] Der Kläger entschied sich, den Kredit in Schweizer Franken in Anspruch zu nehmen. Für die Rückzahlung der Kreditraten erteilte der Kläger der Beklagten einen Abbuchungsauftrag für sein in Euro geführtes Gehaltskonto bei einer anderen Bank.
[5] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Kreditvertrag nicht rechtswirksam zustande gekommen sei; hilfsweise die Aufhebung des Kreditvertrags. Er habe die Kreditsumme in Euro erhalten und auch die Rückzahlungen in Euro geleistet, lediglich das Kreditkonto – ein reines Verrechnungskonto – sei in Schweizer Franken geführt worden. Im Kreditvertrag sei kein Wechselkurs vereinbart worden, obwohl der Vertrag ohne Kurs nicht umsetzbar sei. Die Beklagte habe faktisch bei jeder Zahlung einseitig einen Umrechnungskurs festgesetzt. Die AGB-Klausel über die effektive Rückzahlungspflicht verstoße gegen § 864a ABGB, § 6 Abs 3 KSchG und § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.
[6] DieBeklagte wendete ein, dass sowohl die Auszahlung der Kreditsumme als auch die Rückzahlung der Raten auf Wunsch des Klägers in Schweizer Franken erfolgt sei. Der Kläger habe gewusst, dass für die bei Durchführung des Abbuchungsauftrags erforderliche Umrechnung der tagesaktuelle Devisenkurs der Beklagten sowie eine Devisenprovision von 0,25 % zum Tragen komme. Sie habe den Kläger jeweils im Nachhinein von den angewandten Kursen unterrichtet; dieser habe nie widersprochen und die Kurse somit anerkannt.
[7] Die Vorinstanzenwiesen die Klage ab. Beide Parteien hätten einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken abschließen wollen. Dass die Bank die Kurse unsachlich festgelegt habe, habe der Kläger nicht einmal vorgebracht. Es wäre dem Kläger außerdem freigestanden, sich die Kreditsumme von der Beklagten in Schweizer Franken auszahlen und bei einer anderen Bank in Euro umwechseln zu lassen.
[8] Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
[9] 1. Ein Fremdwährungskredit liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Rechnungsgrundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet (7 Ob 48/17k [Pkt 1.1]; 1 Ob 190/16x [Pkt 4.1] mwH; 1 Ob 163/15z [Pkt II.1] mwH).
[10] Für die Rückzahlung können die Parteien entweder vereinbaren, dass der Kreditnehmer seine Schuld in Euro zurückzahlen kann (unechte Fremdwährungsschuld), oder, dass die Rückzahlung in fremder Währung geschuldet wird (echte Fremdwährungsschuld) (vgl RS0061067; Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 988 Rz 10; vgl auch Dehn in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertrags-recht2 [2007] A. Fremdwährungskredit Rz 2/203). Welche Funktion welche Währung bei einem konkreten Kreditvertrag hat, hängt also von der Vereinbarung der Vertragsparteien im Einzelfall ab.
[11] 2. Der vorliegende Sachverhalt ist insofern untypisch, als die Parteien nach ihrem insoweit übereinstimmenden Vorbringen die Verknüpfung von Euro und Schweizer Franken im Vertrag völlig offen ließen. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt aber in der Regel eine beispielgebende Entscheidung und damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO aus (RS0042405).
[12] 3. In Anbetracht des Fehlens einer entsprechenden Vereinbarung kann – wie die Beklagte bereits in erster Instanz aufzeigte – entgegen der Rechtsansicht des Klägers keine missbräuchliche oder intransparente Klausel vorliegen.
[13] Ein Fremdwährungskreditvertrag ist ohne eine wirksame Vorschrift über die Umrechnung der Fremdwährung in Euro aber nur dann umsetzbar, wenn die Aus-, Rück- und Zinszahlung allein in der Fremdwährung erfolgen würde (8 Ob 37/20d [Pkt I.6]). Im vorliegenden Fall wurde damit eine erforderliche Regel gar nicht getroffen, das heißt der Vertrag ist planwidrig unvollständig geblieben, sodass von einer Vertragslücke auszugehen ist (RS0017829 [T2, T4]). Dieses Problem kann gerade nicht durch den Entfall einer (ja gar nicht vorhandenen) Vertragspassage behoben werden, sondern erfordert eine ergänzende Vertragsauslegung (vgl RS0017832; RS0017758).
[14] 4. Soweit der Kläger wiederholt EuGH-Rechtsprechung ins Treffen führt, die die Möglichkeit von geltungserhaltender Reduktion oder der Ersetzung von Vertragsbestimmungen durch dispositives Recht einschränkt (C‑260/18 , Dziubak unter Verweis auf C‑26/13 , Kásler und Káslerné Rábai, Rn 80 bis 84, sowie auf verbRs C‑70/17 und C‑179/17 , Abanca Corporación Bancaria und Bankia, Rn 64), ist diese im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Diese Entscheidungen sind nämlich zu Vertragslücken ergangen, die infolge Klauselkontrolle anhand der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) entstanden sind. Auf den hier vorliegenden Fall einer anfänglichen Vertragslücke lassen sich diese nicht übertragen (vgl Spitzer, Vertragslücken im österreichischen und europäischen Recht, ÖJZ 2020/95; vgl auch RS0118113, wonach auch Unbestimmtheit kein Anwendungsfall des KSchG ist; vgl auch Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 [2015] § 6 KSchG Rz 86, wonach die Vertragsauslegung Vorrang vor einer Intransparenz nach § 6 Abs 3 KSchG hat).
[15] Aus diesem Grund erübrigen sich auch die vom Kläger angeregten Vorabentscheidungsersuchen zur Klausel‑RL.
[16] 5. Die EuGH-Judikatur ist bei der ergänzenden Vertragsauslegung jedoch insofern von Interesse, als die Gerichte die Lücke nur mit Regelungen füllen können, die auch die Parteien gültig vereinbaren hätten können (vgl insbes EuGH C‑212/20 , M.P., B.P./„A.“ prowadzący działalność za pośrednictwem „A.“ S.A., Rn 55, wonach der Wechselkurs für einen unechten Fremdwährungskredit von der Bank so definiert sein muss, dass der Durchschnittsverbraucher den von der Bank angewandten Wechselkurs anhand der im Vertrag genannten Kriterien jederzeit auch selbst bestimmen kann).
[17] Wie die Lücke im vorliegenden Kreditvertrag konkret zu füllen ist, muss in diesem Verfahren jedoch nicht abschließend entschieden werden, weil das Klagebegehren bloß auf die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vertrags gerichtet ist.
[18] 6. Der Kläger argumentiert in der Revision, dass er bei Vertragsabschluss von der Existenz eines objektiven Wechselkurses ausgegangen sei.
[19] Doch selbst wenn der Kläger damals die Vorstellung gehabt hätte, dass zB noch die amtlichen Wechselkurse existieren, könnte er damit bestenfalls einen Geschäftsirrtum iSd § 871 ABGB aufzeigen. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung zu § 1487 ABGB jedoch binnen drei Jahren ab Vertragsabschluss geltend zu machen (RS0034350).
[20] 7. Der Kläger wiederholt außerdem, dass ihn die Beklagte iSd Entscheidung EuGH C‑186/16 Andriciuc über die Folgen schwerer Euroabwertung, insbesondere in Zusammenhang mit ihrer einseitigen Kursfestlegung aufklären hätte müssen, damit er die wirtschaftlichen Folgen des Kreditvertrags für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen kann.
[21] Ein Recht der beklagten Bank zur einseitigen willkürlichen Festlegung des Wechselkurses besteht ohnedies nicht. Im Übrigen erhielt der Kläger nach den Feststellungen eine mehrseitige Aufklärungsbroschüre, zu der die Revision keine konkreten Unzulänglichkeiten im Hinblick auf das allgemeine Wechselkursrisiko aufzeigt.
[22] 8. Zusammenfassend zeigt die Revision des Klägers somit keine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
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