European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00039.22B.0420.000
Spruch:
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] In dem von der Staatsanwaltschaft gegen * Z* wegen des Verdachts der Verbrechen der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen geführten Ermittlungsverfahren (ON 1 S 1) wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. Februar 2022, AZ 331 HR 247/20h (ON 269), die am 21. Dezember 2020 verhängte (ON 40) und bereits mehrfach fortgesetzte Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO fortgesetzt. Der dagegen erhobenen Beschwerde (ON 273) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 15. März 2022, AZ 21 Bs 46/22a (ON 277), nicht Folge und setzte die Haft aus dem Haftgrund des § 173 Abs 1, Abs 6 StPO – unter Bejahung der Voraussetzungen des § 178 Abs 2 StPO – fort.
[2] Dabei erachtete das Beschwerdegericht – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine Vorbeschlüsse (BS 6) vom 29. Jänner 2021 (ON 123; AZ 21 Bs 21/21y), vom 7. Juni 2021 (ON 220; AZ 21 Bs 167/21v) sowie insbesondere zuletzt vom 29. Oktober 2021 (ON 255; AZ 21 Bs 328/21w) Z* der in BS 2 bis 4 bezeichneten Taten dringend verdächtig, die es mehreren „Verbrechen der terroristischen Straftat des Mordes als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 75, 15; 278c Abs 2 (Abs 1 Z 1) StGB“ (I./), dem Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (II./) sowie dem Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (III./) subsumierte.
[3] Aufgrund der seit der dem letztzitierten Beschluss des Oberlandesgerichts betreffenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 7. Dezember 2021, AZ 11 Os 146/21m, im Wesentlichen unverändert gebliebenen Verdachtslage kann hiezu auf eben diese Entscheidung ([Rz 2] des Erkenntnisses) verwiesen werden.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts (ON 277) richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten. Sie erklärt zwar eingangs, diesen „in seinem gesamten Umfang und Inhalt“ anzufechten, bestreitet aber – ohne den dringenden Tatverdacht oder die Nicht-Ausschließbarkeit der Haftgründe deutlich und bestimmt in Zweifel zu ziehen – (bloß) die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft und behauptet einen Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen.
[5] Diese Verhältnismäßigkeit prüft der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in zwei Schritten, ob angesichts der vom Oberlandesgericht angeführten bestimmten Tatsachen der von diesem gezogene Schluss auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe vertretbar war (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO) und – zusätzlich und nach Maßgabe eigener Beweiswürdigung – ob die Gerichte alles ihnen Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen haben (§ 177 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0120790).
[6] In diese Prüfung hat der Oberste Gerichtshof aber von vornherein nur dann einzutreten, wenn – nach Ausschöpfung des Instanzenzugs – entsprechende Verstöße durch das Gericht (§ 1 Abs 1 GRBG) in der Beschwerde konkret behauptet werden (§ 3 Abs 1 erster Satz GRBG; vgl Kier in WK2 GRBG § 3 Rz 16 mwN; RIS‑Justiz RS0120790 [T1]).
[7] Unvertretbarkeit des vom Oberlandesgericht aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen (BS 11) gezogenen Schlusses, die – zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über 14 Monate andauernde – Untersuchungshaft stünde weder zur Bedeutung der Sache noch zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO), legt die Beschwerde, die sich noch dazu in der nicht nachvollziehbaren Spekulation erschöpft, das Beschwerdegericht habe die „Prognoseentscheidung hinsichtlich des zu erwartenden Strafausmaßes völlig überhöht getroffen“, nicht substantiiert dar.
[8] Mit der bloßen Behauptung von nicht näher bezeichneten „zahlreichen Verzögerungen im Ermittlungsverfahren“ und der damit verbundenen Kritik, dass „seit der letzten Beschlussfassung durch das OLG Wien kaum neue Ermittlungsergebnisse“ vorlägen bzw „seit mindestens einem halben Jahr absolut kein neues Faktum eruiert werden“ konnte, und damit an der – im Übrigen zutreffenden (vgl erneut RIS-Justiz RS0120790) – Verneinung einer ins Gewicht fallenden grundrechtsrelevanten Verzögerung in den Ermittlungen (BS 12), stellt der Beschwerdeführer entgegen § 3 Abs 1 erster Satz GRBG nicht konkret dar, aus welcher (genau bezeichneten) Untätigkeit der im Strafverfahren tätigen Behörden eine ins Gewicht fallende und somit grundrechtswidrige Säumigkeit resultiere (Kier, WK‑StPO § 9 Rz 54; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO § 177 Rz 3).
[9] Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
[10] Im Übrigen ist anzumerken (siehe dazu die wiederholte Akteneinsicht durch den Verteidiger ON 1 S 699a iVm ON 1498 in AZ 552 St 15/21k), dass die Beteiligung des Z* am Terroranschlag vom 2. November 2020 auch Gegenstand des Ermittlungsverfahrens AZ 552 St 15/21k der Staatsanwaltschaft Wien („Stammakt“) ist (vgl etwa ON 1 S 703 in AZ 552 St 15/21k). Angesichts des extremen Umfangs (zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits über 1.500 Ordnungsnummern) der gegen zahlreiche Beschuldigte geführten Verfahren, welche komplexe Ermittlungen (im In- und Ausland) erfordern, und der aufzuarbeitenden Datenmengen, deren sorgfältige Prüfung auch mit Blick auf die restriktive Verantwortung des Beschuldigten (vgl etwa BS 12 zur Verschlüsselung seines Laptops) unumgänglich ist, kann zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung von einer § 177 Abs 1 StPO verletzenden Verzögerung des Verfahrens keine Rede sein. Nur eine solche aber wäre dem Grundrecht auf persönliche Freiheit abträglich, nicht jedoch Ermittlungen, die aufgrund der Inanspruchnahme des Rechts nach § 8 Abs 2 StPO länger dauern (stünde es doch sonst im Belieben eines Beschuldigten, seine Enthaftung durch Schweigen zu erzwingen). Die Unschuldsvermutung des § 9 StPO wiederum ist nicht prozessordnungsgemäßer Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde (jüngst RIS‑Justiz RS0133828) und schon gar nicht haftbezogen quantifizierbar.
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