OGH 14Os11/22g

OGH14Os11/22g30.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen Mag. * T* wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 24. November 2021, GZ 17 Hv 93/21h‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00011.22G.0330.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Mag. * T* mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich zu unbekannten Zeitpunkten zwischen August und November 2020 in K* und an anderen Orten im Bundesgebiet auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er einer unbekannten Person mehrfach Fotos und ein Video von seinem Mobiltelefon mittels WhatsApp übermittelte, und zwar

1/ ein Video, welches Adolf Hitler bis zu seinem Oberkörper in Uniform zeigt, wobei sein rechter Arm bei Inbetriebnahme eines Ventilators durch den Luftstrom in die Höhe gehoben wird;

2/ ein Abbild Adolf Hitlers in einer Reihe von Bildern von Musikern und Schauspielern mit dem Text: „Viel zu früh seid ihr aus dem Leben geschieden. Aus unseren Herzen aber nie!“;

3/ eine mit der Unterschrift „Adolf Hitler“ gezeichnete sowie mit Hakenkreuz und Reichsadler bedruckte Urkunde mit der Bezeichnung „Covid‑19 Reisenstabskommando Oberpfalz Nord – Passierschein/Sonderausweis“, mit welcher eine „Aussetzung der Covid‑19 Ausgangsbegrenzung und uneingeschränkte Reisefreiheit zu jeder Tages- und Nachtzeit im gesamten Deutschen Reich“ bewilligt wird.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 11 lit a und 13 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

[4] Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) vermisst eine „Erläuterung des Bedeutungsinhalts der inkriminierten Bilddateien“ in der Fragestellung. Die versendeten Dateien seien zwar „geschmacklos“, eine Eignung, die Zielsetzungen des Nationalsozialismus zu fördern, sei jedoch nicht gegeben. Das Vorbringen übersieht, dass die Bejahung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ im Sinne des § 3g VerbotsG auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit allein den Geschworenen zur Beantwortung vorbehalten ist, weshalb eine Anfechtung mit Rechts- oder Subsumtionsrüge ausscheidet (RIS‑Justiz RS0119234). Im Übrigen wurden die bildlichen Äußerungen im Wahrspruch verschriftlicht, weshalb auch insoweit ein Defizit der Sachverhaltsgrundlage für die vorgenommene Subsumtion nicht auszumachen ist (vgl RIS‑Justiz RS0133817).

[5] Die weitere Forderung (inhaltlich Z 8) nach „detaillierter Schilderung des Bedeutungsinhaltes“ in der schriftlichen Rechtsbelehrung entbehrt einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (vgl § 321 Abs 2 StPO, demzufolge [nur] die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung [hier: § 3g VerbotsG] darzulegen sind; vgl dazu RIS‑Justiz RS0100764). Die Behauptung, den Geschworenen sei suggeriert worden, „jede Äußerung“, die „sich mit nationalsozialistischen Inhalten auseinandersetzt“, sei tatbildlich, entfernt sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0100695 [insbesondere T7]) vom Inhalt der Instruktion (derzufolge unter „Betätigung im nationalsozialistischen Sinn“ eine „unsachliche, einseitige sowie propagandistisch vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen und Ziele“ zu verstehen sei [ON 18 S 29 f; vgl RIS‑Justiz RS0080029]). Sonstige Unrichtigkeiten derselben in Bezug auf den gesetzlichen Belehrungsauftrag werden nicht vorgebracht.

[6] Weshalb der Wahrspruch ausdrücklich Aussagen zur subjektiven Tatseite hätte enthalten müssen, obwohl § 3g VerbotsG keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichende Vorsatzform verlangt und eine am Tatbestand orientierte Formulierung der Fragen – mit Blick auf die (auch im Nebenstrafrecht anzuwendende [Art I Abs 1 des StrafrechtsanpassungsG BGBl 1974/422]) gesetzliche Anordnung des § 7 Abs 1 StGB – bedingten Vorsatz unmissverständlich zum Ausdruck bringt (RIS‑Justiz RS0113270 [insbesondere T4]), erklärt die weitere Rechtsrüge (Z 11 lit a) nicht (vgl im Übrigen [zur schriftlichen Belehrung über das Vorsatzerfordernis] ON 18 S 31 f).

[7] Der Einwand, es sei nicht „objektiv festgestellt“ worden, dass der Beschwerdeführer „die Nachrichten von seinem Telefon versendet“ habe, verfehlt die gebotene Bezugnahme auf das im Wahrspruch festgehaltene Sachverhaltssubstrat (RIS‑Justiz RS0101148). Die – auf die äußeren Tatumstände gestützte – Bestreitung vorsätzlichen Handelns bekämpft bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Geschworenen.

[8] Vom Wahrspruch entfernt sich auch die Kritik der Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) an der erschwerenden Wertung der „Verwirklichung mehrerer Verbrechen durch wiederholte Einzelhandlungen zu unterschiedlichen Tatzeitpunkten“ (US 3 f; § 33 Abs 1 Z 1 StGB). Dass der Beschwerdeführer mehrere (selbständige) § 3g VerbotsG subsumierte Taten beging, bringt die Antwort der Geschworenen mit der Formulierung, er habe sich „zu unbekannten Zeitpunkten“ (über einen Zeitraum von mehreren Monaten) im nationalsozialistischen Sinn betätigt, hinreichend deutlich zum Ausdruck.

[9] Der Einwand, das Erstgericht hätte „die Voraussetzungen einer außerordentlichen Strafmilderung“ prüfen müssen, enthält bloß ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0091303 [T4]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

[11] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung(§§ 285i, 344 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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