OGH 2Ob60/22w

OGH2Ob60/22w26.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten und Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*, und 2. J*, beide vertreten durch Dr. Gerhard Rößler Rechtsanwalt KG in Zwettl, wegen Stufenklage nach Art XLII EGZPO (Streitwert je beklagter Partei: 17.600 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2022, GZ 11 R 1/22f‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 24. November 2021, GZ 3 Cg 19/21p‑11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00060.22W.0426.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien jeweils die Hälfte der mit 2.414,81 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 402,47 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Töchter, die Zweitbeklagte ist die Witwe des 2019 verstorbenen Erblassers. Rechtskräftig eingeantworteter testamentarischer Alleinerbe des Erblassers ist dessen Sohn.

[2] Nachdem die Beklagten vor dem Bezirksgericht ihres Aufenthalts unter Eid erklärten, dass sie vom Erblasser keine Schenkungen (mit Ausnahme solcher geringen Werts) erhalten hätten, begehrt die Klägerin in Form einer Stufenklage nach Art XLII EGZPO, die Beklagten seien schuldig, ihr „Auskunft über die dem [Erblasser] im Erbwege von seinen Eltern [...] zugekommenen Vermögenswerte und dessen Verfügungen hierüber, insbesondere Schenkung an pflichtteilsberechtigte Personen zu erteilen und die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunft eidlich zu bekräftigen“. Der Erblasser habe beträchtliche Vermögenswerte von seinen Eltern – darunter den Erlös aus dem Verkauf eines Kaufhauses samt Liegenschaft – geerbt und gut verdient. Da im Todeszeitpunkt bloß 73.500 EUR vorhanden gewesen seien, bestehe der dringende Verdacht, dass der Erblasser den Beklagten Schenkungen aus seinem Vermögen gemacht habe.

[3] Die Beklagtenwenden ein, dass das Auskunftsbegehren zu weit gefasst und unschlüssig sei. Sie seien weder faktisch in der Lage noch dazu verpflichtet, die von der Klägerin gewünschte Auskunft zu erteilen.

[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Für die von der Klägerin zuletzt gewünschten umfassenden Informationen biete § 786 ABGB keine Grundlage, müsse doch ein Geschenknehmer nur Auskunft über ihm gemachte Zuwendungen geben. Soweit das Begehren den Beklagten selbst zugekommene Schenkungen betreffe, hätten es die Beklagten bereits durch unter Eid abgegebene Erklärungen erfüllt.

[5] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands je Beklagter 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht ausdrücklich klargestellt habe, ob sich der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Umstände beziehen könne, die nicht unmittelbar eine dem beklagten Geschenknehmer zugekommene Schenkung beträfen.

[6] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil insoweit im gänzlich klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[7] Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

[8] Die Revisionist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

[9] Die Klägerin argumentiert, dass der Sinn und Zweck des § 786 ABGB eindeutig darin liege, dem Hinzurechnungsberechtigten die erforderlichen Informationen für die Geltendmachung seiner Ansprüche zu liefern. Ein Auskunftspflichtiger habe daher über alle für den Anspruch relevanten Schenkungen Auskunft zu erteilen. Dies gelte auch für einen Geschenknehmer, insbesondere wenn es sich dabei um eine Person aus dem familiären Nahekreis handle, weil in diesem Fall Kenntnis auch über anderen Personen zugeflossene Schenkungen anzunehmen sei. Einfache Nachforschungen zur Verschaffung des erforderlichen Wissens seien zumutbar.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Nach § 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB sind die erbrechtlichen Bestimmungen in der Fassung des ErbRÄG 2015 anzuwenden.

[11] 2. Nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 konnten Pflichtteilsberechtigte von der Verlassenschaft und den Erben Auskunft über Zuwendungen des Erblassers an andere Pflichtteilsberechtigte und Dritte verlangen. Ein korrespondierender Anspruch gegen den Empfänger der Zuwendung wurde hingegen verneint (2 Ob 227/19z Rz 16 f mwN).

[12] 3. Gemäß § 786 ABGB idF ErbRÄG 2015 hat, wer berechtigt ist, die Hinzurechnung bestimmter Schenkungen zu verlangen, in Bezug auf diese einen Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft, die Erben und den Geschenknehmer. Aufgrund dieser neu eingeführten Bestimmung besteht nunmehr auch ein Auskunftsanspruch des Hinzurechnungsberechtigten gegen den Geschenknehmer.

[13] 4. Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert die Begründung des Auskunftsanspruchs, dass der Auskunftswerber Umstände behauptet und beweist, die auf pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers schließen lassen. Beim Anspruch gegen einen (möglichen) Geschenknehmer sind Indizien erforderlich, dass der Erblasser die betreffende Person beschenkt hat. Bei Auskunftsbegehren gegen mögliche Geschenknehmer innerhalb des engeren Familienkreises sind – insbesondere, wenn sie selbst pflichtteilsberechtigt sind, – an diese Indizien keine hohen Anforderungen zu stellen, sodass bereits der Beweis des Erhalts einer hinzuzurechnenden Schenkung ausreicht (RS0133354).

[14] 5. Ob die Klägerin im vorliegenden Fall überhaupt hinreichende Umstände behauptet und bewiesen hat, die auf pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers an die Beklagten schließen lassen, kann dahingestellt bleiben, weil im Revisionsverfahren unstrittig ist, dass die Beklagten den Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung über pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers an die Beklagten selbst bereits erfüllt haben.

[15] 6. Für den von der Klägerin darüber hinaus angestrebten umfassenden Auskunftsanspruch gegen einen Geschenknehmer bietet § 786 ABGB keine Grundlage.

[16] 6.1. Nach den Gesetzesmaterialien sollte durch Einführung des § 786 ABGB klargestellt werden, dass jeder, der die Hinzurechnung von Schenkungen verlangen kann, einen Auskunftsanspruch auch gegenüber dem Geschenknehmer hat (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  35).

[17] 6.2. Nach dem Wortlaut der Bestimmung bezieht sich der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB nur auf hinzuzurechnende Schenkungen. Nicht eindeutig ist nach dem Wortlaut allerdings, ob sich der Auskunftsanspruch gegenüber dem Geschenknehmer nur auf diesem selbst zugekommene Schenkungen oder darüber hinaus auch auf andere pflichtteilsrelevante Schenkungen erstreckt.

[18] 6.3. In der Lehre findet sich zu dieser Frage– soweit überblickbar – nur eine explizite Stellungnahme. Nach Hofmann (Der Anspruch auf Auskunft über Schenkungen nach dem ErbRÄG 2015, NZ 2019/112, 322 [334]) muss der Geschenknehmer nur die ihm gemachte Zuwendung beauskunften, wohingegen die Verlassenschaft bzw der Erbe auch Schenkungen an Dritte zu beauskunften hat (idS wohl auch Dukic, Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten über das Verlassenschaftsvermögen und Schenkungen, NZ 2021/47, 170 [174 f]).

[19] 6.4. Der erkennende Fachsenat erachtet diese Ansicht als überzeugend.

[20] Bereits die unter Punkt 4. dargestellte Rechtsprechung legt nahe, dass ein Anspruch auf Auskunftserteilung gemäß § 786 ABGB gegenüber einem Geschenknehmer nur im Umfang der vom Erblasser dem (angeblich) Beschenkten gemachten Geschenke bestehen kann.

[21] Die Verlassenschaft bzw der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers haben die rechtliche Möglichkeit zur Einholung von (ihnen nach redlicher Verkehrsübung zumutbaren) Auskünften über Schenkungen an Dritte, weil sie die dem Erblasser zukommenden Auskunfts- und Informationsansprüche – etwa gegenüber Banken, aber auch gegenüber potenziell Beschenkten – ausüben können (2 Ob 142/19z Punkte III.4.3. und III.4.4.). Grundlegend anders verhält es sich bei einem bloßen Geschenknehmer. Selbst wenn dieser (nahe) mit dem Erblasser verwandt gewesen sein sollte, besteht keine rechtliche Basis für die Annahme der Klägerin, der Geschenknehmer könnte dem Erblasser vor dessen Ableben zugekommene Ansprüche auf Auskunftserteilung ausüben. Die in der Revision genannte „Nachfrage im familiären Umkreis“ kann jedenfalls keine Grundlage für die Bejahung einer Auskunftspflicht darstellen.

[22] Überdies hat die Bestimmung des § 786 ABGB im Hinblick auf einen Auskunftsanspruch bezüglich des vorhandenen Verlassenschaftsvermögens nichts geändert (Umlauft in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 786 ABGB Rz 3 mwN). Ein solcher besteht daher weiterhin nur gegenüber der Verlassenschaft bzw nach Einantwortung gegenüber den Erben (vgl 2 Ob 142/19z Punkt III.2. mwN).

[23] Damit fehlt es aber insgesamt an einer Grundlage für die von der Klägerin vertretene Annahme, der bloße Geschenknehmer habe eine Verpflichtung, Auskunft über Schenkungen des Erblassers an Dritte zu erteilen.

6.5. Als Ergebnis folgt:

[24] Der Auskunftsanspruch des § 786 ABGB beschränkt sich gegenüber einem bloßen Geschenknehmer auf die diesem selbst gemachten Zuwendungen. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, der bloße Geschenknehmer habe darüber hinaus eine Verpflichtung, dem Hinzurechnungsberechtigten Auskunft über Schenkungen des Erblassers an Dritte zu erteilen.

[25] 7. Da die Beklagten den ihnen gegenüber bestehenden Auskunftsanspruch bereits unstrittig erfüllt haben und sie keine darüber hinausgehende Auskunftsverpflichtung über Schenkungen an Dritte trifft, war der Revision insgesamt ein Erfolg zu versagen.

[26] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO.

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