OGH 10ObS55/22v

OGH10ObS55/22v24.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Wolfgang Strasser und Dr. Christian Strasser, Rechtsanwälte in St. Valentin, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. März 2022, GZ 7 Rs 118/21 f‑24, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00055.22V.0524.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen versagten die vom Kläger begehrte Anerkennung von Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung im Zeitraum von 1. 2. 2003 bis 31. 7. 2020.

[2] Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen verbrauchte der Kläger lediglich im Rahmen der (Teil‑)Tätigkeit „Montieren von Stopfmitteln“ sowie „Funktion überprüfen/Reparatur“ bei zehn Nettoarbeitsstunden über 2.000 Arbeitskilokalorien; es steht jedoch nicht fest, dass der Kläger an mindestens 15 Tagen pro Monat diese Voraussetzungen erfüllt hätte.

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4] 1.1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können im Verfahren dritter Instanz – auch in Sozialrechtssachen (RIS‑Justiz RS0043061) – nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963), es sei denn, das Berufungsgericht hätte infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (RS0043086 [T8]; RS0043144) oder die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (RS0043086 [T4, T7]; RS0043092 [T1]; RS0043166). Ein solcher Ausnahmefall lässt sich der Revision nicht entnehmen.

[5] 1.2. Soweit der Kläger eine Gelegenheit zur Substantiierung seines – vom Berufungsgericht mangels Bezeichnung eines Beweisthemas als nicht den Verfahrensgesetzen entsprechend beurteilten – Beweisantrags vermisst, wäre zur Dartuung der Erheblichkeit eines damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensmangels auszuführen, inwiefern sich dieser auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann; dies könnte er nur durch Anführung jenes Vorbringens, das er im Fall der Erörterung oder Anleitung erstattet hätte (RS0037095 [T4]). Auch in der Revision vermag der Kläger die konkrete Tatsache jedoch nicht zu bezeichnen, die mit Hilfe eines Lokalaugenscheins (anders) festzustellen wäre. Die bloße Behauptung, dass damit ein Überblick über „die ausgeführte Tätigkeit“ und über „die Umstände und Zustände vor Ort“ verschafft werden könne, genügt diesen Anforderungen nicht. Somit ist schon die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels zu verneinen.

[6] 2. Der Kläger sieht die Revision überdies als zulässig an, weil die Tätigkeit eines Arbeitnehmers als Maschinist und Maschinenbautechniker bei derselben Arbeitgeberin in einem Parallelverfahren als Schwerarbeit gemäß § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung gewertet worden sei. Abgesehen davon, dass auch der Umstand, dass in einem andere Parteien betreffenden und daher nicht präjudiziellen Zivilprozess derselbe Sachverhalt vom angerufenen (erstinstanzlichen) Gericht anders beurteilt worden ist, keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (RS0119357), beruht das im Parallelverfahren erzielte Ergebnis nach dem Inhalt der Revision (ausgehend von der Beurteilung des dort bestellten Sachverständigen) auf anderen Tatsachenfeststellungen. Der vom Revisionswerber behauptete gleichgelagerte, aber anders beurteilte Sachverhalt liegt somit nicht vor. Die inhaltliche Richtigkeit des eingeholten Gutachtens und der darauf fußenden Feststellungen des Erstgerichts ist vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, aber nicht zu überprüfen (RS0043163).

[7] 3. Soweit der Kläger schließlich auf dem Standpunkt steht, dass er mit der Geltendmachung von sekundären Feststellungsmängeln in der Berufung auch die damit im Zusammenhang stehenden getroffenen Feststellungen (Negativfeststellung zur Verrichtung der Schwerarbeit darstellenden Tätigkeiten an mindestens 15 Tagen pro Monat) bekämpft hätte, auch wenn diesbezüglich keine „ausdrückliche Tatsachenrüge“ ausgeführt worden sei, macht er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO geltend. Die Anforderungen an eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge sind in der Rechtsprechung geklärt (RS0041835). Inwiefern die Berufungsausführungen diesen Anforderungen – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – entsprochen haben sollen, lässt sich der Revision nicht entnehmen.

[8] 4. Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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